The Airborne Toxic Event / Such Hot Blood
Such Hot Blood Spielzeit: 51:47
Medium: CD
Label: Membran/Sony, 2013
Stil: Indie Rock

Review vom 04.10.2013


Boris Theobald
Eine wie alle anderen? Dazu ein klares Jein. Mit klarer Tendenz zum Nein. The Airborne Toxic Event machen Indie Rock, pendeln dabei manchmal Richtung Pop. UK-Bands wie Coldplay und US-Bands wie The Fray kommen einem in den Sinn. Die Kalifornier ergießen sich auf ihrem dritten Album "Such Hot Blood" stilistisch - grob gesagt - in ein riesengroßes Sammelbecken 'angesagter' Acts, die in der Jetztzeit im Popradio unter 'Rock' geführt werden. Aber sie lösen sich darin nicht auf und bleiben klar erkennbar. Das hat verschiedene Gründe. Der wichtigste heißt Mikel Jollett und ist Sänger und Songschreiber der Band. Als Verehrer von The Cure und den Smiths verwundert es nicht, dass er vielen seiner Songs - Ausnahmen bestätigen die Regel - einen britischen Sound verpasst hat.
"This Is London" ist eben mehr als nur ein Songtitel - eine pulsierende Halbballade, die ganz gut ausdrückt, was es bei The Airborne Toxic Event zu hören und zu fühlen gibt. Es startet ruhig und wird im Chorus schlagartig intensiver. Und immer schwingt eine gewissen Melancholie mit - nicht niederschmetternd... es ist eher eine interessante Mischung aus Introvertiertheit und Intensität, aus Zerbrechlichkeit und Expressivität. Mit seinem emotional aufgeladenen Gesang transportiert Jollett diese Gegensätze prima - eine starke Stimme, die sich selbst in kraftstrotzenden Momenten einen Hauch von Fragilität bewahrt. Wenn Jollett Power gibt, klingt er leicht angeraut, kontrolliert heiser ... berührend.
"Dublin" gibt es auch auf "Such Hot Blood" - und tatsächlich haben The Airborne Toxic Event auch was von U2, zum Beispiel in Sachen Gitarrenarbeit. Aber ausgerechnet hier nicht: "Dublin" ist eine ganz verträumte, hauchzarte, wunderschöne Nummer. Beinahe ein Gesangssolo, aber ganz sparsam wird Mikel Jollett dann doch unterstützt. Die reduzierte Instrumentierung gewinnt und verliert wellenförmig an Intensität, als ob etwas näher kommen, aber sich immer wieder entfernen würde. Es gibt viele solcher einfühlsamer Details auf diesem Album, immer wieder unterstützt durch ein weiteres Erkennungsmerkmal der Band: die Bratsche Anna Bulbrooks.
Bulbrook taucht auch als Backgroundsängerin auf. Besonders gelungen sind aber die Momente, in denen sie gleichauf, parallel mit Mikel Jollett einige Passagen des Hauptgesangs übernimmt. Das macht "The Fifth Day" zu einem Gänsehauterlebnis. Es klingt so intim, während weit weg im Hintergrund eine surreal verzerrte, leicht schmierige Gitarre aus einer wehmütigen Lagerfeuerstimmung etwas atmosphärisch Großes zaubert. Die Nummer gewinnt Stück für Stück an Drive und Lautheit und endet nahezu symphonisch - eine absolute Ausnahme und ein Beweis für die Fähigkeit und Lust der Band, den Hörer zu überraschen. The Airborne Toxic Event scheren aus dem Konzert der Indie Rocker aus.
Überhaupt: Jolletts Songs sind nicht gleichförmig; man ist schon nach dem ersten, absolut angenehmen Hördurchgang in der Lage, die gerade vernommenen Eindrücke gut zu differenzieren und die Stücke gegeneinander abzugrenzen. "Bride & Groom" hat Folk, "True Love" hat Rock'n'Roll. "The Storm" und "Safe" ein einfühlsames, intuitives Crescendo, das einen beim Hören fast automatisch die Augen schließen lässt. Und "Timeless" hat den Suchtfaktor einer simplen, aber klasse unter die Haut gehenden, hypnotisierenden Hymne. Das ist stark: The Airborne Toxic Event machen genau aus jener Nummer, die am ehesten 'normal' und an so viele Mainstream-Acts angelehnt scheint, ein echtes Highlight.
Einzig der Opener "The Secret" ist mir etwas zu durchschnittlich und birgt die Gefahr, die Band zu rasch unter 'Ferner liefen' abzutun, obwohl sich hier schon vieles abzeichnet. Der starke Gesang, zum Beispiel. Oder auch diese mit viel Hall abgemischte Tremolo-Gitarre, die immer wieder auftaucht und eine sehr spezielle Atmosphäre stiftet. Auch "What's In A Name" fällt etwas ab; das mag aber auch Geschmacksache sein. Die Melodie des Songs wirkt mir etwas zu einfach, die Stimmung zu positiv. Das tut der guten Gesamtqualität der Platte aber kaum einen Abbruch. Da steckt viel Tiefgang drin. Vielleicht taucht die Band ja mal als Soundtrack in US-Serien wie "Grey's Anatomy" auf - das würde wunderbar passen und bestimmt für einen guten Schub sorgen ... falls sie den noch brauchen. Touren zusammen mit den Kings Of Leon haben sie beispielsweise schon in ihrer Vita.
Line-up:
Mikel Jollett (vocals, guitar, keyboard)
Steven Chen (guitar, keyboards)
Anna Bulbrook (viola, keyboards, tambourine, backing vocals)
Noah Harmon (bass, backing vocals)
Daren Taylor (drums)
Tracklist
01:The Secret (3:24)
02:Timeless (4:43)
03:What's In A Name? (3:51)
04:The Storm (4:02)
05:Safe (5:11)
06:Bride & Groom (3:56)
07:True Love (3:03)
08:This Is London (3:57)
09:The Fifth Day (6:14)
10:Elizabeth (3:29)
11:Dublin (4:49)
12:The Way Home (5:06)
Externe Links: