The Alicka Problem / Best Music
Best Music Spielzeit: 28:31
Medium: CD
Label: Mes Music, 2013
Stil: Post Rock/Alternative

Review vom 13.01.2014


Boris Theobald
Problem?
Ein Problem als solches ist erst mal gar nichts Schlimmes - kann die Suche nach einer Lösung doch ungeahnte kreative Kräfte freisetzen. Im Falle von The Alicka Problem ist das 'Problem' schon ein recht grundlegendes: Was ist The Alicka Problem überhaupt für eine Band? Wir nennen es Post Rock und haben damit das Wichtigste und vielleicht auch einzige erledigt, was in Sachen Etikettierarbeit zu tun ist - wir haben geklärt, was The Alicka Problem nicht ist: Rock. Ganz normaler Rock; auf keinen Fall.
Wegen der Bandbesetzung? Dass ein Bruder und eine Schwester namensgebend sind? Joni (Gitarre und Gesang) und Julia Alicka (Gesang und Bass), die die Band 2013 gegründet haben und mit Drummer Daniel Mudrack das aktuelle Line-up bilden? Dass die Mannheimer Familie aus Albanien stammt? Dass Julia zwar auf dem Cover, Joni dafür auf der Rückseite zu sehen ist, und beide einander Knarren an den Kopf halten? Dass es sich um einen Kaliber-.45-Colt 1911 und einen Dan Wesson Magnum-Revolver handelt?
Nein, eigentlich nicht. Das Hörbare macht "Best Music", die zweite EP der Band nach "XOR" (2012), ungewöhnlich genug. Sie klingt so, wie eine vorbeiziehende Landschaft durch ein Autofenster aussieht, wenn Winter ist, aber kein Schnee liegt und die Sonne durch eine kleine, aber dicke Wolke verdeckt ist, aber rundherum doch noch ziemlich viel Helligkeit verströmt. Diese Musik ist nicht depressiv, aber auch nicht positiv. Sie ist etwas dazwischen, aber keins von beiden. Man operiert mit psychedelischen Konstrukten, die introvertiert anmuten, aber nicht leise bleiben. Eindeutig zuordnen lassen sich die Alickas schließlich nie.
"Strange Periods Of Our Life Should Last Forever" 'nähert' sich dem Hörer, wird nach und nach deutlicher vernehmbar - beinahe wie ein Objekt im Nebel, auf das man zugeht ... bloß nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren. Aus einem entfernten Gitarrentremolo über stoischem Drive schält sich irgendwann eine zarte Melodie heraus - bloß fünf verklärt-schöne Töne, immer wieder. Die klingen erst so zart, als ob es einzelne Regentropfen auf einer Glasscheibe wären. Nach und nach nehmen Druck und Schwere zu - das Schlagwerk wird lauter, und breit verzerrte Gitarren erzeugen ein diffuses Dickicht. Eine packende Nummer!
Auf "Southern Soldier" kommt Gesang hinzu. Im Hintergrund installiert man eine Art trostlose Räumlichkeit; es scheppert die Snare Drum mit einigem Echo. Und im Vordergrund haucht Joni Alicka nachdenklich bis teilnahmslos vor sich hin. Auch dieser Track steigert seinen Puls - wortlose Backing-Vocals von Schwester Julia machen aus einem intimen und fragilen ein atmosphärisches und kraftvolles Stück. Auch die Lautstärke steigt merklich an - allerdings so organisch und ungekünstelt, dass man gar nicht groß darüber nachdenkt. Gefühlswallungen in Musik packen, das können die Alickas.
Mit den geräuschintensiven Klangreibereien von "Arabiqum" und "Raised Our 16 Children" tun sie das rein instrumental, wobei letzterer Track atmosphärisch sehr gekonnt zu "Milk" überleitet, dem herausragenden Song des Albums. Er basiert im Wesentlichen auf einem melodischen Thema aus vier Tönen, variiert in einem Dreivierteltakt. Understatement. Und typisch: Sie wählen einfachste Mittel und lassen sich und den Hörer treiben - mal federleicht und mal mitreißend, mit Akustikdrives, mit harfenzarten Clean-Arpeggien, mit breit verzerrter E-Gitarre. Der introvertierte Gesang Julia Alickas löst den Song schließlich immer wieder dann, wenn die heavy Gitarren verstummen, geschickt von seiner Bodenhaftung.
Auch bei "Opium" überzeugt sie mit ihrem leicht verklärt wirkenden Gesang zu einem repetitiven orientalischen Thema. Die Landschaft durch das Autofenster wird zur Landschaft unter einem fliegenden Teppich. Es wird einem schon ein bisschen schummrig beim Hören. Auch "Opium" steigert sich freilich - heftige Geräuschinterferenzen sorgen für Anspannung, egal ob sie jetzt aus dem Computer stammen oder doch mit der Gitarre erzeugt sind, oder beides zusammen. "White" ist der hypnotische Ausklang von "Best Music", erneut mit Julias etwas beschwipstem und einfach schönem Gesang. Und es wären nicht The Alicka Problem, wenn sich nicht erneut eine markante, aber so schlichte Melodie zugleich ins Ohr einschleichen würde.
The Alicka Problem machen den Soundtrack für eine In-Between-Stimmung. "Best Music" schwingt auf einer ganz bestimmten emotionalen Frequenz. Wie eine Stimmgabel eine ganz bestimmte physikalische Frequenz braucht, um plötzlich mitzuschwingen. Die Stimmung muss stimmen. Allerdings ist Musik nicht rational berechenbar. Nicht auszuschließen also, dass The Alicka Problem auch im Stande ist, die Gemütslage selbst zu erzeugen, die es braucht. Ein wenig manipulative Macht ist "Best Music" zuzutrauen.
Kein Problem.
Line-up:
Julia Alicka (vocals, bass)
Joni Alicka (guitar, vocals)
Daniel Mudrack (drums)
Tracklist
01:Strange Periods Of Our Life Should Last Forever (5:26)
02:Southern Soldier (6:24)
03:Raised Our 16 Children (2:12)
04:Milk (4:28)
05:Arabiqum (2:06)
06:Opium (4:10)
07:White (3:42)
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