Medium: Buch 478 Seiten, gebundene Ausgabe Zahlreiche, zum Teil farbige Abbildungen Größe: 28,4 x 24,6 x 2,8 cm Sprache: Deutsch Erschienen im Verlag H. Raueisen, 2011 2. Auflage ISBN-13: 978-3-87661-037-5 EUR 39,95 Review vom 30.03.2013 Steve Braun

Man schrieb das Jahr 1991, als Roland Helm und Norbert Küntzer erstmals die Geschichte des Saar-Rock in Buchform herausbrachten. Bereits am Jahresende nach der Veröffentlichung war das Buch nahezu komplett ausverkauft. In der Zwischenzeit wurde innerhalb des Hundert-Kilometer-Radius' des sogenannten Lyonerrings rund um die Landeshauptstadt Saarbrücken munter weitergerockt. Das schrie natürlich geradezu nach einer Fortschreibung dieser Geschichte. In der Tat waren entsprechende Rufe in den vergangenen Jahren nicht zu überhören gewesen. Vor zwei Jahren entschlossen sich Helm und Küntzer zu einem großen Wurf: Einer neu überarbeiteten Auflage mit der lange erwarteten Fortsetzung, beides in einem knapp 500 Seiten starken Wälzer zusammengefasst.
Um das Fazit bereits vorwegzunehmen: Das Ergebnis ist auch in qualitativer Hinsicht der ganz große Wurf!! Der Umfang der verschiedenen Texte ist derart exorbitant, dass ich hier nur schlaglichtartig einzelne Themen anreißen kann.

Aufgebaut ist "Saar Rock History Volume 1 & 2" aus mehrheitlich zwei- bis fünfseitigen Artikeln, in denen neben den beiden Hauptautoren auch zahlreiche (ehemalige) Mitglieder der beschriebenen Bands sowie Szenekenner zu Wort kommen. Umfangreich wird das Engagement der Landeshauptstadt bis in heutige Tage präsentiert und selbst für einen ehemaligen Saabrigger wie mich ist es schon erstaunlich, wie umfangreich dieses stets war. Leider wird die überaus erfolgreiche Bluesmatinee im Rahmen der Veranstaltungsreihe 'Und Sonntags ans Schloß' hier ausgespart (oder habe ich da etwas übersehen?). Die Bluesmusiker internationalen Ranges, die hier am Saarbrücker Schloss in den Sommermonaten 'umsonst und draußen' aufspielen, ziehen Besucher von weit außerhalb der Landesgrenzen an.
Ein kurzes, aber erinnerungsreiches 'Wiederlesen' gibt es mit der geilsten Saarbrücker Rockkneipe aller Zeiten, dem 'Route 66' in der Richard-Wagner-Straße. Die teilweise legendären Auftritte bekannter Rockbands im JuZ Försterstraße wecken ebenfalls zahlreiche schöne Erinnerungen. Auch das Woodstock-Feeling der teilweise genial besetzten St. Wendel Open Airs birgt elektrisierende Rückblenden: Wow, Rory Gallagher, John Mayall's Bluesbreakers und Unser Udo spielten hier, um jetzt nur mal ein paar der nationalen und internationalen Größen zu nennen.

"Saar Rock History Volume 1" präsentiert natürlich all die großen Namen, die das Saarland weit über die Region hinaus vertreten haben. Da dürfen natürlich die Blackbirds [bis in heutige Tage der Schrecken aller Stadtfeste ;-)] ebenso wenig fehlen, wie die großartige Völklinger Prog-Band Neuschwanstein. Auch Kultbands wie Dies Irae und die sensationellen R.S. Rindfleisch werden umfangreich vorgestellt. Bei den Letztgenannten trommelte übrigens ein gewisser Herman Rarebell mit, der heute als Herman the German wohl einer der bekanntesten Saarländer weltweit ist und dem in "Volume 2" eine eigene Story gewidmet wird.
Einen Punktabzug meinerseits handeln sich Helm/Küntzer allerdings ein, weil ihnen die legendären Krautrocker GÄA mit ihren bahnbrechenden Alben "Auf dem Weg zum Uranus" und "Alraunes Alptraum" nur einen winzigen Eintrag im abschließenden "Who's Who"-Register wert sind. Dafür gibt es eine ziemlich fette Farewell-Story, die eine fast vergessene Fusion-Band aus dem Schattendasein in der Musikhistorie befreit.

In "Saar Rock History Volume 2" widmen sich die beiden Autoren zunächst den Bands, die in "Volume 1" 'unterschlagen' worden waren. Beginnend mit den Ghost Riders (nee, diesmal KEINE Southern Rock-Band) über die Heartsbeats bis zu den 'Beckinger Beatles', den Scamps, wird noch einmal die Beat-Phase Revue passieren gelassen. Natürlich darf hier unser 'Daddy Cool', Frank Farian, nicht außen vor bleiben, obwohl die Story schon etwas deplatziert scheint. Cindy & Bert bleiben uns glücklicherweise erspart! Dafür führt allerdings an 'unserer' Eurovisions-Königin Nicole kein Weg vorbei. Patricia Kaas hat zwar eher am Rande mit 'Rock' zu tun und ist als Stiringer Mähde eine Lothringerin, muss aber hier als absoluter Weltstar mit berechtigtem Stolz aufgeführt werden. Wenn aber schon das angrenzende, 1918 eher willkürlich abgeschnittene 'Ausland' berücksichtigt wird, hätten die Zweibrücker Heroen Action unbedingt der "Saar Rock Historie" zugeschlagen werden müssen! Die zählen nämlich zu den größten der fast vergessenen Bands, die unsere Region hervorgebracht hat.
Dass das Saarland wirklich herausragende Drummer hervorgebracht hat, belegt die Manni von Bohr-Story. Nicht nur als Mitglied von Birth Control, sondern auch als Schlagzeug-Rezensent des Musikermagazins Fachblatt wurde er deutschlandweit bekannt. Derzeit ist er vorzugsweise mit Randy Hansen unterwegs.

Sehr lesenswert sind die Beiträge zu den Musikszenen der Trabanten von Saarbrücken: Völklingen mit den unvergessenen Nordlicht und Nuttin' Toulouse, Neunkirchen mit den überaus erfolgreichen Lancelot sowie die 'heimliche Hauptstadt' des Saarlandes, Saarlouis, an deren tolle Vertreter Captain Sperrmüll, Mammut oder Grabstein man sich nur zu gerne erinnert. Sogar im allgemein als verschnarcht geltenden Hochwald wurde gerockt wie die berüchtigte Wutz. Kaum zu glauben: Das deutsche Woodstock fand auf der Grimburg statt. Naja, im minimalistischen Maßstab, dafür aber mit so abgefahrenen Lokalbands wie Why Not und Mystic Vision Of Bullshit, die sich - das sei schmunzelnd am Rande bemerkt - kurzerhand umbenennen mussten, weil die Veranstalter sich weigerten, Geile Kacke auf die Plakate zu drucken.
Auch die junge Szene im Saarland, die Generation 'UnserDing', wird vorgestellt. So ein alter Zausel wie ich kann sich zwar nur schwer mit der rührigen Hip Hop- und Electro-Szene anfreunden, aber auch diese Themen gehören fraglos in eine "Saar Rock History".

Fazit: Ein Muss für alle Saarländer und all die Unglücklichen, die ein trauriges Dasein im Exil fristen müssen. Aber auch außerhalb des 'Lyonerrings' rund um die Landeshauptstadt dürfte "Saar Rock History Volume 1 & 2" ein vergnügliches Nachschlagewerk darstellen. Als Musikjournalist wünschte man sich allerdings ein Register für die Arbeit mit dem Buch - aber das soll nur eine Randnotiz wert sein.
Für Saarländer, aber auch für alle Bewohner des deutschsprachigen Auslands jenseits der Grenze des Saarlandes, hierzulande gerne scherzhaft 'Reichsdeutsche' genannt, eine sehr lohnens- und lesenswerte Investition!!