...allein der kommerzielle Druck, von den Umsätzen leben zu müssen, führt mitunter zu Kompromissen und Einschränkungen der künstlerischen Freiheit.
Rocktimes Interview Der Phönix ist aus der Asche gestiegen. Mit ihrem neuen Album sind Agathodaimon, trotz aller Gerüchte, die Band würde es nicht mehr geben, wieder zurück und mischen den Dark Metal-Himmel ordentlich auf. Gitarrist Sathonys stand uns, nicht nur zum neuen Album, Rede und Antwort.


Interview vom 06.04.2009


Andrea Groh
RockTimes: Hallo Sathonys, erst einmal Gratulation für das Auferstehen aus der Asche, es gab ja schon Gerüchte, Agathodaimon gäbe es nicht mehr.
Was mich jedoch etwas verwundert, dass dies bei Massacre Records passiert. Vor allem weil im aktuellen Nuclear Blast-Prospekt "Phoenix" exklusiv mit Bonus-T-Shirt angeboten wird. Hätte nicht erwartet, dass NB ein solches Angebot bei einer Band machen, die nicht mehr bei ihnen unter Vertrag ist. Wie kam es zu dem Wechsel und ist dieser, wie es scheint, friedlich verlaufen?
Sathonys: Ja, das verlief natürlich in geregelten Bahnen. Wir sprachen im Vorfeld der Scheibe mit unserem A&R bei Nuclear Blast über die Möglichkeit einer Lizenzierung an Massacre und trafen uns auch ein paar mal mit den verantwortlichen Personen bei Massacre. Nuclear Blast hat sich in den letzten Jahren mit Bands wie Nightwish doch in eine etwas kommerziellere Richtung entwickelt, und wir sind mit Agathodaimon nicht unbedingt die kommerziellste Band. Ein Label wie Nuclear Blast, das auch personell stark angewachsen ist, braucht heutzutage Bands, die mehr Umsatz generieren. Bei Massacre fühlen wir uns hingegen gut aufgehoben, deshalb wird auch das nächste Album dort erscheinen.
RockTimes: Es kam ja nicht nur zum Wechsel der Plattenfirma, auch bei der Besetzung hat sich einiges getan. Gründungmitglied Matthias 'Matze' Rodig hat Euch verlassen. Hier vermute ich mal berufliche Gründe, bzw. das Ende seines Studiums. Außerdem habt Ihr mit Chris 'Ashtrael' Bonner einen neuen Sänger, eine wirklich gute Wahl, wie ich finde. Wie kommt er mit dem Material seiner beiden Vorgänger zurecht? Spielt Ihr auch Songs mit rumänischen Texten von Vlad Dracul? Das ist nun wirklich ungewöhnlich und bestimmt schwierig zu singen.
Sathonys: Ja, bei Matthias war es primär ein Zeitproblem. Wir sind mit Agathodaimon zwar wie eingangs erwähnt nicht vollprofessionell aktiv, aber wir haben große Qualitätsansprüche, und deshalb geht allein für das Proben schon einiges an Zeit drauf. Matthias musste dann irgendwann das Handtuch werfen, weil sich Studium und Privatleben nicht mehr mit dem Arbeitspensum der Band in Einklang bringen ließ. Was "Ashtrael" angeht, natürlich waren die rumänischen Texte nicht gerade einfach, aber wir haben uns mit alten Aufnahmen von Vlad und der Hilfe einer rumänischen Bekannten etwas auf die Sprünge helfen lassen.
RockTimes: Bleiben wir noch etwas beim Musikbusiness. Sathonys, Du hast Agathodaimon nun schon seit 1995 und damit zwar keinen Riesenerfolg, doch schon gewisse Verkaufszahlen, oder?
Außerdem schreibst Du für den Metal Hammer. Gehörst Du also zu den wenigen Glücklichen, die von ihrem Hobby Musik einigermaßen leben können oder musst Du noch zusätzlich arbeiten gehen?
Sathonys: Das mit dem 'Riesenerfolg' ist so eine Sache. Mitunter ist es für mich obskur, wenn man in Magazinen etwas liest wie 'Ja, die Band hat einen Bekanntheitsgrad von XY aber nie den großen Durchbruch geschafft' oder ähnliches. Es ging nie um den großen Durchbruch - die Musik zum Lebensunterhalt zu machen stand nie zur Debatte. Zum Einen ist das in Deutschland ein sehr unsicheres Standbein, und zum Anderen geht in meinen Augen auch die Leidenschaft für die Musik mit der Zeit verloren. Ich habe größten Respekt vor Bands, die ihre Musik als Broterwerb betreiben, aber allein der kommerzielle Druck, von den Umsätzen leben zu müssen, führt mitunter zu Kompromissen und Einschränkungen der künstlerischen Freiheit. Davon abgesehen wäre es eher illusorisch, in unserer Stilistik von der Musik leben zu wollen. Ich sehe die Musik eher als Ventil, als Vehikel, um Emotionen und Ideen auszuleben, es ist durchaus ein Lebensgefühl, und deshalb sollten die guten Dinge im Vordergrund stehen. Deswegen ist es vermutlich nicht weniger stressig, denn wir versuchen ja durchaus, professionell zu arbeiten, aber die Leidenschaft und eine gewisse künstlerische Freiheit dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben. Deswegen weiß ich nicht, ob ich mich lange Zeit als glücklich bezeichnen würde, wenn ich mit der Musik mein Geld verdiene. Mitunter gab es auch Angebote von anderen, professionellen Bands, bei denen ich hätte einsteigen können, die ich aber immer ablehnte.
Die Arbeit für Metal Hammer betreibe ich nur als Freelancer nebenbei, hier gilt das Gleiche; den Job in Vollzeit auszuführen würde auch viel von seiner Faszination nehmen.
Ich weiß nicht, ob das jemand nachvollziehen kann, aber als ich den Metal vor Jahren für mich entdeckte, war das einfach das Größte. Aber wenn man nach und nach hinter die Kulissen blickt und sieht, dass diese Welt und ihre 'Stars' auch nur Menschen sind und selten Glamour dahinter steckt, dann geht einem langsam ein Teil der Faszination verloren. Die Band darf für mich gerne 'nur' einen Gegenpol zum Alltag darstellen und nicht selbst zum Alltag werden.
RockTimes: Massacre schreibt als Stilbezeichnung Dark Metal - ein recht schwammiger Begriff, wirkt auf mich unsicher darüber was es sein soll. Seid Ihr damit zufrieden? Oder lieber Black Metal oder Gothic Metal?
Sathonys: Tja, wir haben uns diesen Begriff seit langem selbst gewählt. Ich finde, er trifft soweit recht gut - Rezensenten brauchen ja immer eine Schublade, um Bands gut abstempeln zu können. Allerdings trifft auf uns weder Black, Death, Thrash, Heavy noch Gothic Metal zu, vielmehr ist es eine Mixtur aus diversen Stilen plus Metal-untypischen Einflüssen. Dark Metal würde ich da beruhigt als Überbegriff für unseren Stil sehen. Natürlich ist er etwas schwammig, aber man bekommt ein Gefühl dafür, um was es sich handeln könnte, und umfasst einen breiten Rahmen. Aber noch lieber sehen wir es natürlich, wenn sich jemand die Mühe macht und in unsere Musik reinhört, anstatt zu versuchen, sich über diese ganzen blumigen Beschreibungen in Kritiken einen Eindruck zu bilden.
RockTimes: Black Metal oder Gothic Metal arbeiten ganz gerne mit Klischees. Habt Ihr Euch jemals damit verbunden gefühlt? Mit dem ganzen Bösen? Mir kam es immer so vor wie eine eher intellektuelle Variante (galt im stärkeren Maße für Nocte Obducta). Oder einfach nur stilvoller und anspruchsvoller?
Sathonys: Gothic Metal ist eigentlich nicht so sehr unser Ding, aber dadurch, dass wir bspw. Black Metal mit melodischen Elementen verbinden, landen wir oftmals in dieser Nische. Die Wurzeln der Band liegen allerdings klar im Black Metal, und damit fühle ich mich auch verbunden. Allerdings gibt es heutzutage nur wenige Bands, mit denen ich mich aus dieser Stilistik noch verbunden fühle, das war in den Anfangstagen anders. Irgendwann gingen die Debatten bzgl. True/Untrue los und die Extremität war plötzlich wichtiger als die Musik. Das war dann nicht mehr mein Ding. Und heutzutage ist ja eher Pagan/Folk-Metal angesagt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann. Zu fröhlich - Musik sollte für mein Empfinden tiefere Gefühle ansprechen, Schunkelrythmen und Bierhymnen finden sich schon genug im Schlager. Was Klischees angeht, damit haben wir hin und wieder gern gespielt, aber das Problem in der Szene ist meist, das alles bierernst genommen wird. Zu "Chapter III" hatten wir bspw. Fotos mit einer dicken Limousine, Zigarren, Jackie und ein paar Damen, und plötzlich wurden Stimmen laut, wir würden nun einen auf dicke Hose machen bzw. fragten uns Fans, ob wir wirklich soviel Kohle verdienen, dass wir uns einen solchen Lebensstil leisten könnten. Daraufhin musste ich dann oft lang und breit erklären, dass diese Bilder lediglich eine kleine Hommage an die großspurigen Fotos von Venom darstellen sollten. Wir hätten uns besser mit ein paar Äxten in den Wald gestellt, um derlei Diskussionen zu vermeiden.
Und ja, einen gewissen künstlerischen Anspruch haben wir natürlich auch, nicht unbedingt übertrieben intellektuell und mit gerümpfter Nase, aber ein wenig Stil sollte schon sein.
RockTimes: Das Cover ist wieder ein Motiv mit besonderer Atmosphäre, zeigt seltsame Wesenheiten zwischen Ruinen. Dies bringt mich zu einer Frage, die ich seit Eurem Debüt im Kopf habe (auch wenn das Engel-Bild aus einem Buch stammte): Dir Euch müsste doch der alte Teil des Mainzer Hauptfriedhofes gefallen. Als ich vor einigen Jahren auf der Suche nach dem Grab eines Klassenkameraden war, habe ich mich dorthin verlaufen und gestaunt über die besondere Ästhetik und die Tatsache, wie aus etwas Traurigem etwas so Schönes entstehen kann. Warst Du schon dort und hast es genauso empfunden?
Sathonys: Wir hatten den Mainzer Friedhof bereits als Kulisse für die Promofotos des zweiten Demos benutzt, natürlich kenne ich ihn schon lange. Gerade die alten Gruften sind etwas besonderes, aber im Vergleich zu manch italienischen Friedhöfen beinahe puritanisch. Allerdings bin ich wie gesagt kein Goth, ich kann mich zwar für eindrucksvolle Bauten begeistern, bin aber kein Friedhofsgänger. Das kommt zwangsweise noch früh und oft genug im Leben, das muss nicht schon jetzt sein.
RockTimes: Bleiben wir bei dem Thema Mainz. Erzähle doch mal etwas von der Mainzer Metal Szene, wie sie heute ist und früher war. Wie ist das Verhältnis zu anderen Bands, neben Nocte Obducta, die ja quasi als Nebenprojekt oder Schwesterband zu Agathodaimon angesehen werden.
Sathonys: Ehrlich gesagt war ich nie ein großer Kenner der lokalen Szene, ich hatte mich eher überregional engagiert, und die einzelnen Musiker von Agathodaimon kamen selten direkt aus Mainz. Mit Marcel war ich zu Demozeiten in Briefkontakt. Da er auch in Mainz wohnte, trafen wir uns nach einiger Zeit, wobei die Sprache auf seine Band kam, die zum damaligen Zeitpunkt wieder aktiv werden sollte. Da noch ein Bassist und Schlagzeuger fehlte, bot ich unseren Drummer Matthias und mich an, und Marcel half uns im Gegenzug bei den Keyboards für unser erstes Album und für einige Konzerte aus. Das waren dann aber auch die einzigen Querverbindungen, und natürlich war Nocte nie ein Nebenprojekt, sondern eine eigenständige Band, bei der Marcel der Kopf war. Das Verhältnis zwischen Nocte und uns war damals aufgrund der ständigen Bezeichnungen der Band als Nebenprojekt von Agathodaimon zeitweise etwas angespannt, hatte sich aber schnell beruhigt. Mit ex-Sänger Torstens neuer Band Agrypnie hatten wir in den letzten Tagen einige Gigs zusammen, und mit dem Nocte-Nachfolger Dinner On Uranus teilen wir uns mittlerweile den Proberaum.
RockTimes: Viele Mainzer Bands, mit denen ich mich schon unterhalten habe, äußerten sich sehr negativ über das reaktionsarme Publikum und spielen dort nicht gerne. Auch Agathodaimon schienen immer einen Bogen darum zu machen, daher war ich verwundert - leider erst hinterher - Ihr hättet am 20.03.09 im dortigen Kulturcafe gespielt. Wie sind Eure Erfahrungen in Mainz?
Sathonys: Nun, wir haben auch eher einen Bogen um Mainz gezogen, was aber auch an der schlechten Möglichkeit lag, dort Gigs zu bekommen. Im Kulturcafé haben wir auch eher auf Drängen unseres Gitarristen Jan gespielt, denn derlei Gigs machen meist keinen wirklichen Spaß - keine Lichtanlage, keine ordentliche Haustechnik, eine zehn Zentimeter hohe 'Bühne', defekte Monitore... das sind nicht wirklich die Rahmenbedingungen für ein tolles Konzert. Eine wirkliche Metal-Szene existiert in Mainz für meine Begriffe auch nicht wirklich, und obwohl ich mich der Stadt als solcher durchaus verbunden fühle, werden Bands kaum unterstützt. Die Proberaumsituation ist übel, und in Locations wie dem Haus der Jugend, das prinzipiell ein guter Ort für Konzerte ist, antwortet man auf Anfragen nach Konzerten eher zurückhaltend, gelinde gesagt. Seit dem Clash Of The Titans mit Slayer und Megadeth, welches 1990 in Mainz stattfand und bei dem Tausende Fans die Innenstadt leicht verwüstet und zugemüllt zurück ließen, ist Metal hier nicht mehr wirklich gern gesehen. Schade, immerhin spielten früher Bands wie Venom, Metallica oder Manowar hier.
RockTimes: Ein kleiner Scherz: wen beschützt eigentlich Agathe?
Nun mal ernsthafter: 'Agathos Daimon' oder auch 'Agathodaimon' (Άγαθοδαίµον) kommt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa 'guter Geist' oder 'Schutzgeist'. Der Begriff 'Daimon' ist im Gegensatz zum deutschen 'Dämon' nicht negativ besetzt. Wie kam es zu dem Bandnamen und welche Bedeutung seht Ihr darin?
Sathonys: Nun, der Begriff 'Daimon' stammt aus einer Zeit, als selbst Homer die Götter noch als 'Daimones', eben als Dämonen bezeichnete. Die Trennung zwischen Gut und Böse fand damals nicht so drastisch statt, wie wir dies mit unserem polarisierten Denkmuster heutzutage tun. Den Schutzengel kann man auf unser Covermotiv auf "Blacken The Angel" beziehen, der Fotograf Gerald Axelrod, welcher die ersten drei Covermotive für unsere Alben beisteuerte, ist bspw. begeisterter Angelologe. Allerdings beziehen wir den Namen eher auf das sogenannte Rätsel des 'Agathodaimon', von dem man sagt, dass derjenige in die göttliche Weisheit eingeweiht wird, dem es gelingt, dieses zu lösen. Das Zahlenrätsel ist allerdings in altgriechisch verfasst, weshalb es heutzutage nicht mehr eindeutig sicher ist, wie es korrekt übersetzt bzw. interpretiert werden kann. Insofern ist eine Lösung nicht mehr möglich, genauso wie es nicht möglich ist, einen perfekten Song zu schreiben. Aber man kann danach streben- den Namen sehen wir somit als Symbol, unser Bestmögliches zu geben und eine konstante Weiterentwicklung im Auge zu haben.
RockTimes: Mit dem Wunsch, der wiedergeborene Phoenix möge zukünftig gut beschützt werden und strahlend aufsteigen möchte ich Dich nun entlassen und mich im Namen von RockTimes bedanken für die Zeit, die Du Dir genommen hast.
Wir danken Tom von Massacre Records, der uns das Gespräch mit Sathonys ermöglicht hat.
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