Henrik Freischlader gab sich wieder mal die Ehre in Berlin. Der Name bürgt für hohe Qualität, so dass sich die Berliner Bluesfans selbst von einem Mittwoch nicht abschrecken ließen und die späte Anspielzeit (22:30 Uhr) gern in Kauf nahmen.
Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit, einen Frontplatz zu sichern, hielt ich mich diesmal in den hinteren Gefilden des Clubs auf, um den Gig einfach mal nur zu genießen. Zudem wollte ich mir auch eine Pause gönnen und nicht von einem meiner zahlreichen Konzertbesuche berichten. So zahlte ich brav den Eintritt und mein Notizblock blieb daheim, was sich im Nachhinein als ärgerlich herausstellen sollte, denn es gab doch einiges zu berichten!
 Überraschenderweise füllte sich das Quasimodo für einen Werktag recht gut und ich vernahm rundum die Freude der Anwesenden, dass es gleich wieder Bluesrock vom allerfeinsten geben würde. Moment! Da war von meiner Seite erstmal Aufklärungsarbeit angesagt! So teilte ich einigen Fans mit, dass Henrik Freischlader nicht unbedingt nur auf die Henrik Freischlader Band zu münzen ist! Eher, dass sie heute traditioneller Blues erwarten würde, wobei man auch hier nicht auf die genialen Soli von Henrik verzichten müsste.
Als sich die fünf Freunde auf die Bühne begaben, diesmal bedauerlicherweise ohne eine Ansage des Clubchefs, hauten sie den Fans anfänglich gleich ein 'Weltraumstück' um die Ohren. In einer guten Minute schredderte Henrik an der Klampfe, trommelte Mickey Neher kaum nachvollziehbar auf seiner Schießbude, zupfte Olli Gee ziemlich rustikal an den dicken Saiten, blies Tommy Schneller wirr ins Saxophon und Moritz Fuhrhop beackerte aufs heftigste seine Tasten. Nach diesem kurzen Spektakel beruhigte Freischlader die Fans und meinte lapidar: »War nur'n Spaß…«
 Das Blues-Ensemble eröffnete die Veranstaltung mit dem Opener Ihrer bisherigen einzigen Veröffentlichung, In The Kitchen, "Little By Little". Hier bestätigten sich meine Eindrücke von der Tonkonserve, dessen Review ich zum Konzert eigentlich eins zu eins kopieren könnte!
Jeder Einzelne unterstrich eindrucksvoll, dass er an seinem Spielgerät ein Ass ist. Über Freischlader habe ich selbst schon sehr viel geschrieben, dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Schneller hatte ich zum ersten Mal live erlebt und war neben seinen exzellenten Bläsereinlagen auch von dessen unglaublicher Gelassenheit beeindruckt. Zudem legte er die Anwesenden einmal richtig aufs Glatteis, indem er mit ernstzunehmender Mimik plauderte, dass er sehr unter der Trennung seiner Frau litt, die vor zwei Jahren mit seinem besten Freund durchgebrannt war. Als ich gerade ein bedauerliches Mitgefühl entwickelte, meinte er: »Ich vermisse meinen Freund so sehr«! So ein Schelm, der Tommy! Drummer Mickey Neher spielte an seinem Kraftwerk sehr energiegeladen, immer mitwippend und mit einem bemerkenswerten Zwerchfell ausgestattet! In der Tat förderte seine kräftige, klare Stimme ein wohliges Befinden in meinen Ohrmuscheln. Extraklasse war aber sein Schlagzeugsolo, das er zum Teil barhändig teils mit Sticks ausführte. Und alles sah trotz hohem Qualitätsanspruch unheimlich locker aus! Während Moritz 'Mr. Mo' Fuhrhop bewies, dass er ein Top-Tastenmann ist, fiel mir seine äußerlich stark ramponierte Hammond auf, die, wie sich beim späteren Nachfragen herausstellte, aus den 60ern stammt! Was könnte dieses Instrument für Geschichten erzählen?
 Einen ganz starken Eindruck hinterließ, obwohl immer links außen im Hintergrund, Basser Olli Gee! Der streichelte förmlich seine dicken Saiten und ich versuchte krampfhaft seine Spieltechnik zu durchsteigen. Es beeindruckte mich wie die Finger seiner linken Hand kaum wahrnehmbar die Saiten berührten. Klasse toller tiefer Rhythmus, den uns der Olli an diesem Abend servierte! Nur ein Solo hätte dem noch ein Sahnehäubchen aufgesetzt.
 Wie bereits erwähnt hatte die Combo mein 5 Live "In The Kitchen"-Review nur noch mal unterstrichen. Doch was war anders an diesem Abend? Während das Album nahezu perfekt produziert wurde, gab es live ein paar kleinere witzige Momente, so löste sich zweimal der Gitarrengurt von Henriks Klampfe oder Tommy vergaß mal eben seinen kabellosen Verstärker anzuschalten (Zitat von Tommy: »So ein typischer Montag..«), um dann vergebens nach hörbaren Noten zu blasen. Aber genau das sind die Attribute, die nur die Menschlichkeit der Profis unterstrich und die einen Abend erst so richtig erzählbar machen!
 Bis auf wenige Ausnahmen, die eben mehr den gewohnten Gitarrenwahnsinn von Freischlader erleben wollten, waren die meisten mit dem Dargebotenen zufrieden und zwangen die Fünf zu zwei Zugaben! Dabei spürte man, mit wie viel Freude die Freunde zusammen musizieren und die insgesamt kleineren Malheure eher witzig aufnahmen.
Zum Ende des Abends, oder besser gesagt zum Anfang des nachfolgenden Morgens, wurde noch reichlich gefachsimpelt! Auch hier stellte sich die Band den Fans und es blieb kaum eine Frage unbeantwortet. Ich kann nur hoffen: Auf ein Neues in Berlin 2010!
Line-up:
Henrik Freischlader (vocals, guitar)
Tommy Schneller (vocals, saxophone)
Olli Gee (bass)
Moritz 'Mr. Mo' Furhrhop (organ)
Mickey Neher (vocals, drums)
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