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Den meisten Musikfans dürfte Derek Archambault wohl eher als Frontmann der progressiven Hardcore-/Punkband Defeater bekannt sein, mit der er die letzten vier Jahre über die Bühnen getobt ist. Sein Soloprojekt Alcoa gibt es allerdings noch länger. Mit "Bone & Marrow" liegt nun auch das Debütalbum dieser Formation vor, das sich dann doch ganz erheblich vom Sound seiner anderen Band unterscheidet. In diesem Fall haben wir es nämlich mit einem lupenreinen Rockalbum zu tun, das um seine Liebe zu poppigen Melodien sowie Countryelementen ebenfalls keinen Hehl macht.
Aufgenommen wurde Mitte 2012 in insgesamt drei Studios in Dereks Heimat New Hampshire und außerdem in Massachussetts. Der Promozettel bringt als Einflüsse Leute wie Ryan Adams oder Rocky Votolato ins Spiel, was ich jetzt einfach mal so dahin gestellt lassen möchte. Archambaults Songwriting ist ganz sicher nicht von schlechten Eltern, selbst wenn die jeweiligen Refrains etwas zwingender hätten ausfallen dürfen. Textlich ist er auf der wohlbekannten und dennoch nie langweilig werdenden Leben-/Liebe-/Reue-Schiene unterwegs.
Speziell bei Songs der Marke "Cab Rides & Cigarettes" zeigt sich der Amerikaner sehr nachdenklich und gefühlvoll. Und wenn dann auch noch das feine Gitarrensolo von Steve Minerva hinzukommt, kann man schon mal einen richtigen Gewinner verbuchen. Als ich den Songtitel "Limbs" entdeckte, musste ich unwillkürlich an die Townes Van Zandt-Nummer "Lungs" denken, was beim musikalischen wie auch gesanglichen (und obendrauf textlichen) Vergleich jedoch nicht hinkommt. Vielmehr haben wir es mit einem eher straighten Rocksong zu tun, der aber trotzdem die Sensibilität des Protagonisten ans Tageslicht bringt.
Das ist schon gute Handwerkskost, die uns der Mann aus dem Nordosten der USA hier anbietet. Aber sie ist auch launig, frisst sich nicht bereits nach ein paar wenigen Durchläufen ins Langzeitgedächtnis, sondern will vielmehr erst erobert werden. Sicher gibt es richtig starke Momente (wie etwa Cal Joss subtile Pedal Steel bei "Second Untitled"), die sich sofort bemerkbar machen, aber die meisten Tracks bleiben erstmal nicht wirklich hängen. Ganz sicher also kein Album, bei dem auf Radioeinsätze geschielt wurde, sondern ein sehr persönliches.
Bedeutungsschwanger eröffnet die Akustikgitarre "Whiskey & Wine", was im Anschluss dann auch zu einer (eigenen?) Geschichte aus dem wirklichen Leben führt, die man - falls noch nicht selbst erlebt - garantiert auf einen Freund oder Bekannten projezieren kann, dem es ebenfalls schon mal so ergangen ist. Ich will nicht zu viel verraten, denn diese elf Tracks machen am allermeisten Spaß, wenn man sie für sich selbst entdecken kann. Und wenn man sich erstmal auf Alcoa eingelassen hat, ist man fast schon traurig, wenn nach "Third Untitled" plötzlich alles vorbei ist. Aber zum Glück gibt es ja die gute alte Repeat-Taste.
Falls man oberflächlich bzw. mit oberflächlichen Hörgewohnheiten an "Bone & Marrow" herangeht, wird man ganz sicher enttäuscht werden und die Scheibe spätestens nach dem zweiten Anhören zum Teufel jagen. Dieses Album ist aber im Umkehrschluss auch ein Paradebeispiel dafür, dass es sich zumeist auszahlt, intensiver einzusteigen, die Feinheiten unter die Lupe zu nehmen und anschließend immer mehr 'Aha-Erlebnisse' haben zu dürfen. Definitiv also für Leute, die sich getreu dem RockTimes-Motto »Nimm dir Zeit für gute Musik« noch wirklich mit ihren Silberlingen auseinandersetzen und diese erforschen wollen.
Line-up:
Derek Archambault (guitars, bass, banjo, percussion, lead vocals)
Alyssa Eygnor (vocals)
Aaron Neveu (drums, guitars, bass, Rhodes piano)
Steve Minerva (guitars)
Cal Joss (pedal steel)
Josh Craggy (upright bass)
Mike Moschetto (Hammond B3, Rhodes piano, percussion)
Tristan Law (banjo)
| Tracklist |
01:Keep Track/Lose Track
02:Drowned
03:I Don't Feel Welcome Here Or Anywhere
04:Cab Rides & Cigarettes
05:Limbs
06:Second Untitled
07:Rilke
08:Lucky Me
09:Family Tree
10:Whiskey & Wine
11:Third Untitled
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