Sex&Drugs&Rock'n'Roll - eine ebenso untrennbare wie oft unheilvolle Allianz:
† Jim Morrison 3.7.1971 (Herzstillstand vermutlich in Folge von Heroinüberdosis)
† Janis Joplin 4.10.1970 (Überdosis Heroin)
† Jimi Hendrix18.9.1970 (nach Alkohol und Tabletten am eigenen Erbrochenen erstickt)
† Brian Jones 3.7.1969, (Tod durch Ertrinken nach Alkohol- und Drogenmissbrauch)
† Kurt Cobain 5.4.1994 (Suizid unter Heroineinfluss)
† Bon Scott 19.2.1980 (Alkoholvergiftung)
† Rio Reiser 20.8.1996 (Leberversagen)
† Falco 6.2.1998 (Autounfall mit 1,5 Promille, Kokain und Marihuana)
† Elvis 16.8.1977 (Herzversagen nach Alkohol- und Drogenmissbrauch)
† Marilyn Monroe 5.8.1962 (Überdosis Schlafmittel)
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Kandidaten dafür gibt es reichlich. Die ersten Fünf dieser kurzen Auflistung werden dem 'Klub 27' zugerechnet, einer reichlich makaberen Bezeichnung der Musikmedien für die Musiker, die im 27. Lebensjahr verstorben sind - direkt oder indirekt an den Folgen von Alkohol und Drogen.
Doch die Drogentoten sind nur die Spitze des Eisberges.
Die ganze Palette der Betäubungsmittel dient als Thema und Inspiration für eine unermessliche Anzahl von Songs, ob nun so offensichtlich wie in "Cocaine", der J.J.Cale-Nummer oder "Heroin" von Velvet Underground oder mehr oder weniger getarnt wie die Stones in "Brown Sugar" oder Jefferson Airplane in "White Rabbit".
Die ganze Palette der Betäubungsmittel hat auch Steffen Flügler, Autor des Buches "Treppe in die Dunkelheit", in seiner 17-jährigen Suchtgeschichte kennengelernt.
Im Sommer 1978, als »die Coolness in Deutschland Einzug hielt« und im Gefolge des Musicals "Grease" der billige Plastikkamm in die Tasche der Wranglerjeans wanderte, als jeder Junge ein kleiner John Travolta sein wollte, machte der damals zwölfjährige Autor die Bekanntschaft mit der Sucht, die ihn lange Jahre begleiten sollte.
Was bei "We Will Rock You" von Queen mit einer Flasche Bier beginnt, soll sich in immer neuen Steigerungen durch sein Leben ziehen. Seine Unsicherheit, Angst und Schüchternheit werden betäubt, durch ein wohliges Gefühl von Wärme, Zuversicht, Leichtigkeit und Stärke ersetzt. Er wird zum Entertainer, macht aus jeder Umgebung eine Bühne auf der er seinen Drang der Beste zu sein auslebt und mit alkoholischer Unterstützung das realisiert, was er sich sonst nur in seiner Phantasiewelt zusammenträumt. Zum Alkohol gesellen sich erste Erfahrungen mit Cannabis und den verschiedensten Tabletten.
»Die Sucht sagte:
Da unten ist das, wonach jeder Mensch strebt. Berühmtheit, unermessliche Reichtümer und was dein Herz sonst noch begehrt. Es gehört alles dir, wenn wir unten angelangt sind. Du brauchst es dir nur zu holen. Vertraue mir und hüte dieses Geheimnis, dann wird einmal alles, was da unten ist, dir gehören.«
Mit 16 wird er in seinen Träumen selbst zum Rockstar, in der Realität hat er die Schule abgebrochen, Anzeigen wegen Ladendiebstahl und einen stetig ansteigenden Tabletten- und Alkoholkonsum.
Die Rolling Stones verkörpern sein Lebensgefühl.
Die erste Erfahrung mit Kokain befähigt ihn zu melodischen, gut klingenden Improvisationen auf der Gitarre, obwohl er erst ganz kurze Zeit spielt.
Mit 18 Jahren setzt er sich zu "Satisfaction" den ersten Schuss Heroin, dem noch etliche weitere folgen werden. Mit Dealerei finanziert er seine Sucht und seinen Lebensunterhalt. Sein absolutes Vorbild ist jetzt Keith Richards.
Durch eine Großrazzia ist kein Heroin mehr aufzutreiben, er weicht aus auf Alkohol, Tabletten und gelegentlich verfügbares Gras oder Hasch.
Die Einberufung zur Bundeswehr folgt - doch auch in der Kaserne sind Drogen verfügbar und ein Kumpel, der ihm einiges auf der Gitarre beibringt und ihn auf LSD-Trips begleitet. Mit der Disziplin und den Vorgesetzten hat Flügler immer wieder Schwierigkeiten, mehr als einmal erhält er Ausgangsverbot oder Bau. Er wird zunehmend aggressiv, unter dem Einfluss von 5 Rohypnol und einer Flasche Whiskey zerschlägt er sein Zimmer inklusive Gitarre und ahmt auch in dieser Hinsicht seine musikalischen Vorbilder nach.
Nach der Bundeswehrzeit geht es immer noch weiter abwärts, die Rockstarträume werden von der Sucht weiter genährt, die Realität bietet nun auch noch einen Gefängnisaufenthalt.
Als neue Droge gesellt sich danach Codein dazu, verschrieben von einem einschlägig bekannten, skrupellosen Arzt.
Massive Entzugserscheinungen stellen sich ein. Schonungslos offen schildert Flügler, wie er sich dabei die Seele aus dem Leib kotzt und immer neuen Alkohol nachschüttet, bis schließlich der Körper wieder soweit beruhigt ist. Im Umfeld sterben mehr und mehr gute alte Bekannte, liegen im Krankenhaus auf der Intensivstation oder haben sich mit HIV infiziert.
Immer häufiger werden die Blackouts. Der beste Freund Olli stirbt. In Flüglers Kopf läuft: »Take me down to the paradise city, where the grass is green and the girls are pretty…«( Guns N' Roses)
Doch noch immer geht es für ihn weiter....weiter abwärts.
Ein Jahr später organisiert er ein Gedenkkonzert für Olli. Flügler stellt fest, dass er nur noch zwei einfache Stones-Songs auf die Reihe bekommt und nicht mehr fähig ist, etwas Neues zu lernen.
Auf dem absoluten Tiefpunkt keimt dann Hoffnung auf - er entschließt sich, clean zu werden und auch hier der Beste zu sein. Mit Hilfe eines Drogenberaters erhält er einen Entgiftungsplatz in einer Klinik, schnellstmöglich, da der Körper schon ganz kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch steht. Dort folgt nach wenigen Tagen eine schmerzhafte Ernüchterung: Auf das Substitutionsmedikament wird er genauso schnell süchtig wie zuvor auf all die anderen Substanzen. Seine Alternative ist der kalte Entzug. Monatelang muss er danach auf seinen Therapieplatz warten. Den von allen prophezeiten Rückfall kann er durch seinen eigenen Weg der Konfrontation verhindern. Die Therapie bricht er nach weniger als einem Monat ab und bleibt gegen alle Erwartungen seiner Umwelt clean.
Doch noch sind die Verhaltensmuster gleich geblieben. Der Traum der Beste und Größte zu sein, die Suche nach Bewunderung und Anerkennung bleiben ihm erhalten. Er macht den Führerschein, sucht sich Arbeit, zahlt seine Schulden zurück und träumt erneut von einer Musikerkarriere.
Erfolg, Frauen und Bewunderung werden zu seiner neuen Droge.
Sieben Jahre nach der erfolgreichen Entgiftung macht er eine neue Bekanntschaft. Die Psychologie soll zu seiner neuen Wegbegleitung werden. Zunächst in Form von Büchern, dann in einer Verhaltenstherapie und schließlich in einer Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie. Neben dieser Tätigkeit hält Steffen Flügler heute Lesungen und Suchtpräventionsveranstaltungen in Schulen.
Sein Buch ist aus seiner heutigen Sicht geschrieben. Fesselnd und schonungslos erzählt er das, was war: seine Geschichte, die stellvertretend für die so vieler bekannter und unbekannter Musiker stehen kann. Auf einer zweiten Erzählebene, der 'Treppe in die Dunkelheit', analysiert er in einfachen und doch tiefgehenden Zwischenpassagen, was Sucht ist und wie sie Macht über Menschen erlangt.
»Ich lernte, dass Minderwertigkeit und Selbstunsicherheit Gefühle sind, mit denen wohl jeder Mensch auf die Welt kommt, und jeder Mensch versucht, sie irgendwie auszugleichen. Allerdings sind Macht, Berühmtheit oder Drogen nicht die richtigen Mittel, diese Gefühle zu kompensieren.«
Musik und Drogen - eine never ending story.
Der Drang nach Berühmtheit, das Streben nach Anerkennung aus dem Außen - ist das nicht der Motor, der das Musikbiz am Laufen hält? Wie viele Musiker stehen auf den Bühnen auf der Suche nach dieser Anerkennung, die ihre Minderwertigkeitsgefühle und Unsicherheit befriedigen soll? Und wie wenige Musiker schöpfen diese Befriedigung rein aus ihrem Tun?
»Ich hatte ständig innere Befriedigung, Anerkennung und Heilung im Außen gesucht und mit diesem Denken sogar einen Pakt mit der Sucht geschlossen. Die Möglichkeit, innere Heilung und Veränderung bei sich selbst zu erfahren, dort wo alles herkommt und entsteht, war mir nie in den Sinn gekommen.«
Dabei eignet sich doch gerade die Musik auch als Möglichkeit das Innere zum Ausdruck zu bringen und sich selbst zu erfahren. Auch diese Art der Musik ist zu finden - vielleicht weniger auf den ganz großen Bühnen, sondern eher in den kleineren Kellerstudios, in Clubs und im Künstlerindex von RockTimes. Von Musikern, die ganz in ihrer Musik versinken, mit Herzblut und Leidenschaft. Und davon so 'high' werden, wie es keine Droge der Welt jemals bewirken kann.
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