Als die Rolling Stones im Jahr 1972 in Kingston ihr Album "Goats Head Soup" aufnahmen, verliebte sich Keith Richards auf der Stelle in Jamaika, den dort sprichwörtlich in der Luft liegenden Groove, das Lebensgefühl und vor allem in die dort äußerst populäre Reggae-Musik. Und zwar so sehr, dass er sich umgehend ein Anwesen auf dieser Insel kaufte und in den folgenden Jahren viel Zeit dort verbrachte. Den stark vom Rhythmus geprägten Reggae gab es natürlich schon sehr viel länger, hatte aber den Sprung aufs amerikanische Festland, geschweige denn nach Europa noch nicht geschafft. Ein Zustand, der sich sehr bald ändern sollte.
Denn im gleichen Jahr drehte dort der Regisseur Perry Henzell den Film "The Harder They Come", der außer der Haupthandlung des eigentlichen Films noch ganz nebenbei eine dem Rest der Welt bis dahin weitestgehend unbekannte Kultur aufzeigte, die sich weit abseits der Idylle der Reiseprospekte befand. Vielmehr bekommt man einen sehr eindringlichen Einblick in das Leben der Menschen in den Slums der Hauptstadt Kingston, die von der Hand in den Mund leben und sich meist nur mit kriminellen Machenschaften vor dem Verhungern bewahren können.
Die Geschichte des Films, der sich auf eine wahre Geschichte in den Vierzigern bezieht, ist eigentlich rasch erzählt, wobei ich sie noch mal etwas grober zusammenfasse, denn die Spannung soll ja niemandem genommen werden. Also, Landei kommt in die Großstadt mit dem großen Traum, dort als Musiker berühmt zu werden. Direkt bei seiner Ankunft wird ihm sein ganzes (ohnehin schon weniges) Hab und Gut geklaut, seine dort lebende Mutter nimmt ihm sein letztes Bargeld ab, bevor sie ihn wieder fort schickt. Nach einem langen und steinigen Weg bekommt er schließlich die Chance eine Single aufzunehmen. Sehr schnell wird dem Protagonisten aber klar, dass er auch vom Label-Boss nach Strich und Faden beschissen wurde und er landet schließlich im Drogen-Geschäft, von dem er wenigstens so gut leben kann, dass er eine Bleibe findet und nicht mehr hungern muss.
Als er selbst von seinen neuen 'Freunden' wegen seiner unangenehmen Fragen sowie seines Gerechtigkeitssinns verraten wird und von der durch und durch korrupten Polizei verhaftet werden soll, kommt es zur Eskalation und er erschießt gleich mehrere Gesetzeshüter. In der Folge wird er nicht nur zum 'Staatsfeind Nr. 1' erklärt, sondern entwickelt sich auch zum Märtyrer und Volkshelden. Seine Platte stürmt nun die Hitparade und sein Traum vom Ruhm ist zur Wirklichkeit geworden. Ernest Hemingway hat einmal gesagt, dass alle guten Geschichten mit dem Tod enden. Und da es sich bei "The Harder They Come" ebenfalls um eine sehr gute Geschichte handelt ...
Die Reggae-Legende Jimmy Cliff glänzt in der Rolle des jungen Ivan Martin und brilliert schauspielerisch, indem er zwei sehr ausgeprägte Charakterzüge des Protagonisten - der eine sehr warm und liebevoll, der andere wütend und nahezu kaltblütig - ganz hervorragend darstellt. Aber auch alle anderen Akteure, bei denen es sich zumeist um Laien handelte, machen eine sehr gute Figur. Allen voran der Chef der Plattenfirma, der sehr überzeugend rüberkommt.
Tja, und dann ist da schließlich noch diese wunderbare Musik von u. a. Jimmy Cliff, Toots & The Maytals oder Desmond Dekker, von der ich hier nur mal meine drei Lieblingstitel "The Harder They Come", "Many Rivers To Cross" und "Pressure Drop" hervorheben möchte. Der musikalische Höhepunkt des Films ist, wenn man die Musiker und Jimmy Cliff im Plattenstudio (stilecht mit einem dicken Joint in der Hand) in einer langen Sequenz beim Aufnehmen des Tracks "The Harder They Come" zusehen kann. Im Text dieses Songs geht es dann auch um die Grundaussage des Films, bzw. der Antriebsfeder des Protagonisten: Kein Sklaven-ähnliches Leben mehr, das nur zur Bereicherung der wenigen Reichen dient, gleiche Rechte und Chancen für alle sowie die Kampfansage gegen Unterdrückung 'Je stärker sie es versuchen, desto erbärmlicher werden sie scheitern, einer nach dem anderen!!'
»… but the harder they come, the harder they'll fall … one and all …«
Was dieser DVD sehr zu Gute kommt, ist, dass der Film nicht synchronisiert wurde, da das gesprochene ... hmm ... jamaikanisch-englisch dem Streifen noch eine zusätzliche, besondere und authentische Note beschert. Deutsche Untertitel sind natürlich abrufbar, sodass die Storyline jederzeit verständlich ist.
"The Harder They Come" ist ein atmosphärisch sehr dichter Film, der schon seit vielen Jahren als Kult gilt. Und vor allem ist es einer, den man sich deutlich öfter als nur einmal anschauen kann. Denn dafür sorgt neben allen anderen großartigen und beeindruckenden Momenten alleine schon die Musik. Neben dem Hauptfilm gibt es noch eine zweite DVD mit zusätzlichen ca. 100 interessanten Minuten an Bonus-Material, das aus Dokumentationen, Interviews und einer Performance des Titel-Tracks (gebracht von einem ziemlich zugedröhnt wirkenden Jimmy Cliff) beim Montreux Jazz-Festival besteht.
"The Harder They Come" entwickelte sich 1973 zu einem Riesenerfolg und läutete den Siegeszug und die weltweite Anerkennung des Reggae ein, der Musiker wie Bob Marley, Peter Tosh und eben Jimmy Cliff (um nur die bekanntesten zu nennen) zu Superstars machte.
Rundum gelungen und sehr, sehr empfehlenswert!
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