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YourEnvy / The Garden – CD-Review

YourEnvy / The Garden

YourEnvy ist ein Langzeit-Projekt des Multi-Instrumentalisten Shawn Sherwood aus Kanada. Auch wenn mit dem hier vorliegenden Album, "The Garden", erst die zweite Scheibe produziert wurde, ist die Band in wechselnder Besetzung bereits seit 1996 am Start. Melodic Hard Rock wird in der beiliegenden Beschreibung als Schlüsselbegriff vorangestellt, wobei die zitierten Einflüsse aus meiner Sicht zum Teil auf eine falsche Fährte locken. So empfinde ich die Kompositionen zum Beispiel deutlich näher bei den späteren Rainbow-Nummern als bei Pink Floyd. Unverkennbar hingegen sind immer wieder mal einzelne, durchbrechende Metal-Attitüden, die von leicht bombastischen, orchestralen Einlagen zum Tanz aufgefordert werden. Das ergibt eine durchaus zündende und im Sound sehr volle und satte Mischung aus auftürmenden Soundwänden, schön konterkariert von sanften akustischen Gitarren und einem coolen Gesang. Eine ganze Reihe von Gast-Strategen helfen mit, diesen energetisch kernigen Level zu kreieren, die Musik bleibt weitgehend im roten Bereich der Amplitude auf den Verstärkern unseres Vertrauens.

Zum Auftakt hingegen haben sie mich gleich noch einmal ein wenig in eine nicht erwartete Richtung gelenkt, denn das listige "Fallen Apart" hat zu Beginn ein wenig von Lesley Wests geilen Solo-Nummern. Coole Hooks mit einer um Aufmerksamkeit buhlenden Gitarre bieten einen sehr erdigen Einstieg, doch Bluesrock steht prinzipiell nicht im Programm und so geht der Song im Refrain in einen gefälligen Hard Rock über und schenkt ein schönes Solo.

Der im Tempo deutlich zurückgenommene Titelsong, "The Garden", lebt anfangs von der Spannung zwischen dem energetisch aufgeladenen Gesang über einer mächtigen Soundwand aus breiten Synthie-Geflechten und intervenierenden Gitarren. Da rollt ein ordentlicher Tsunami aus den Boxen, wobei die Melodik doch ein ganz klein wenig zu trivial und nicht allzu virtuos über uns kommt. Hier kokettiert man mir ein wenig zu mainstreamig. Das ändert sich sogleich in der nächsten Nummer durch die feine akustische Gitarre und die sehr emotionalen Vocals. Das baladeske "High Water" hat genau die Intensität, die ich in "The Garden" zum Ende ein wenig vermisst habe.

Dann wird das Tempo erheblich verschärft und ein double-bass-drum-getriebenes Feuerwerk aus aggressiven Riffs und wilden Licks beschwört Endzeitstimmung in "End Of the World". Sowohl hier als auch in "Still Remains" führen gemäßigte Breaks in ruhigere Passagen, in letzterem Song beinahe ein bisschen proggig, ohne dabei das Risiko allzu gewagter Stimmungswechsel einzugehen. Warum eigentlich nicht?

Genau diesen Mut finde ich dann in "Burial" (Beerdigung), dem düster kurzen Übergang in den Nachfolgesong "Forgotten", der wie eine dunkle Hymne mitreißt. Die starke Saitenbetonung lässt es krachen, bevor das mäandernde "Dead Leaves" mit seinen akustischen Akzenten und der elektrischen Eskalation geradezu epische Ausmaße erwachsen lässt. Michael Gildners ausdrucksstarke Stimme bleibt so etwas wie der Steuermann auf einem Meer der Emotionen. Wohl nirgendwo auf dem Album nehmen die orchestralen Moränenhügel eine solch leitende Kanalisierung vor wie hier. Eine elegant dahin strömende und ausdrücklich verstärkte Gitarre entsendet ihre aufbegehrenden Licks durch diesen Strom treibender Melodik, die mir hier deutlich subtiler erscheint als beispielsweise im Titelsong. Ein starker Moment auf dem Album.

Zum Ende hin greift die Band zurück auf zwei bereits dargebotene Nummern und präsentiert akustische Versionen von "The Garden" und "Forgotten". Ein bisschen fühle ich mich erinnert an den Soundtrack von Jon Bon Jovi zum Film "Blaze Of Glory", die Harmonien und der Gesang vermitteln tatsächlich ein wenig von dieser Stimmung. Zum Abschluss bieten YourEnvy sogar ein Piano und eine Pedal Steel Guitar auf und setzen damit einen schönen letzten Akzent.

Insgesamt bereitet "The Garden" ein weitgehend klassisches Konzept melodischer Rockmusik, die sich gerne auch einmal ein wenig an orchestrale Begleitung anlehnt, um die Spitzen seiner eigenen Wildheit abzurunden. Das klingt gut, aber nicht wirklich neu und ab und zu buhlen mir die Tracks zu sehr um Begradigung und Wohlklang. Das mag aber der Tatsache geschuldet sein, dass ich ansonsten eher wüsteren Experimenten in der Rockmusik zugetan bin und darum mag der Fehler bei mir selbst liegen. YourEnvy haben einen Plan und setzen den durchaus wirksam in Szene. Mit ein bisschen Mut zum Risiko können aus diesem Ansatz in Zukunft echte Perlen reifen, wenn man es schafft, die Spannung und Steigerungskurven innerhalb der Nummern stabil und aufrecht zu halten. Die Arrangements dazu hat man ohne Zweifel am Start.


Line-up YourEnvy:

Shawn Sherwood (guitar, bass, synth)
Michael Gildner (vocals)
Brandon Davis (drums, percussion)

Tracklist "The Garden":

  1. Fallen Apart
  2. The Garden
  3. High Water
  4. End Of The World
  5. Still Remains
  6. Burial
  7. Forgotten
  8. Dead Leaves
  9. The Garden (acoustic)
  10. Forgotten (acoustic)

Gesamtspielzeit: 49:14, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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