Domini Luytens / Kirsty Hislop
70er Style & Design: Mode, Musik, Architektur, Kunst und Design
70er Style & Design 224 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
Format 23,6 x 30 cm
Medium: Buch
Erschienen im Edel Verlag, 2010
1. Auflage
ISBN 978-3-941378-27-7, € 39,95 / sfr 64,90

Review vom 06.04.2010


Steve Braun
Kapitel:
01:Einführung
02:Vom Pop zur Postmoderne
03:Rückgriff auf die Belle Époche
04:Zurück zur Natur
05:Avantgarde
06:Anhang
Nein, die 70er Jahre erscheinen in der Retrospektive alles andere als eine Dekade des guten Geschmacks gewesen zu sein. Trotzdem bekommen die Menschen, die in dieser Phase ihres Lebens sozialisiert worden sind, immer leuchtende Augen wenn die Sprache auf die 'goldenen 70er' kommt. Was haben wir zu diesem Zeitpunkt Halbwüchsige über die damals 'Uralten' gelästert, die uns mit der Aussage »Früher war alles besser« auf die Nerven gingen. Sind wir, die heute 'Uralten', etwa anders? Werden wir ob unserer Geiselhaft in der Vergangenheit nicht ähnlich belächelt?
Ich glaube, um diesen Mythos zu begreifen, muss man diese Zeit bewusst erlebt haben. Da kann ein Buch, wie das hier zu besprechende, allenfalls an der Oberfläche kratzen. Man muss den Spruch: »Dich hätte man zu Adolfs Zeiten noch vergast, Du Gammler!«, an sich persönlich gerichtet, einfach einmal gehört haben, um zu verstehen. Man muss die Atmosphäre eines Nierentisch-verseuchten Wohnzimmers mit der Muttermilch aufgesogen haben, um die glänzenden Augen in der Rückbesinnung begreifen zu können.
Die 68er traten gerade ihren langen Gang durch die Institutionen an, die ihre Vertreter später sogar in höchsten Staatsämtern positionieren sollten. Die Zeiten elitärer Stammtisch-Zirkel waren vorbei - 'Putztruppe' und 'Action' waren angesagt. Wir waren jung, bar jeglicher Lebenserfahrung und leicht zu blenden.
Hier setzt meine Kritik an dem Buch an, das die gesellschaftspolitischen Hintergründe nur bruchstück- und phrasenhaft anzureißen versucht. Es ist somit garantiert kein - und das will es auch gar nicht sein - Fachbuch für den Studenten der Politikwissenschaften und outet sich paradoxerweise als ein Machwerk des neuen Jahrtausends: Starke Bilder, lockere Herangehensweise, wenig Substanz. Einfach und schnell konsumierbar, außen hui und innen... naja, literarischer Fast-Food eben. Auch das wäre in den 70ern noch undenkbar gewesen. Einfach, schnell und leicht ging damals eben kaum etwas...
Aber kommen wir zum Inhalt: Den größten Umfang nehmen die Beschreibungen der damaligen Mode und des Designs ein. Ausgehend vom farbenfrohen, fast barock-üppigen Design von Alan Aldridge oder Elio Fiorucci, wurzelnd in der Hippie-Kultur der späten 60er Jahre, über die stilistischen Anlehnungen an die (gleichfalls sehr wilden) 20er-Jahre mit ihrem Art Déco, bis hin zu den 'Zurück zur Natur'-Bestrebungen, die letztlich in der Gründung der 'Grünen' zum Ausklang der Dekade mündeten. Auch die zeitgenössische Architektur, Literatur und Film nehmen einigen Raum ein, während die Musik jener Tage enttäuschend lax abgehandelt wird. Für die Autoren reicht es völlig aus, sich auf Punk und New Wave zu begrenzen und sparen damit die gesamte erste Hälfte der 70er Jahre aus. Somit wird das Buch für den Musikfreund zu einer eher dünnen und unerfreulichen Angelegenheit. Womit wir es auch belassen sollten ...
Fazit: Ein bildgewaltiges Werk liegt hier vor und darin liegt auch die Stärke des Inhalts. Der Leser mag munter blättern und sich unterhalten lassen, wie es dem Zeitgeist der 2000er Jahre gemäß ist. Danach dürfte nicht mehr als weitere 2,5 cm im Bücherregal übrig bleiben. Für Design-Freaks mag einiges geboten werden - der Musikfreund legt das Buch eher enttäuscht zur Seite.
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