John Peel und Sheila Ravenscroft
Memoiren des einflussreichsten DJs der Welt
Memoiren des einflussreichsten DJs der Welt Medium: Buch
Verlag: Rogner & Bernhard
bei Zweitausendeins, 2006
558 Seiten, 80 Abb., geb.
ISBN 3-8077-1021-3
24,90 Euro
Aus dem Englischen von Christoph Hahn
Mit einem Vorwort von Wolfgang Doebeling.


Review vom 04.02.2006


Norbert Neugebauer
Als sich der wohl berühmteste Rock-DJ der Welt, John Peel, (neben dem legendären Wolfman Jack, natürlich) 2004 endlich dazu durchgerungen hatte, seine Memoiren zu schreiben, starb er mitten in der Arbeit. Nach dem Schock beendete seine Witwe Sheila Ravenscroft zusammen mit ihren Kindern das Buch, nachdem sie seine Tagebücher und Aufzeichnungen durchgearbeitet hatten. Peel hatte selbst nie besonderes Aufhebens um seine Rolle gemacht, in der er auch als Trendscout, Band-Entdecker und -Förderer höchste Anerkennung genoss. Im Original heißt das Werk "Margrave Of The Marshes.", das dann erst vom deutschen Verlag seinen doch recht reißerischen Titel für die hiesige Ausgabe erhalten hat.
Peel, der als Radio-Moderator für den Piratensender Wonderful Radio London bekannt wurde und dann bei der BBC zum wohl größten Experten für Rockmusik avancierte, produzierte auch für andere Sender in vielen Ländern Programme und war damit u.a. bei Radio Eins in Deutschland zu hören.
Mit den Berichten über seine Kindheit und die Schulzeit in englischen Internaten, die von Zucht und Unterdrückung bis hin zu massiven sexuellen Übergriffen geprägt war, beginnt Peel. Er schildert dann seinen Werdegang in der Armee Ihrer Majestät, den Kontakt zur Musik der späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre und seinen anschließenden Aufenthalt in den USA (hauptsächlich Texas), mit allerlei bemerkenswerten und merkwürdigen Begegnungen. Als vermeintlicher Intimus der Beatles fand er dort Zugang zu den ersten kleinen Radio-Stationen und bekam eine eigene Sendung.
Obwohl er immer wieder Zeitsprünge einbaut, fehlen doch die eigentlich in größerem Umfang erwarteten Stories über Musikerbegegnungen, die wohl erst noch hätten geschrieben werden sollen. Die finden wir dann eher im zweiten Teil, den Sheila Ravenscorft aus eigener Erinnerung und aus dem schriftlichen Nachlass ihres Mannes niedergeschrieben hat.
Peel führte nach seiner Rückkehr nach England ein Leben für die Musik, tingelte ständig mit schlecht bezahlten Auftritten als DJ über's Land und moderierte seine wöchentlichen Sendungen bei BBC. Das Paar hatte in seinem Haus oft irgendwelche Künstler und Bands zu Gast. Zwischen bekannten Namen, etwa den Freunden Marc Bolan oder John Lennon/Yoko Ono finden sich viele Namen, die selbst Kennern der damaligen Szene in England wenig sagen dürften und die die Geduld der Gastgeberin oft sehr strapazierten. Ravenscroft geht auch auf die leicht skurrilen Wesenzüge des Gatten ein, der des öfteren fabulierte, wohl auch über die eigene Vita. Es bleiben danach so manche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichten, die uns Peel zuvor aufgetischt hat.
Aber das macht ihn eigentlich nur noch liebenswürdiger, zumal er sich mehr als Loser, denn als der große Zampano gibt und nie mit seinen Kontakten zu den Stars prahlt. Im Gegenteil, er stellt klar, wer die eigentlicher Macher, sprich die Musiker, sind und dass er nur eine Katalysatorenrolle spielte. Allerdings eine, die über Trends, Karrieren und Comebacks entschied.
Die 'Zweiseiten-Sicht' macht das Buch zusätzlich interessant, das sich trotz der unterschiedlichen Sprachstile flüssig liest. Peels Texte sind selbstironisch und witzig, Ravenscrofts Beitrag glorifiziert (nein, hier widerspreche ich diversen Kollegen, die sich bislang zu dem Buch geäußert haben) keineswegs den geliebten Gatten. Wer 'objektive Distanz' bemängelt, lebt sicher in einer emotionslosen Welt. Memoiren sind naturgemäß subjektiv, Biografien sind was anderes (vielleicht). Was sollen auch Spekulationen, wie das Buch allein mit Peels Schreibe geworden wäre? Vermutlich hätte er noch ein paar Jahre zum Verfassen gebraucht, wenn er erstmal zu den Zeiten seines erfolgreichen Moderatoren-Daseins gekommen wäre. Und dann hätten wir wohl einen Wälzer von 5.000 Seiten oder so vor uns.
Das Buch ist lesenswert, enthält zwar Informationen, aber kaum voyeuristische Details über die vielen Stars, denen das Paar sehr nahe kam. Zeichnungen von Peel und zahlreiche Fotos aus dem Privatarchiv ergänzen die Veröffentlichung. Das Vorwort von Wolfgang Doebeling (u.a. Redakteur beim deutschen Rolling Stone) über den berühmten Kollegen ist ein guter Einstieg.

Angesichts der Bedeutung, die dieser DJ und Radio-Moderator hatte, stellt sich mir die Frage:

Und bei uns?
Ich höre kaum mehr Radio und regelmäßig eigentlich nur noch "Heute im Stadion", Sa. 15:00 Uhr, BR1.
Externe Links: