Ancestors / In Dreams And Time
In Dreams And Time Spielzeit: 66:11
Medium: CD
Label: Tee Pee Records, 2012
Stil: Psychedelic Rock

Review vom 24.08.2012


Jochen v. Arnim
»Invisible White ist eine EP mit Licht und Schatten. Dennoch darf man auf ein neues Album gespannt sein.« Mit diesem Fazit schloss vor rund einem Jahr der geschätzte Kollege Joe sein Review zur damals erschienenen EP der fünf Jungs aus Los Angeles. Und wie das Leben so spielt, die Kalifornier haben ihre Zeit nicht mit Müßiggang vergeudet und artig ihren nächsten Silberling eingespielt. "In Dreams And Time" heißt das Erzeugnis und bringt uns auf mehr als einer Stunde Spielzeit ganze sechs Songs. Da braucht es keinen Einstein, um den Rückschluss ziehen zu können, dass hier ein paar längere Tracks auf uns warten - ganz wie zu Zeiten, als auf so manch schwarzer Langrille dieses Genres gerade mal zwei oder drei Stücke enthalten waren. Ein Blick auf die Trackliste bestätigt diese Annahme auch prompt: Irgendwo zwischen sechs und knapp zwanzig Minuten darf der Hörer den einzelnen Songs lauschen. Und wenn man sich ihre bisherigen Veröffentlichungen so anschaut, dann kann man eine starke Tendenz zur stetig weniger werdenden Anzahl der pro Scheibe enthaltenen Stücke vermerken. Das klingt jetzt ganz so, als hätte eine abgespacete Jamband irgendein Konzert auf Platte gebrannt, bei dem sie sich in unendlichen Längen ihrer Gitarrenimprovisationen verliert.
Gleich vorweg (oder besser hinterher), das Quintett ist sehr wohl auch eine Jamband und hat sich in den Jahren des Bestehens durchaus auch deswegen einen Namen gemacht, weil die Länge der Songs auf der Bühne das hier vorliegende Maß gerne auch mal um einige Minuten erweitert wird. Dennoch ist es kein mitgeschnittenes langatmiges Konzert, das wir hier zu hören bekommen. Im Gegenteil, die runde Stunde des ersten Durchlaufs ist so schnell vorbeigegangen, dass ich fast dachte, ich sei um ein oder zwei Songs betrogen worden. Auch die weiteren Umdrehungen lassen mich nicht in eine gelangweilte oder entnervte Gemütsverfassung abgleiten. Im Großen und Ganzen natürlich tempomäßig eher verhalten angelegt, bieten die Songs von Aufbau und Dramaturgie her betrachtet trotz des Jam-Charakters eine interessante und gut durchdachte Anlage. Ab und zu zieht die Geschwindigkeit mal ein paar Stufen an, die Spannungsbögen werden straffer, nur um dann in erneut reduziertem Tempo wieder den Anschluss an die anfänglichen Passagen zu finden.
Mit "In Dreams And Time" verabreichen uns die Ancestors eine Scheibe, die für das subjektive Hörempfinden - und ohne den weiteren Musikern Unrecht tun zu wollen - im instrumentalen Bereich aus einem ständigen Wettstreit zwischen Gitarren und Tasteninstrumenten besteht. So ist zum Beispiel beim zweiten Titel "The Last Return" das Schlagzeug auf ein absolutes Minimaß reduziert, während sich davor schon der Opener mit einem Riffing vorstellt, das ganz schön heavy ist und im Wechsel mit den Keyboards quasi das Gleisbett für die nachfolgenden Tracks [sic!] vorbereitet. Außer einer leider nicht näher genannten Gastvokalistin bei "The Last Return" wird alles von Maranga und seinen Kumpanen gesungen.
Meine speziellen Lieblinge und somit natürlich auch gleichzeitig die Anspieltipps sind Nummer drei und Nummer sechs, "Corryvreckan" und "First Light". Erstgenannter Song macht genau das, was gute Musik beim Hörer erreichen soll: Sie weckt Assoziationen. Für mich speziell solche, die mit einem Segeltörn zu, um und durch die Inneren und Äußeren Hebriden in Verbindung stehen. Der Gulf of Corryvreckan liegt zwischen den schottischen Inseln Jura und Scarba und weist aufgrund natürlicher Besonderheiten gefährliche und im harmlosen Fall auch nur akustisch und optisch bedrohliche Strömungsverhältnisse mit Strudeln und kurzen aber hohen Wellen auf. Die Ancestors vermögen es, diesem Song eine ebensolche Bedrohlichkeit und zugleich die mystische Aura alter gälischer Erzählungen zu verpassen - Daumen hoch. "First Light", mit seinen knapp zwanzig Minuten ist dagegen ein Beweis für die oben angesprochenen Hauptinstrumente, die Gitarren und die Keyboards, reduziertes Tempo und trotzdem wahrlich kein Einschlaftrack.
Als Referenzbands werden von der PR-Abteilung King Crimson, Neurosis oder auch mal
Pink Floyd genannt. Alles richtig, aber weit ab von irgendwelch stumpfsinniger Kopiererei. Die genremäßige Klassifizierung wird als Psychedelic Rock angegeben, was natürlich alles andere als falsch ist. Trotzdem möchte man der Band auch noch weitere Attribute zuschreiben, da proggt und doomt es zwischenzeitig mal ganz gewaltig und dieser in sich stimmige 'Stilmix' macht die Platte durchaus zu einem hörenswerten Erlebnis, das beweist, dass das Quintett seine Zeit seit der letzten EP in der Tat nicht vertan hat. Keine leichte, aber dafür gute Kost.
Line-up:
Justin Maranga (vocals, guitar)
Nick Long (bass, vocals)
Jason Watkins (organ, piano, vocals)
Matt Barks (Moog & modular synthesizers, guitar, vocals)
Daniel Pouliot (drums)
Tracklist
01:Whispers
02:The Last Return
03:Corryvreckan
04:On The Wind
05:Running In Circles
06:First Light
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