Wie schrieb ich neulich erst: Sommerzeit - Schlangenzeit. Zu meiner großen Freude besuchten die 'amerikanischen Schlangen' (ja, es gab tatsächlich das Schlangenmotiv vom Cover der letzten Scheibe als Backdrop) Frankfurt - laut ihrer eigenen Aussage das erste Mal.
Da sie anscheinend eher ein Geheimtipp sind und diesen Termin (und andere) zwischen Festivalauftritten gelegt hatte, erwies sich das Nachtleben als ausreichend, war nicht ausverkauft, dennoch gut gefüllt, genau richtig, nicht unangenehm voll, dennoch voll genug, dass die Bands zufrieden sein können. Agalloch können sich außerdem über einen guten Merch-Verkauf freuen, schon in der Umbaupause waren die meisten Shirt-Motive in XL vergriffen, zum Glück habe ich trotzdem noch eins bekommen, auch wenn es nicht das Tourmotiv war. Ebenfalls zu zivilen Preisen gab es CDs, LPs, Tapes und noch mehr.
Pünktlich um 21 Uhr begannen Crown bzw. C.R.O.W.N.. Direkt (optisch) auffallende Tatsache: Die Franzosen haben keinen Schlagzeuger (und auch keinen Bassisten, sondern bestehen aus drei Gitarristen), sondern setzten einen Drumcomputer ein. Dieser erzeugte keinen langweiligen oder billig wirkenden Rhythmus, sondern war gut programmiert und passte zu den Instrustrial-Einflüssen in der Musik. Diese ist gar nicht so einfach zu beschreiben, bewegt sich irgendwo zwischen (Post) Black Metal, Industrial, Sludge Doom und… hm…
Gesprochene Passagen, Samples, Growls, Keifen, Klargesang - so vielseitig wie die stimmliche Seite ist auch die instrumentale. Die Song variieren von ruhig bis aggressiv, von eruptiv und wild bis kalt und technisch, von eher nachdenklich wirkend bis impulsiv. Wenn es teilweise sehr dröhnend und basslastig wurde, schienen die Wände des Nachtlebens mit zu brummen und zu vibrieren - okay, das war vielleicht nicht ganz so gewollt, da schien eher das Equipment etwas an seine Grenzen zu kommen. Nicht nur durch diesen (unbeabsichtigten?) Effekt kamen gerade diese Parts sehr intensiv rüber.
Insgesamt waren Crown beeindruckend, wobei es beim ersten Hören (hatte vorher noch nichts von der Band gehört) fast schon etwas zu viel war, um alles nachvollziehen zu können - aber gerade das empfinde ich als Herausforderung und Anreiz, sich Tonträger zuzulegen um alle Facetten des Sounds erkunden zu können.
(Anmerkung von Jens: Auch wenn die Burschen weder Drums noch Bass, sondern den Cousin von 'Angelo Sasso' dabeihatten, empfand ich das, was sie brachten als eine apokalyptischere Version von Ahab, ein echter Punch in die Fresse. Geil!!)
Ähnliches lässt sich sicher auch über Agalloch sagen, nur habe ich da den Vorteil, sämtliche regulären CDs zu besitzen und dadurch mit dem Material vertraut zu sein. Die Bandbreite reicht von Folk über Doom bis Black Metal, manches könnte man vielleicht auch als Post-irgendwas bezeichnen. (Anmerkung von Jens: Und was ist mit DHL, UPS und so weiter???? Immer nur POST HAHAHA) Manches ist ruhig und sehr atmosphärisch, es gibt jedoch gleichfalls Aggressionsausbrüche, oftmals wandeln sich die überlangen Songs in ihrem Verlauf.
Ich mag alle Scheiben, allerdings am liebsten die düster-verträumte "The Mantle" und die The Serpent & The Sphere mit ihrer ganzheitlichen Wärme. Von daher kann ich nicht behaupten, ich würde »I don't give a shit« zu der Tatsache meinen, dass eben jene CD 2014 herauskam. Diese Aussage des Frontmanns John Haughm war - wie auch einige andere - wohl eher humorvoll und nicht so ernst gemeint. Überhaupt, die Amerikaner erwiesen sich (im Gegensatz zu Pallbearer vor einigen Wochen, diese könnten davon lernen..) als offensichtlich erfahrene Live-Band, mitreißend und kommunikativ, was einen gewissen Gegensatz zu den Weihrauch-Gerüchen und der Menge an Nebel darstellte, wobei ich das nicht unbedingt als Widerspruch oder störend empfunden habe.
Klar könnte man argumentieren, das Rampensau-Gehabe von Gitarrist Don Anderson, der auf der rechten Seite stand - also genau in meiner Blickrichtung - wäre unpassend, doch ich fand ihn ganz cool. Klar wären vielleicht Videoeinspielungen mit Landschaftsbildern passender, hätte mir gut gefallen und hatte ich irgendwie auch ein wenig erhofft, vielleicht war diese Tour ein wenig 'zu klein' dazu. Immerhin war das Schlangenbackdrop sehr schön, würde ich mir zuhause auch aufhängen…
Was mich mehr störte, war die Tatsache, dass das Schlagzeug ein wenig zu laut war (zumindest auf meiner Position) und dadurch teilweise ein wenig die Atmosphäre 'kaputt hackte', bei den schnellen Songs war das noch okay, aber gerade bei den ruhigen Passagen oder bei den wunderschönen 'schwebenden' Gitarrensounds war es eher der Stimmung hinderlich als fördernd. Denn genau diese Elemente sind der besondere Reiz an Agalloch, wofür (nicht nur) ich sie so mag.
(Anmerkung von Jens: Mich hat das beschissene Getriggere viehisch genervt. Wenn ich nicht schnell spielen kann, dann lass ich es eben, oder lerne es!)
Schwarzmetallische Kälte und keifende Stimme gehören dennoch ebenso zum Repertoire, mitklatschen und mitbangen war ebenso möglich wie stehen und staunen. So gab es eine über hundertminütige Reise durch verschiedene Emotionen und natürlich auch durch das gesamte Material, alte und neue Songs (wobei verständlicherweise die "The Serpent & The Sphere" im Vordergrund stand) die wechselten wohldosiert.
Natürlich kam auch das vom Publikum geforderte "…And The Great Cold Death Of The Earth", mit dem ich die Band damals kennen und schätzen gelernt habe. Diese Zeilen sind einfach wunderschön, melancholisch und poetisch zugleich:
»Life is a clay urn on the mantle
And I am shattered on the floor
Life is a clay urn on the mantle
And I am scattered on the floor
We are the wounds and the great cold death of the earth«
Dies war sicher das Highlight (nicht nur) für mich, doch stand das restliche Material dem kaum nach.
Insgesamt wurden etwa hundertfünfzig Minuten außergewöhnlicher und eindrucksvoller Musik geboten, wobei beide Gruppen unterschiedliche Herangehensweisen haben und dabei jede auf ihre Weise spannend und interessant ist, gerade weil sie sich nicht von Schubladen einengen lassen - finde ich klasse, nur ist es dadurch schwierig, sich auf Stilangaben festzulegen…
Gerne kann diese Kombination noch mal kommen, zur Abwechslung beim nächsten Mal nach Wiesbaden, dann kann John Haughm wieder davon erzählen, dass sie auf dem Frankfurter Flughafen landen und doch in einer anderen Stadt spielen…
(Anmerkung von Jens: Waren zwei coole, ungewöhnliche Bands, die es schafften, trotz meiner Meckerei wegen des Drumsounds bei Agalloch etwas Magie in die triste Woche zu zaubern)
Setlist Agalloch |
01:The Astral Dialogue
02:Vales Beyond Dimension
03:Limbs
04:Ghosts Of The Midwinter Fires
05:Dark Matter Gods
06:Of Stone, Wind, And Pillor
07:Hallways Of Enchanted Ebony
08:...And The Great Cold Death Of The Earth
09:Into The Painted Grey
Encore:
10:Falling Snow
11:Plateau Of The Ages |
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