Übersetzung: Madeleine Lampe, Thorsten Wortmann 247 Seiten mit Schwarz-Weiß-Abbildungen Maße: 13,5 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch Medium: Buch Erschienen im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 2010 ISBN: 978-3-89602-579-1, 14,95 € Review vom 13.12.2010 Ilka Heiser

Nicht nur Dichter haben ihre Musen, auch Rock-/Popstars widmeten (bzw. widmen auch heute noch) ihrer Angebeteten den einen oder anderen Song, um ihr so ein mehr oder weniger würdiges 'Denkmal' zu setzen.
Nur, wer sind die Schönheiten überhaupt, für die die Zeilen geschrieben wurden und noch interessanter - was machen sie eigentlich heute? Vielleicht hat sich der eine oder andere Fan diese Frage schon mal gestellt?
Und natürlich bleibt es auch nicht aus, dass so mancher Name, der in den Musikstücken auftaucht, immer mal wieder Anlass für die wildesten Spekulationen gibt. Wer kennt zum Beispiel nicht den Stones-Hit "Angie"? Sofort ist sich doch jeder Musikinteressierte sicher, die wahren Hintergründe zu dessen Entstehungsgeschichte zu kennen: Angela Bowie, der ersten Frau von David Bowie wird eine Dreiecks-Beziehung mit Jagger und ihrem damaligen Ehemann nachgesagt.

Sind die Gründe für die Entstehung der Songs wirklich so spektakulär, wie wir immer vermuten? Handelt es sich tatsächlich um unerfüllte Liebe, um eine nicht verarbeitete Trennung, das unrühmliche Ende einer Beziehung, Eifersucht, Abrechnung mit der ehemaligen Geliebten usw.?

Michael Heatley, renommierter britischer Musikhistoriker, hat sich des Themas angenommen und es sich in seinem neuesten Buch "Das Mädchen aus dem Song" zur Aufgabe gemacht, mit dem einen oder anderen Mythos aufzuräumen. Jahrelang hat er sorgfältig recherchiert und sich dafür 50 Song-Klassiker vorgeknöpft, quer durch die Pop-Geschichte, die meisten davon haben schon viele Jahre auf dem Buckel. Und dabei erfahren wir, dass tatsächlich nicht immer eine real existierende Schönheit die Inspirationsquelle für die Musiker war, wie z.B. "Lovely Rita" von den Beatles. Hier geht es um Politessen im Allgemeinen, über die McCartney ursprünglich seine Wut ablassen wollte. Am Ende ist es eher eine Art Liebeserklärung an die Knöllchenverteilerinnen geworden.
In "Fire And Rain" räumt James Taylor mit Gerüchten auf, dass dieses Stück von seiner Geliebten Suzanne Schnerr handeln soll, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.
Das Stück "Hey Negrita" von den Stones handelt auch nicht von Jaggers Es-Frau Bianca, wie man vermuten könnte, sondern es geht um einen »armen Südamerikaner, der versucht, eine Prostituierte im Preis zu drücken.«

Es gibt aber auch ganz andere Gründe, um sich etwas 'von der Seele zu schreiben': "Sweetest Thing" (U2) ist eine Entschuldigung Bonos an seine Ehefrau, deren Geburtstag er vergessen hatte.
Mit "Every Breath You Take" (The Police) versucht Sting die Trennung von seiner Frau nach sechs Jahren Ehe zu verarbeiten. Und Chris Martin, Sänger von Coldplay schrieb den Song "Moses" als Liebeserklärung an seine Zukünftige kurz vor der Hochzeit. Als ihr zweites Kind geboren wurde, bekam es den Namen Moses.

Wir erfahren aber auch, dass Lola ein Transvestit war, dass Paul Anka im zarten Alter von 15 Jahren eine gewisse Diana, ein Mädchen aus der Nachbarschaft anschmachtete, die jedoch überhaupt nicht interessiert an ihm war, oder dass Irene Wilde einen gewissen Ian Hunter an der Bushaltestelle verzaubert hat, und dass Rosanna Arquette zufällig im Studio anwesend war, als David Paich (Toto) einen passenden dreisilbigen Namen für seinen Song suchte, in dem es um drei Mädchen geht.

Es stehen jedoch nicht die Songwriter, sondern in erster Linie die Damen, um die es in den Liedern geht im Rampenlicht. Heatley beschreibt deren Rolle bzw. ihr Verhältnis zu den Musikern zu damaliger Zeit und lässt uns an ihrem heutigen, ofmals ganz bürgerlichen Leben teilhaben, was die Lektüre insgesamt noch interessanter macht.
Eine kleine Musiker- bzw. Bandbiografie sowie ein paar wunderschöne Schwarzweiß-Fotos runden ein kurzweiliges und sehr lesenswertes Buch insgesamt ab, das ich sicherlich noch öfter zur Hand nehmen werde.