Amfibian / Skip The Goodbyes
Skip The Goodbyes Spielzeit: 57:48
Medium: CD
Label: Relix, 2007
Stil: (Retro–)Rock

Review vom 16.02.2009


Manni Hüther
Genre: Jam Band. So steht's auf dem Waschzettel, unzweideutig. Wer in Erwartung auf typische, lange Jams den Player in Gang setzt, wird nach der knappen Stunde Spielzeit der CD verdutzt nochmal ein Auge auf die mitgelieferte Info des Vertriebs werfen. Jam Band? Mag ja sein, aber diese CD hat zuerst nicht so viel damit zu tun, da alle Songs eher kurz sind.
Auf den zweiten Blick und weiteren Hördurchgängen sieht es schon ganz anders aus: Hervorgegangen aus Phish – anerkanntermaßen eine Jam Band par excellence, was einen die Klassifizierung dann wenigstens nachvollziehen lässt – ist diese Platte eher die Blaupause für lange Jams auf den Bühnen der Welt.
Analog den beiden 1970ern Grateful Dead-Meisterwerken "Working Man's Dead" und "American Beauty" wurden hier SONGS eingespielt, die sich in Länge und Arrangement live sicher beliebig variieren lassen. Und wer die Dead nicht kennt und nur die beiden angesprochenen Platten hört, würde niemals verstehen, warum man diese Kultformation als DIE Jam Band schlechthin bezeichnet.
Diese Amfibian-Platte steht mit einem Fuß vehement in den späten Sixties bzw. frühen Seventies und versucht ziemlich erfolgreich, diese Gefühlswelt mit modernen Sounds – namentlich Gitarrensounds – zu verschmelzen. Das Werk startet mit "Sheep" erstmal betont beatlesque und macht dabei eine hervorragende Figur. Wie ein Song des 1968er "White Album", aufgepeppt für das neue Jahrtausend.
Geschmackvolle Gitarrenlicks und Soli auf dem folgenden "Bystander" machen Laune und sind auf der CD fast durchgängig zu hören. "See You In Sydney" läßt den Hörer erleben, wie man einen eigentlich kurzen Song mit nicht einmal fünf Minuten Spielzeit so arrangieren kann, dass es nach kurzem Einspielen mit satten Gitarren dahinfließt. Klasse gemacht!
Über all den schönen Klängen dieser Platte schwebt bei einigen Tracks noch ein ganz anderer Geist, wie durch Zauber eingeflochten: Die akustischen Vibes der ersten LP-Seite (minus "One Of These Days") des 1971er Pink Floyd-Klassikers "Meddle" wetterleuchten doch öfter mal heftig durch das akustische Geschehen hindurch.
"Teresa" klingt dann ziemlich seelenverwandt zu "Seamus" – dem Floyd-Song über
Steve Marriotts Hund, dessen Gebell nicht nur auf "Meddle", sondern natürlich auch bei den Small Faces ("The Universal") zu hören ist – tonal mehr als nur daran angelehnt.
Edit: Ich meine den Song, nicht Seamus' Gebell (das war ja immer recht statisch)
Amfibian haben sicher ihre Lektionen der zeitlichen Koordinaten zwischen 1968 und 1971 gelernt und retten diese alte Musik in die Jetzt-Zeit. Dafür muss man regelrecht dankbar sein. Auch "Lonely And Low" bekundet seine ausgeprägte Empathie mit den 'good ol' days'.
"Pieces" kann Anleihen an die "Lightbulb Sun"-Phase von Porcupine Tree kaum verleugnen. Selbst die Intonation ist der des Steven Wilson unheimlich ähnlich. Und auf wen bezieht sich dieser ja auch? Eben, siehe oben.
Auf den beiden letzten Tracks vernimmt man noch einmal das Aufflackern kurzer Jams, in "Nothing New" mit richtig funky Guitar und eingebundener Brass-Section, sie sind jedoch nicht unbedingt stellvertretend für das Album. Obwohl hier die Keyboards etwas zu bemüht klingen, machen beide Songs dennoch richtig Spaß.
In vielen amerikanischen Medien wird auf die intelligenten Texte verwiesen, aber ehrlich gesagt hab ich mich damit wenig beschäftigt. Obwohl ich der Sprache durchaus mächtig bin, ist dies auf dieser Platte für mich eher nebensächlich. Dazu ist sie zu vielschichtig und gleichzeitig der Gesang nicht weit genug in den Vordergrund gemischt. Und sicher ist auch, dass man hier nicht die besten Vocals seit langer Zeit vernimmt, die gesanglichen Leistungen springen nicht so aus dem Album heraus, dass man deswegen aufhorchen würde.
Diese Platte ist zwar 'retro-as-it-can-be', jedoch mit zeitgemäßen und wirklich gut passenden Stromgitarren, die perfekt darübergelegt sind – nicht selten auch mal kurz in guter Jam-Manier. Das Konzept der Band ist in sich stimmig.
Die Produktion ist definitiv auf der Höhe der Zeit hinsichtlich der Balance des Mixes. Hier wurde bewusst und zum Glück darauf verzichtet, das Werk mit irgendeiner Muffigkeit in der Vergangenheit zu verankern. Im Gegenteil, die CD ist klanglich neutral, warm und doch durchsichtig, damit exzellentes Futter für gute Stereoanlangen.
Der Weisheit letzter Schluss ist dieses Album jedoch nicht, dazu ist vieles zu zweideutig. Ein Statement, an dem man nicht vorbei käme, auch nicht. Aber zweifellos eine gute – in manchen Momenten sehr gute – ansprechende Rock-Platte für Fans von modern gestalteten Retro-Sounds. Dass dies kein Widerspruch sein muss, ist jedem Hörer schnell klar. Insgesamt eindeutig Daumen nach oben! Kennenlernen lohnt sich auf alle Fälle, auf der MySpace-Präsenz der Band kann man sich einen ersten Eindruck verschaffen.
Tracklist
01:Sheep
02:Bystander
03:Skip The Goodbyes
04:See You In Sydney
05:Pieces
06:High Watermark
07:Teresa
08:Skipping Stones
09:Memories Of Your Smile
10:Graffity
11:Lonely And Low
12:Thunderclap
13:Nothing New
Externe Links: