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Yuval Ron Trio / Live Against The Virus – Digital-Review

Yuval Ron Trio / Live Against The Virus

Tief aus den Weiten des Weltalls erreichte die RockTimes-Redaktion in diesen Tagen ein Zeichen, eine Botschaft. Irgendwo im Kosmos schlug jemand die Trommel und auf Planet Erde landete als Signal ein kolossales Live-Konzert. Mitten in der Pandemie. Göttliche Offenbarungen?

Ja und nein! Offensichtlich wurde das Album Somewhere In This Universe, Somebody Hits A Drum hier im Magazin bereits vor knapp zwei Jahren verortet. Nun, in der Diaspora der kulturellen Bühnen-Entfaltung, hat sich ein erstaunlicher Musiker wie Yuval Ron auf den Weg gemacht, ein Konzert gegen das Virus einzuspielen. Was für ein unterstützenswertes Unterfangen. Und er spielt in Vollschutz – könnte man denken. Doch das Outfit ist mitnichten einem besonders ausgeklügelten Hygiene-Konzept entnommen, wie es eigentlich nur Herr Lauterbach erdenken könnte. Die vermeintlichen Schutzanzüge sind dem Thema des Albums entsprechend die Bekleidung der Astronauten, unschwer zu erkennen – vor allem für jene, die die Mondlandung einst im Fernsehen miterlebt haben. Der aktuelle Bezug ist trotzdem sehr geil.

Ich empfehle unseren Bericht zum Studioalbum, wo die Musik in großer Ausführlichkeit beschrieben wird. Auch mir stockt ein wenig der Atem, wenn ich auf ein derart explosives Gemisch zwischen virtuoser Fusion und geradlinig progressiver Musik stoße.
Natürlich haben wir es hier mit einem Geisterkonzert zu tun, Publikum ist (noch) nicht mit an Bord des Bühnen-Shuttles, was bei so einer anspruchsvollen Musik jedoch für den Zuhörer auch sehr angenehm sein kann, da es keine Darbietungen vor der Bühne gibt. Es gibt Konzerte, die funktionieren nur mit Action im Auditorium, hier bin ich ein ums andere Mal froh, dass niemand in die virtuosen Parts hinein blökt.

Das Konzert folgt weitgehend dem bereits zitierten Album aus dem Jahr 2019. Der Titelsong, "Somewhere In This Universe, Somebody Hits A Drum", bildet ebenfalls den Auftakt. Die Keyboards sind vom Band dazu gespielt, Yuval Ron agiert mit einem klassischem Trio. Seine Art zu Spielen erinnert mich, wie schon meinen Kollegen vor zwei Jahren, in seiner klaren Brillianz des Fingerspiels und seiner ungezügelten Virtuosität an die wilden Zeiten eines Al Di Meola, die Arrangements hingegen sind ein wenig straffer als einst beim Großmeister des Jazzrock und deutlich in der Gestaltung dem progressiven Rock zugewandt. Grenzen gibt es hier keine. Mit Niklas Lukassen am Bass und Simon Schröder an den Drums steht dem Saiten-Magier eine andere Rhythmus-Fraktion zur Seite als auf der Studio-Aufnahme. Beide meistern ihren Part aber formidabel.

Ergänzt wird das Live-Material im Vergleich zum Album von 2019 durch das zweigeteilte "Watching Over Shizutani-Kou Bay" aus dem Jahr 2012, zunächst als eindrückliche Percussion-Nummer, die dann in eine wunderbar relaxte, jazzige Meditation hinüber leitet. Wie sich aus dem meditativ dahin fließenden Bass schließlich die reflexive Gitarre heraus kristallisiert ist hinreißend. Und die darf dann richtig durchstarten. Wieder ist es diese unglaubliche Präzision der Licks, die mir Schauer über den Rücken treiben. Hier wird live gespielt, doch jeder Ton sitzt millimetergenau auf dem Punkt. Was für ein beeindruckendes Können.
Es folgt dann ein klarer Höhepunkt des Konzerts, eine sanfte und melancholische, freie Improvisation auf der Gitarre über einem dumpf und dunkel eingespielten Tastenteppich. Das ist das "Guitar Solo Against The Virus". Wie viele Menschen werden mit dieser Pandemie ihre persönlichen Schicksale verbinden, wie viel Leid hat diese Zeit der Welt und so vielen Individuen gebracht. Yuvals sensibles Spiel weiß all das zu würdigen, ein irgendwie erhabener und doch auch so dramatischer Augenblick.
Diese Musik hat übrigens deutlich mehr von Steven Wilson denn von Herrn Di Meola.

Das experimentelle "Covid Gets To Mars" vermittelt eine deutlich andere Stimmung. Die scheinbar ziellos gestreuten perkussiven Variationen mit den bruchstückartigen Saiten-Partikeln wirken wie eine wissenschaftliche Sezierung des Virus. Um es dem Titel entsprechend auf den Mars zu schießen?
Wie könnte man dieser verstörende Atmosphäre besser begegnen als mit dem geradezu hymnischen "Live Against TheVirus" und seinen wunderbar vorwärts orientierten Hooklines – purer Optimismus gegen den Corona-Blues. Diese Nummer hat wirklich einen mitreißenden Drive.

Das Konzert wurde am 28. Mai dieses Jahres im Berliner Rockhaus Saal aufgezeichnet, es kann hier auf dem Portal Youtube aufgerufen werden.
Es gab vereinzelte Aktionen in den letzten Monaten, die sich der modernen medialen Welt bedienten, aber für mein altertümliches Empfinden von viel zu wenigen. Es gab leider auch Versuche, die bereits nach wenigen Minuten aufgrund mieser Server-Leistungen zu Grabe getragen werden mussten. Am Ende wurde aus der Freude, das überhaupt mal ein wenig Live-Musik produziert werden sollte, noch weiterer Frust, wenn genau das an simplen technischen Voraussetzungen scheiterte. Danach war man noch mehr niedergeschmettert als zuvor.

So gesehen hat Yuval Ron eine Raketenstufe nach der anderen gezündet, denn das aufgezeichnete Konzert erscheint in einer erstklassigen Präsentation hinsichtlich Sound und Musikalität und die eindimensionale schlichte Bildführung trägt ein Stück weit zum Geist dieser Zeit der Geisterkonzerte bei. Er hat uns in einer bösen Zeit ein Stückchen Hoffnung gegeben, Hoffnung auf eine halbwegs normale Zukunft, denn die Band liefert ein fulminantes Konzert sprühender Virtuosität ab; so wie wir es uns wünschen und es lieben.

Es ist nett und irgendwie anrührend, inmitten der dunkelsten Zeit einen bekannten Musiker mit seiner Klampfe via Computer daheim in seinem Wohnzimmer ein paar Liedchen spielen zu sehen. Aber es ist Zeit, solche Bilder endlich zu den Akten zu legen. Es ist vielmehr an der Zeit, zurückzukehren vor die Bretter, die die Welt bedeuten und denen wieder voller Begeisterung und ohne melancholisches Mitleid für sich selbst zu folgen, die wir verehren. Yuval Ron hat mir davon etwas gezeigt, ich wäre gern mal dabei, wenn die Astronauten live und ohne Internet in den Orbit starten.

Tolles Konzert und großartige Umsetzung!


Lineup Yuval Ron Trio Line:

Yuval Ron (guitar, voices)
Niklas Lukassen (bass)
Simon Schröder (drums)

Tracklist "Live Against TheVirus":

  1. Somewhere In This Universe, Somebody Hits A Drum
  2. Gravitational Lensing
  3. WIFI In Emerald City
  4. Watching Over Shizutani-Kou Bay I
  5. Watching Over Shizutani-Kou Bay II
  6. Guitar Solo Against The Virus
  7. The Discovery Of Phoebe
  8. Covid Gets To Mars
  9. Live Against TheVirus

Gesamtspielzeit: 65:33, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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