Es gibt ja nach wie vor die weit verbreitete Meinung, dass Punk oder Punk Rock aus dem England der Mittsiebziger stammt. Was aber, wie das hier zu besprechende Buch detailliert belegt, mitnichten der Fall ist. Selbst der Begriff 'Punk' in Bezug auf Musik und Lebenseinstellung wurde von ein paar Jungs aus dem Mittleren Westen der USA aus der Taufe gehoben, die Mitte der Siebziger ein Magazin gleichen Namens gründeten.
Womit wir aber eigentlich schon mitten in diesem Buch angekommen wären. Begonnen wird dieses nämlich mit den tatsächlichen Ursprüngen, die Mitte der Sechziger Jahre entstanden und als Prototyp die Combo The Velvet Underground ans Tageslicht bzw. unter düstere Kneipenlichter brachte. Nur ein paar wenige Jahre später gesellten sich die MC5, The Stooges (mit Iggy Pop) und anschließend auch The New York Dolls dazu. Anfang der Siebziger hielt sich ein gewisser Malcolm McLaren in New York City auf und war auch kurzfristig Manager der Dolls. Die über dem Teich gesammelten Ideen brachte er mit zurück nach England und der Rest ist dann wohl Geschichte.
Die Szene in England wird auf diesem über fünfhundert Seiten starken Werk allerdings (mit den Sex Pistols und The Clash) bestenfalls gestreift. Vielmehr konzentrieren sich die Autoren auf den Nordosten der USA, auch auf den Mittleren Westen, aber hauptsächlich auf die Metropole dieser Musik. Und die war nun mal New York City. Logischerweise kommen hier alle und jeder zur Sprache, die Rang und Namen hab(tt)en, und das nicht zu knapp.
Durch den Aufbau des Buches, das durchgehend zu jedem Thema und Zeitabschnitt jeweils Zitate von Zeitzeugen bzw. Musikern, die damals direkt vor Ort waren, beinhaltet, ist es nicht nur hochinteressant, sondern auch wahnsinnig flüssig zu lesen. Außerdem wird - wie bei amerikanischen Büchern nicht unbedingt üblich - hier auch kein Blatt vor den Mund genommen. Wer also nicht nur an historisch wertvollen Informationen, sondern auch an Sex and Drugs and Rock'n'Roll in allen ihren Ausuferungen interessiert ist, der ist hier ebenso an der genau richtigen Stelle.
Sehr viel spannender ist allerdings, die Geschichte von vielen dieser Bands noch einmal - wenn auch oft sehr subjektiv - erzählt zu bekommen bzw. nachzuerleben. Aber vielleicht ist auch genau das die Stärke dieser Lektüre. Wenn drei verschiedene Zeitzeugen unabhängig voneinander über ein und dieselbe Begebenheit erzählen, dann weichen die jeweiligen Stories zwar durchaus auch voneinander ab, aber dennoch kann man sich selbst ein sehr gutes Bild über die ein oder andere - heute durchaus legendäre - Situation machen.
Selbstverständlich ist das Buch vollgepackt mit Geschichten über die großen Namen wie The Ramones, Iggy Pop, The Velvet Underground, Lou Reed, Johnny Thunders, Television, Patti Smith oder Willy DeVille, aber auch viele der heute eher vergessenen Truppen wie The Dead Boys, The Heartbreakers, Suicide, The Dictators oder Sonic Rendevouz Band werden ausführlich besprochen.
"Please Kill Me" kann ohne Wenn und Aber empfohlen werden. Dieses Buch ist nicht nur spannend und unterhaltsam, es ist ein regelrechter Leckerbissen (nicht nur) für Punk Rock-Fans. Vorausgesetzt, sie vertragen auch ein gutes Stück unschöner Wahrheiten über die von ihnen gemochten Musiker. Denn dass sich diese im wahren Leben nicht selten auch als richtige A... löcher entpuppten, dürfte in der Natur der Sache liegen. Auch der gewaltige Drogensumpf, der über (sicher nicht nur) dieser Szene lag, wird weder verschwiegen oder romantisiert, sondern vielmehr noch einmal knallhart und deutlich vor Augen geführt.
Dennoch bleibt es dabei: Ein ganz starkes Buch, unterhaltsam, hochinteressant (selbst für Leser, die sich mit diesem Musik-Stil noch nicht eingehend auseinandergesetzt haben), locker zu lesen, mit jeder Menge harter Fakten wie auch schmutziger Wäsche vollgepackt! Wer Musik mag und Bücher liest, wird an diesem Schmöker seine helle Freude haben!
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