Richard Bienstock / Aerosmith:
Der ultimative Bildband über die Bad Boys aus Boston
Aerosmith Bildband 224 Seiten, ca. 400 Fotos/Dokumente
Hardcover, gebunden, 28 x 24
Medium: Buch
Erschienen bei Hannibal-Verlag, Höfen (A), 2012
ISBN: 978-3-854-45375-8, € 39,99 (D)

Review vom 31.05.2012


Jochen v. Arnim
»Wir waren nicht sehr ehrgeizig, als wir anfingen. Wir wollten nur die größte Rockband aller Zeiten sein.«
Mama mia, das ist ja wie Weihnachten! Gerade erst vor wenigen Tagen das fantastische
Coffee Table Book über Iron Maiden auf dem Tisch gehabt und schon kommt der Hannibal-Verlag mit einer weiteren Nummer der Spitzenklasse an den Start. Die Bad Boys aus Boston sind ja schon öfter mal zwischen Buchdeckeln verewigt worden, sei es als Teil-Autobiographie ("Walk This Way", 1997) oder als Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen der Band ("Living On The Edge With Steven Tyler" oder "The Fall And Rise Of Rocks Greatest Band"), in jedem Fall meist sehr textlastig. Jetzt aber kann dem Freund visueller Genüsse mit dem kürzlich auch in den USA erschienenen (nicht nur) Bildband Abhilfe verschafft werden.
Und was für ein Kracher das ist, erschließt sich dem Leser/Betrachter schon beim ersten schnellen Durchblättern des über 200 Seiten starken Werks. Auf die Schnelle: historische Fotos, Konzertbilder, Bilder von Memorabilien jedweder Art, Grafiken und Texte. Richard Bienstock, selbst Fan, hat hier eine Sammlung zeitgenössischer Dokumente über eine der ganz großen Bands der letzten 40 Jahre zusammengetragen und überaus ansprechend präsentiert. Ein großes, doppelseitiges Foto des knackevollen Kennedy-Stadions in Washington, D. C., Mitte der siebziger Jahre schiebt schon mal auf der Umschlaginnenseite etwas an Atmosphäre vor - und wer die Gelegenheit hatte, so etwas mal livehaftig mitzuerleben, weiß um eben diese Stimmung und Atmosphäre in den amerikanischen Sportstätten. Von einem willkommen heißenden, den Hut ziehenden Steven Tyler wird der Betrachter und Leser dann eingeladen, sich von nun an in den Bann ziehen zu lassen, einer der erfolgreichsten Rockbands Amerikas auf die Spuren zu kommen.
Eingeleitet von einer Zusammenstellung unzähliger Zitate aus Interviews, kommen hier die einzelnen Protagonisten, die sich später Aerosmith nannten, zu Wort und leiten den Leser unausweichlich zum Hauptanliegen - der Gründung der Band und ihr weiterer Werdegang, mit allen Hochs und Tiefs. Die ersten Achtungserfolge an der heimischen Nordostküste, die Unzufriedenheit mit der ausbleibenden Reaktion der Presse auf das Debütalbum, der harte Weg durch die entlegensten Regionen der Vereinigten Staaten als Anheizer für u. a. Lynyrd Skynyrd. Dann kamen langsam vorsichtige Platzierungen in den Billboard-Charts, bis es Mitte der Siebziger richtig krachte, die Kohle floss und Aerosmith die größten Drogenabnehmer Neuenglands wurden. Exzesse, Abrutschen in Drogensümpfe, gefeierte Tourneen rund um den Globus, Zusammenbrüche auf und hinter der Bühne, Dissonanzen, das beinahe Ende der Band Ende der siebziger Jahre, die reinen Fakten sind ja hinlänglich bekannt. Aufgelockert und interessant wird das Werk aber besonders durch die vielen eingeflochtenen Erinnerungen (oder Erinnerungsfetzen) der Bandmitglieder und deren Entourage. An den entsprechenden Stellen gibt es natürlich auch noch die jeweils passenden Albumkritiken, die den musikalischen Werdegang zusätzlich ein wenig erläutern.
Natürlich geht Bienstock auch auf Soloprojekte oder die ganz aktuelle Phase der Band ein, der ungebrochene Hype und die Vermarktung von 'Nigger Lips' (so wurde Tyler in der Schule beschimpft) und seinen Genossen mit Comics und Videospielen wird vielleicht nur noch von den
Königen des Merchandising übertroffen. Tipps für junge Bands, eine Übersicht der sechssaitigen Spielzeuge von Joe Perry und Brad Whitford, eine komplette Diskografie, ein Quelleverzeichnis sowie ein umfassendes Register runden den hohen qualitativen Anspruch dieses Buches ab. Das ganz große Bonbon für alle Fans der Band, überhaupt für Sammler von Rock-Memorabilien, sind aber diese unendlich vielen Abbildungen von alten Stickern, Eintrittskarten und Backstage-Pässen. Die Masse der Kleinodien sollte jeden Ticketfreak oder Luftschmitzjünger vor Erfurcht auf die Knie sinken lassen.
Der Hannibal-Verlag hat es wieder einmal geschafft, sich einen ganz dicken Fisch zu angeln, der jedem, aber wirklich JEDEM Verehrer der 'Toxic Twins' und deren Spannmänner uneingeschränkt ans Herz zu legen ist. Wenngleich der Untertitel auch etwas irreführend sein mag, ein reiner Bildband ist es nun wahrlich nicht, es tut der Freude an diesem Werk keinen Abbruch - ganz im Gegenteil. Das sind bestens investierte vierzig Kröten, also ab zum Buchhändler und einstimmen auf die neue Scheibe und die nächste Tournee im Sommer (zwar erst mal nur in den USA, aber who knows?)!
[Und ich freue mich schon auf die nächste Lektüre: Tony Iommis "Iron Man", ebenfalls aus dem Hannibal Verlag und bald hier vorgestellt]
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