»Punk's Not Dead« - so hieß es in den Achtzigern. »Punk's Now Dad« - so heißt in der 2011 produzierten Dokumentation "The Other F Word - fa-ther-hood" von Andrea Blaugrund Nevins. Das Label Arthaus, bekannt für gern etwas ungewöhnliche und hochwertige 'Programmkinofilme', hat ihn nun auf DVD, Blu-ray und als Video On Demand nach Deutschland gebracht.
Wenn Punkrocker Papa werden, dann wirft das eine ganze Reihe von Fragen auf:
»Wie erkläre ich einer Vierjährigen die Domina-Tattoos auf meinem Oberarm?«, »Ob das Stirntattoo wirklich eine gute Idee war?« aber auch die Rolle des eigenen Vaters (der bei den Befragten fast durchweg durch Abwesenheit oder übertriebene Autorität glänzte) sowie die Frage, wie weit man sich zum Teil des eigentlich abgelehnten Systems machen muss.
Denn der Gedanke, auch mit Kind weitermachen zu können wie zuvor, erweist sich als Illusion. Zugeständnisse – im Großen wie im Kleinen bleiben nicht aus: Früher aufstehen, um dem Kind das Frühstück zuzubereiten (und dann noch nicht mal am Brot abbeißen zu dürfen), im Auto die entschärften Versionen der eigenen Songs hören zu müssen, aber auch Geld für Sportklamotten, Musikstunden und Schuljahrbücher verdienen zu müssen. Das Tourleben verliert seinen Reiz, wenn Papa zuhause wichtige Termine wie ein Baseballspiel des Kindes oder den ersten Schultag verpasst.
Inspiriert wurde die Regisseurin zu diesem Film von Jim Lindberg (Pennywise), der sich in seinem Buch "Punk Rock Dad" damit auseinandersetzt, wie das Leben sich als Vater dreier Töchter mit dem des Frontmanns einer rebellischen Punkrockband verträgt. Im Film nimmt er relativ viel Raum ein und liefert auch das Hauptthema 'Auseinandersetzung mit der Vaterrolle', die gar nicht auf Punkrocker beschränkt bleiben muss. Welchen Stellenwert Väter ihren Kindern zugestehen, wie Erziehung ablaufen kann/soll/darf/muss und wie 'bürgerlich' ein Vater sein muss, ist auf 95 Minuten Laufzeit kurzweilig und unterhaltsam aufbereitet. Der Wechsel zwischen Interviews, Familienszenen und kurzen Ausschnitten aus Konzerten verleiht dem Film ein angemessen-flottes Tempo, ohne dabei aber hektisch oder unverständlich zu werden.
Muss ich überhaupt erwähnen, dass es dabei von skurrilen bis bizarren Szenen und Begebenheiten nur so wimmelt? Da führt Lars Frederiksen von Rancid vor, wie man ganz schnell einen Spielplatz für sich allein hat ( »du brauchst nur einen Punker und eine Kamera«), Fat Mike gibt den Modeberater für seine Tochter und empfiehlt ihr das rosa Shirt mit Herzen und Totenköpfen oder die jüngste Lindberg-Tochter erzählt in der Schule ganz aufgeregt, dass Papa sich heute ihren Namen auf den Arm tätowieren lässt.
Am Rand gestreift werden Entwicklungen des Musikbusiness, die verdeutlichen, dass den Konzerten mittlerweile eine viel größere Rolle als Einnahmequelle zukommt, als noch vor einigen Jahren.
Auch sensible Themen wie das totgeborene erste Kind von Tony Adolescent, der tödlich verunglückte Sohn von Duane Peters (U.S. Bombs) und der von Art Alexakis (Everclear) erlebte Kindesmissbrauch werden nicht ausgespart.
Dabei ist der Film aber über die komplette Laufzeit unterhaltsam, jedoch niemals platt aufgemacht, die Väter und ihre Kinder dürfen sich von einer sehr individuellen, menschlichen Seite zeigen.
Umfangreiches Bonusmaterial und eine liebevolle, witzige Aufmachung runden die DVD ab – einziger ganz kleiner Wermutstropfen sind die deutschen Untertitel, die teilweise ein wenig schwierig zu verfolgen sind, weil sie darstellungstechnisch bedingt auch manchmal am oberen Bildschirmrand eingeblendet werden.
Allerdings wäre es in meinen Augen eine Todsünde, diesen Film zu synchronisieren, da hierbei doch zu viel Authentizität verloren ginge – allein schon wie oft das andere F Word vorkommt...
Inhalt |
01:Film
Bonusmaterial:
02:"Father of Mine" – Acoustic Performance von Art Alexakis
03:"Swing Life Away" – Acoustic Performance von Tim McIlrath
04:Fragen und Antworten nach der Premiere
05:Interviews mit Dr. Drew und Mark Mothersbaugh
06:Trailer
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Externe Links:
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