Da ist sie wieder, die gute alte Zeit, als man noch auf einen Kassettenrecorder, ein Tonbandgerät oder einen Plattenspieler angewiesen war und die Musikliebhaber von CDs, MP3-Formaten oder DVDs noch meilenweit entfernt waren. Es scheint, dass die Zeit des Vinyls wieder im Kommen ist und genau diesen Trend beherzigen die Musiker des Blues-Ensembles 5 Live bei diesem Album!
Bestehend aus dem Autodidakten, Ausnahmegitarristen und Sänger Henrik Freischlader, dem Saxophonisten/Sänger Tommy Schneller, dem Pianisten Moritz "Mr. Mo" Fuhrhop, dem Bassisten Olli Gee und dem Schlagzeuger Mickey Neher, der ebenfalls seine Sangesqualitäten unter Beweis stellt, produzierte das Quintett neben dem üblichen Silberling auch ein Vinyl in Longplayer-Format.
Dass sich die Band dem traditionellen Blues widmet, unterstreicht auch das in Schwarzweiß gehaltene Cover. Es erinnert an die Zeit der Anfänge eines Ray Charles in den 50ern. Ebenso wie die inhaltlichen Fotos der einzelnen Bandmitglieder und einige Gesamteindrücke, für die der Designer und Fotograf Timo Wilke ebenfalls auf Farbe verzichtet hat.
Schon der erste Durchlauf der CD ließ mein Herz höher schlagen und doch, ich wollte erstmal mehr über 5 Live erfahren, und so waren meine gesammelten Kontaktdaten von großen Vorteil. Ich konnte einige wichtige Infos für meine bevorstehende Rezension erhalten, die für das Verständnis (z.B. zu den unterschiedlichen Tonträgern) von großer Bedeutung sind.
Man stelle sich vor: Fünf Musiker, genauer gesagt fünf Freunde, die sich alle auf einer Wellenlänge befinden, mieten sich für vier, fünf Tage ein Haus am Ratzeburger See. Die jeweiligen Lebenspartnerinnen nehmen an dem Trip teil, dazu werden noch eine Handvoll engerer Freunde eingeladen. Neben den üblichen Utensilien, die in eine normale Reisetasche gehören, wird alles Nötige an musikalischem Equipment mitgenommen, um ausgiebig zu jammen. Damit an diesem 'geheimen' Ort einige Ideen der Instrumentalisten spontan umgesetzt werden können, baut man in der ziemlich großen Wohnküche kurzerhand die komplette Anlage auf. Während Hobbykoch Tommy die Anwesenden mit einem leckeren Süppchen verwöhnt, steht für die Combo fest, dass Ihr geplantes Album anhand der Räumlichkeit nur "In The Kitchen" heißen kann. Diese außergewöhnliche Spontaneität wird sich in den folgenden vier Tagen fortsetzen, denn was den Konsumenten dieser Aufnahmen erwartet, entstand ohne vorheriges Proben und ohne jegliche Absprachen! Wie es ihnen in den Sinn kam haben sie einfach drauflos gespielt, und das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen! Soviel zur Vorgeschichte.
Bei dieser Rezi halte ich es wie bei einem festlichen Menü, das Beste kommt zum Schluss. Somit darf der Silberling als erstes durch die Kopfhörer wandern und verwöhnt meine Ohrmuscheln mit "Little By Little". Bei diesem Track ist Schneller für den Gesang zuständig und wird im Background von Freischlader und Neher unterstützt. Moment, Stop! So geht's nicht, ab in den Ohrensessel, noch schnell einen edlen Tropfen ins Weinglas, Telefon ausschalten, meine Katze um strikte Ruhe bitten, Hausklingel abstellen und noch mal von vorn. Mickey Neher und das Klampfen von Henrik vernehme ich als erstes im Eröffnungssong, dann steigt auch Moritz an der Orgel ein, groovig unterstützt von Ollis Bassgezupfe. Zum Ende hin jamt Henrik mit einer sagenhaften Leichtigkeit an seinem Spielgerät. Klasse!
Bei "How Long", das aus der Feder von Neher stammt, vernehme ich zuerst Tommy an seinem Saxophon. Oh ja, der Mann versteht sein Handwerk! Doch damit nicht genug, er ist zusammen mit Henrik noch für die Background Vocals zuständig. Nebenbei duellieren sich beide fantastisch mit Ihren Instrumenten, während Mickey sein "How Long" langgezogen ins Mikro trällert.
Den folgenden Gesang würde ich auch aus einem überfüllten Olympia-Stadion herauszuhören. Kein Wunder, habe ich diese Stimme doch schon etliche Male live on stage erlebt, Henrik Freischlader on Lead Vocals. "Days Alone" heißt das Stück, das der Gitarrist auch geschrieben hat. Ein Song, der sehr rhythmisch rüberkommt und dessen herausragende Merkmale starke Soli von Schneller, Fuhrhop und Freischlader sind. Eine ganz starke Nummer!
Folgend wird nun an die 1999 verstorbene Soul-Sängerin Dusty Springfield mit deren Song "Spooky" erinnert. Spätestens jetzt bin ich zu einem absoluten Fan von Schneller geworden. Dieses Saxophon lässt meine Trommelfelle in Verzückung geraten. Sein Spiel erinnert mich an Damian Hand bei seinem Gig mit Chris Farlowe bei seinem Auftritt im Rockpalast.
Der nächste Track, "New Love", könnte gar nicht besser passen, denn der Blues hat sich auch bei mir zu meiner neuen musikalischen Liebe entwickelt! Dieser Song stammt übrigens aus der Feder von Drummer Neher, der auch für den Gesang zuständig ist.
Vom leider auch nicht mehr unter uns weilenden R&B-Veteranen Ray Charles wurde "Drown In My Own Tears" ausgewählt. Könnte er sich diesen Ohrenschmaus noch gönnen, den die fünf Herrschaften auf ihren Instrumenten zelebrieren, würde er vermutlich vor Begeisterung in die Hände klatschen! Ebenso dürfte es Steve Gannon ergehen, dessen "Too Through With You" als Nächstes zum Besten gegeben wird. Hier kommt anfänglich das Saxophon von Schneller zum Tragen. Während er zwischenzeitlich auch noch den Text beisteuert, wird der Track zum Ende von Henriks Sechssaiter nach Hause gefahren. "Get Closer" vom gleichnamigen Studioalbum der Henrik Freischlader Band hört sich durch den Einsatz von Piano und Saxophon viel softer und weicher an, als das Original. Ein erstklassiger Blues!
Zum Schluss gibt Neher an seinen Fellen die Vorlage zu "Lonely Town" von Bill Whiters. Olli Gee steigt kräftig mit seinem Tieftöner ein, dann folgt Fuhrhops Piano und ein Gesang, den ich erstmal ausloten muss.
Tommy und Mickey singen hier synchron, wobei Neher für die Höhen und Schneller für die tieferen Tonlagen zuständig ist. Diesen Song haben sie mit reichlichen Jazz-Elementen gewürzt und diesmal dürfen sich Tommy und Olli an ihren Instrumenten austoben. Klasse Idee, auch den Applaus der Anwesenden aufzunehmen, so bekommt der Hörer die sehr private Atmosphäre bei diesem Gig direkt zu spüren.
Laut der Tracklist ist nun Schluss mit der CD. Doch es lohnt sich, den Silberling einfach weiterlaufen zu lassen, denn plötzlich ist Henrik noch einmal zu hören wie er seine
Mitstreiter anfeuert. Also gibt es noch einen "Hidden Track", der auf dem Cover nicht erwähnt wird. Prima Idee!
Die CD hat mich schon mal voll überzeugt. Sie ist nicht überproduziert, wirkt sehr authentisch, hat einen sehr beruhigend wirkenden Klang und vermittelt das große Können der einzelnen Musiker als verschmolzene Einheit. Für Freischlader selbst scheint 5 Live die ideale Ergänzung zu seiner Henrik Freischlader Band zu sein, die sich tendenziell mehr dem Blues widmet. So kann er mit der HFB mal richtig im Stil von Hendrix abrocken, um dann wieder mit 5 Live eine feinere sensiblere Saite anzuschlagen.
Doch nun zum Dessert, dem Vinyl. Hier fällt mir als erstes die Schwere der schwarzen Scheibe auf, ziemlich üppig das Teil! Beide Tonträger unterscheiden sich von der Songauswahl. So ist auf dem Silberling "Get Closer", "Lonely Town" und "Howe Long" zu hören, während auf der LP "Wake Up" ( Neher) und "When I First Saw You" ( Freischlader) vertreten sind, die man auf der CD vergeblich sucht. Beide Songs sind als Maxiversionen vertreten. So hat der Freischlader-Song eine Spiellänge von 10 ½ Minuten. Beides sind richtige Slow Blues-Nummern. Sie unterstreichen noch mal das Anliegen der Band, nämlich die Präsentation des Blues der ruhigen Art!
Es gibt aber noch einen gravierenden Unterschied zwischen dem silbernen Scheibchen und dem schwarzen Vinyl! Durch die anlogen Aufnahmen wirkt die Platte noch authentischer. Der Gesang ist noch homogener. Tiefere Bass und Drum-Töne, glasklare Gitarren, sowie reinere Saxophon- und Piano-Klänge lassen die Platte im Vergleich zur CD als knappen Punktsieger aus dieser Rezension gehen!
Ein zusätzliches Schmankerl ist, dass es von dieser Doppel-LP und der CD, die im Inneren fest verankert ist, nur eine limitierte Auflage von 1.000 Stück zu je 35 Euro gibt. Daher kann sich der Konsument nicht nur über einen musikalischen Hochgenuss freuen, sondern auch über ein Sammlerstück, dessen Wert sehr wahrscheinlich erhalten bleibt, eher sogar noch steigt, da es laut Aussage des Quintetts keine zweite Auflage geben wird!
Den fünf Musikern ist da ein echtes Meisterwerk gelungen. Ohne wenn und aber, diese Produktion hat ganz klar 10 von 10 RockTimes-Uhren verdient!
Die RockTimes-Redaktion bedankt sich außerdem ganz herzlich bei der Band für die Bereitstellung exklusiver Fotos dieser denkwürdigen Tage!
Zu Risiken und positiven Nebenwirkungen fragen sie Henrik Freischlader oder die anderen Protagonisten des herausragenden Albums.
Line-up:
Henrik Freischlader (guitar, vocals)
Tommy Schneller (saxophone, vocals)
Moritz Fuhrhop (organ)
Olli Gee (bass)
Mickey Neher (drums)
Tracklist |
CD:
01:Little By Little (Junior Wells)
02:How Long (Mickey Neher)
03:Days Alone (Henrik Freischlader)
04:Spooky (Dustin Springfield)
05:New Love (Mickey Neher)
06:Drown In My Own Tears (Ray Charles)
07:Too Through With You (Steve Gannon)
08:Get Closer (Henrik Freischlader)
09:Lonely Town (Bill Whiters)
09b:Hidden Track (Henrik Freischlader)
|
LP:
Seite A:
01:Little By Little (Junior Wells)
02:Too Through With You (Steve Gannon)
03:Wake Up (Mickey Neher)
Seite B:
01:Days Alone (Henrik Freischlader)
02:New Love (Mickey Neher)
03:When I First Saw You (Henrik Freischlader)
|
|
Externe Links:
|