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Yes We Mystic / Ten Seated Figures – CD-Review

Bei der Formation Yes We Mystic aus Winnipeg, Kanada, ist bereits der Bandname so etwas wie Programm. Ihr »[…] intensiver, cineastischer Art Pop machten das Quintett in den letzten Jahren zu einer stetig wachsenedne Institution der kanadischen Indie-Szene. […]«

Nach einer mit fünf Tracks bestückten Scheibe mit dem Titel "Floods And Fires" (2013) und der 7″-Single "Vestige" (2015) war "Forgiver" sozusagen das erste Album von Yes We Mystic. Vor der Veröffentlichung von "Ten Seated Figures" erschienen einige Lieder als Streaming-Songs, wie zum Beispiel "Young Evil" oder "Please Bring Me To Safety". Beide Songs sind auf der vorliegenden Platte vorhanden.
Tatsächlich sind zehn Personen auf dem Coverbild abgebildet. Die links sitzende Frau setzt sich selbst durch eine Lichterkette ins Licht. Diesen Rotwein empfehlen wir nicht, denn er macht Kopfweh und zieht einem die Socken aus. Den Eindruck hinterlässt der Mann rechts. Im Einweg-Overall präsentiert sich die Frau daneben. Ihre Füße im Wasser eines Aquariums macht sie vielleicht Werbung für Dr. Prickelssons Fußbad-Zusatz. Mittig sitzt eine lebende Litfaßsäule und eine weitere Person hält gemalte Kunst unter dem Arm.

Neben den Musikern von Yes We Mystic gibt es eine riesige Anzahl von weiteren Beteiligten in verschiedenen Liedern.
Wenn vorher von gemalter Kunst die Rede war, dann darf man bei der hier dargebotenen Musik definitiv von akustischer Kunst sprechen. Meiner Meinung nach kann man den Art Pop-Stil durchaus um Alternative Music ergänzen.

Yes We Mystic machen Musik für besondere Momente.
Die Yes We Mystic-Männer Adam Fuhr sowie Keegan Steele sind geradezu begnadete Songwriter.

Wie aus dem fein gestalteten Booklet hervorgeht, wurden bestimmte »[…] samples in track 1 and 7 […] taken from the sessions of Forgiver […]«.
Die opulenten, zeitweise überschäumenden, beziehungsweise sehr persönlich gehaltenen Klänge handeln, wie es die Band selbst beschreibt, von »[…] memory […]«, »[…] false memory […]« oder von »[…] different ways in which we can remember the same event […]«.
Die beiden Buchstützen der Scheibe sind in ihrer Auslage so unterschiedlich, als hätte man zwei farbig verschiedene Schuhe angezogen. In seiner Kürze von knapp über zwei Minuten lässt "Uniform" den Art Pop förmlich rocken. Es klingt spannend, was man hier zusammengestellt hat. "Un/form", etwas kürzer als der Opener, überzeugt durch leicht verfremdete Vocals, viel Streicher-Sound, aus denen sich wie Blitzlichter das eine andere Instrument hervortut. Der dramatisch klingende Chor setzt ein letztes Ausrufszeichen.

Großartige Kontraste prägen die Dramaturgie der Scheibe
Viele herrliche oder geradezu bedrohliche Sounds triggern beim Hörer das gesamte Gefühlsspektrum. Nach der Hitze der Sauna kommt das Kältebad oder von mir aus auch vice versa, so wie bei "Young Evil" und dem folgenden "Italics". Die erstgenannte, von Synthesizer-Klängen eingeleitete Nummer ist verführerisch, opulent angerührt, von einem klasse Gesang begleitet und endet quasi in einer klanglichen Ohrfeige, denn von einer, mit dem Akkuschrauber angezogenen Streicher-Dynamik wird man überrollt. Wie schön ist das Gefühl, platt zu sein.
"Italics" richtet einen sozusagen wieder auf. Zart-verträumt streichelt das Stück die Trommelfelle mit Samthandschuhen. Yes We Mystic kann auch kurz vor der Zerbrechlichkeit agieren und anziehend wirken. Was die Kursivschrift zusammenhält, sind Streicher sowie die Rhythmus-Fraktion.

Bei Yes We Mystic ist Musik als Kunstform ohne Grenzen anzusehen.
Irgendwie schafft es die Combo, manchmal in kurz aufeinander folgenden Intermezzi die auditive Aussagekraft so schnell zu wechseln, wie ein Chamäleon. Hier und da fühlt man sich wie in einer Zeitmaschine, die einen in die Hochzeit der damals sehr erfolgreichen Pop-Bands zurück beamt. Nicht schlecht!
Highlights? Wie wäre es mit dem herrlich pastellfarben schimmernden "Felsenmeer" oder einem Retro-gerichteten "Last Known Sighting".

Yes We Mystic wirft einen sehr differenzierten Blick auf den Art Pop und in vielen Augenblicken ist sie Alternative.
Selbst bei einer bescheidenen Gesamtspielzeit von fast sechsunddreißig Minuten kommt unter dem Strich viel tolle Musik heraus.


Line-up Yes We Mystic:

Adam Fuhr (vocals, electric guitar, acoustic guitar, upright piano, synthesizers, string machine, toy keyboard, trumpet, percussion)
Keegan Steele (vocals, mandolin, synthesizers, organ, floor lamp, percussion)
Jodi Plenert (vocals, cello, bass, grand piano, keyboard, synthesizer, string machine)
Jordon Ottenson (drum kit, sheet metal, percussion, string machine)
Jensen Fridfinnson (violin, electric guitar, synthesizer, grand piano, vocals)

Yes We Mystic is also:
Davis Plett (grand piano, synthesizer – #10)
Madeline Rae (percussion – #10)
Frances Koncan
Ross McMillan
Julian Kirchmann (audio manipulations – #10)

also appearing:
Eric Ross (additional violin – #2,4,7-9)
Kathryn Kerr (alto saxophone – #7)
Todd Martin (french horn – #5,10)
Keith Dyrdia (trombone – #5,10, choir – #6,9,10)
Collectif9 (srings – #2,6,10)
Matt Boyer (guitar – #8)
Jordan Cayer (bass – #10)
Katie Beth (choir – #6,9,10)
Nicholas Burns (choir – #6,9,10)
Leigh Chenoweth (choir – #6,9,10)
Gloria Enns (choir – #6,9,10)
Mikaela Hoeppner (choir – #6,9,10)
Pam Jackson (choir – #6,9,10)
Sarah Lampertz (choir – #6,9,10)
Leah McIsaac (choir – #6,9,10)
Hannah Muhajarine (choir – #6,9,10)
Walker Rambo (choir – #6,9,10)
Paul Sherwood (choir – #6,9,10)
Kelsey Smith (choir – #6,9,10)
Amanda Stegmaier (choir – #6,9,10)
Stacey Traynor (choir – #6,9,10)
Lola Whonnock (choir – #6,9,10)
Chelsey Young (choir – #6,9,10)
Jason Young (choir – #6,9,10)

Collectif9 is:
Elizabeth Skinner (violin)
Yubin Kim (violin)
Robert Maragaryan (violin)
Scott Chaney (viola)
Xavier Lepage-Brault (viola)
Andrea Stewart (cello)
Jérémie Cloutier (cello)
Thibault Bertin-Maghit (double bass)

Tracklist "Ten Seated Figures":

  1. Uniform
  2. Young Evil
  3. Italics
  4. Please Bring Me To Safety
  5. Win Ben Stein’s Money
  6. Panthalassa
  7. Vainitas Waltz
  8. Felsenmeer
  9. Last Known Sighting
  10. Un/form

Gesamtspielzeit: 35:41, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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