Das Wacken Open Air (W:O:A) ist für jeden gestandenen Heavy Metal-Fan mittlerweile ein Begriff, steht dieser doch in erster Linie für harte Musik, aber auch für Party unter Gleichgesinnten und das mittlerweile schon seit 20 Jahren. Grund genug für einen Rückblick in Form metallisch geschriebener Worte, die kein Geringerer als Andreas Schöwe - seines Zeichens Journalist für den Metal Hammer - auf's Papier hämmerte und als Buch unters Volk brachte.
Man schrieb das Jahr 1990, als am 24. August um 19.00 Uhr in der Kieskuhle von Wacken vor ca. 800 Metallheads eine geschichtsträchtige Veranstaltung ihren Lauf nahm, die sich in all den Jahren zum größten Metal-Open Air entwickelt hat. Denn nicht nur Hunderte, wie zu Beginn, sondern bis zu 80.000 langhaarige 'Bombenleger' aus aller Welt pilgern jährlich im August in das 1.850-Seelen-Dorf im Norden Deutschlands, um 'ihren' Heroen zu lauschen, nach allen Regeln der Kunst die Matten zu schütteln und Spaß zu haben.
Sie kommen jedoch nicht nur aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland. Nein auch aus Japan, Amerika und selbst Australien reisen sie an, in schwarzes Leder gekleidet, mit Kutte und Nieten geschmückt, um DIE Party des Jahres zu feiern. Von den Einwohnern in Wacken werden sie schon freudig erwartet, denn man kennt sich, man ist teilweise sogar so eng miteinander befreundet, dass die eine oder andere Grillwurst gemeinsam vertilgt und das dazugehörige Bier gepichelt wird.
Aber der Anfang war alles andere als leicht. Sehr viel Enthusiasmus, Durchhaltevermögen und noch mehr Liebe zu den harten Klängen gehörte dazu, um alle Hochs und Tiefs, die es natürlich gab, zu meistern. So standen die beiden musikverrückten Gründer Holger Hübner und Thomas Jensen und ihre Crew auch schon mal kurz vorm finanziellen Ruin. Nun, aus Fehlern kann man nur lernen, und sie haben dazu gelernt.
Aber werfen wir noch einen kleinen Blick in die Geschichte: 1989, in einer Zeit also, in der Grunge total angesagt war und den Metal fast schon zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen ließ, hatten Hübner und Jensen die zündende Idee, mit einem Open Air dem reinen Heavy Metal wieder eine entsprechende Plattform zu geben.
Kein Festival für Weicheier sollte es werden, meinten damals die beiden Metal-Maniacs, keine »musikalische Gemischtwarenhandlung«, denn die gab es schon mehr als genug. Es sollte nur harte Mucke gespielt werden, darüber waren sie sich von Anfang an einig, vermutlich das Erfolgsrezept schlechthin. Denn wo sonst wird noch Metal in seiner Reinstform präsentiert?
Und in dem kleinen stillen Dörfchen Wacken sollte es stattfinden, sozusagen am A… der Welt, wo sich Fuchs und Hase 'gute Nacht' sagen. Viele Hürden hatten die beiden Gründer und ihre Mannschaft zu nehmen, bis sich das W:O:A zu dem entwickelte, was es heute ist. Außerdem ist es der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen den Veranstaltern, den darin eingebundenen Unternehmen, den Gemeinde-Verantwortlichen sowie der Loyalität der Bevölkerung des Dorfes zu Schulden, dass sich diese Veranstaltung ihren Mythos über die vielen Jahre hinweg bewahrt hat und selbst die renommierten Medien nicht mehr daran vorbeikommen, dem W:O:A ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
Begonnen mit der Geburt einer Idee 1989 bis zum Jubiläum im August 2009 zeigt Andreas Schöwe akribisch die Geschichte des Festivals auf, lässt dabei nicht nur die Macher Hübner und Jensen sowie Produktionsleiter Thomas Hess und Wolfgang Rott von CMM zu Wort kommen, nein auch der Bürgermeister von Wacken, Vertreter von Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr dürfen ihre Eindrücke schildern.
Nicht zu vergessen der »drei Schachteln Zigaretten pro Tag rauchende und - wegen seiner Potenz - weißen Thunfisch bevorzugende«, einen Trabant Cabrio fahrende Bauer Uwe Trede. Er ist ein ganz wichtiges Rädchen im Getriebe des W:O:A: Er akquiriert Ackerflächen von den benachbarten Bauern zur Erweiterung des Festivalgeländes und der Campingplätze (mittlerweile sind es 187 Hektar Flächenausdehnung) und sorgt dafür, dass nach dem Ende des Events alles wieder anständig gereinigt übergeben wird. Und das, obwohl der Mann straff auf die siebzig zugeht. Er ist der Meinung, dass er noch lange nicht zu alt für den Heavy Metal sei, »höchstens dreißig Jahre zu früh geboren. Und überhaupt: Die Metaller sind ja auch nicht anders als wir - die sehen nur fünfzig Jahre anders aus.«
Der Heavy Metal-Bauer ist zur Kultfigur der sogenannten 'fünften Jahreszeit' in Wacken avanciert. Und wenn er sich auf dem Weg übers Gelände befindet, um nach dem Rechten zu schauen: »komme ich nicht weit, ich muss Autogramme geben. Irgendwann wurde mir das zu viel. Deswegen sagte ich: Ab jetzt nur noch Mädchen - und nur auf die Titten! Ich kam dann trotzdem nicht viel schneller voran.«
Neben den bereits Genannten wurden auch Musiker interviewt, die teilweise fast schon 'zum Inventar' gehören, wie u.a. die seit Jahren immer wieder zum Billing gehörende Doro Pesch, Saxons Biff Byford, Jan Bünning mit Asmodis und später Paragon oder auch Gamma Rays Kai Hansen sowie der Sodom-Sänger/Bassist Tom Angelripper.
Jon Oliva ( Savatage), Hansi Kürsch ( Blind Guardian), Chris Boltendahl ( Grave Digger) und Mat Sinner ( Sinner, Primal Fear) schwelgen genau so in Festival-Erinnerungen wie Stephan Weidner ( Böhse Onkelz), Bobby Ellsworth ( Overkill), Sabina Classen ( Holy Moses, Temple Of The Absurd) oder Bodenski ( Subway To Sally) uva..
Letztere hatten 1997 die absolute Arschkarte gezogen: Sie mussten mit den Nackedeis von Rock Bitch die Bühne tauschen und statt wie vorgesehen auf der großen Hauptbühne auf der viel kleineren Stage im Zelt spielen.
Außerdem kann sich das Wacken auf die Fahnen schreiben, dass viele Bands erst nach einem Auftritt auf dem Metal-Event den absoluten Popularitäts-Schub erhalten haben, wie zum Beispiel im Jahre 1997 Hammerfall, Dimmu Borgir und die mit dem Prager Symphonie Orchester auftretenden Rage mit Peter 'Peavy' Wagner.
Aber auch so manches Comeback konnten die Fans live erleben. So geschehen mit Exodus.
Das absolute Highlight gab es 2008 für die Fans: als endlich nach vielen Jahren des Wartens und fast Verzweifelns der größte Metal-Act der Welt, die Eiserne Jungfrau ihren Weg nach Wacken fand und eine Show der Superlative bot. Verantwortlich dafür war kein Geringerer als der deutsche Promotion- und Consulting-Partner Wolfgang Rott.
Natürlich gibt es nicht nur Lob. Denn 'wo gehobelt wird, fallen Späne', die Erfahrung musste man auch beim Wacken machen. Dass das Festival von Jahr zu Jahr wachsen würde und irgendwann eine ungeahnte Eigendynamik entwickeln würde, haben sich Hübner, Jensen und Hess wohl in ihren kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt. Klar, dass da schon mal was aus dem Ruder läuft: 1995 zeigte sich das in der Metal-Szene bestens bekannte Rock Hard an einer Zusammenarbeit mit dem Team interessiert, präsentierte das Open Air und unterstützte die Macher. Vor Ort waren die Redakteure des Magazins in erster Linie die Ansprechpartner für die Fans, wenn eben mal was nicht so lief, wie es sollte. Ein absoluter Dauerbrenner war zum Beispiel die oftmals nicht ganz koscher auftretende Security sowie Spielzeitverschiebungen bei den Bands - so dass die Banger 'ihren Topact' auch schon mal verpassten.
Im Jahr 2001 eskalierte das Ganze. Dazu Götz Kühnemund: »ein nochmals größerer Massenansturm, unterdimensionierte sanitäre Einrichtungen, schlechtes Wetter, diverse Band-Absagen - und der Bierpreis wurde entgegen unseren Ankündigungen im Rock Hard dann doch noch erhöht.« Es gab jede Menge erboste Fan-Reaktionen per E-Mails, so dass sich das Rock Hard für einige Zeit aus der Zusammenarbeit mit den Festival verabschiedete.
Zwischenzeitlich arbeitet man aber wieder zusammen, präsentiert wird das Wacken:Open:Air jedoch vom Metal Hammer.
Zum Abschluss der Lektüre geben einige Metalheads noch das eine oder andere persönliche Anekdötchen zum Besten, so dass man sich am Ende, neben der sich permanent durch das gesamte Buch ziehenden Historie, die mir übrigens teilweise etwas zu viel Selbstbeweihräucherung aufbietet, doch noch köstlich amüsieren kann.
Empfehlenswert sicherlich für Wacken-Gänger und solche, die es noch werden wollen.
Ach ja, der Ort Wacken ist übrigens mittlerweile reif für das "Guinness-Buch der Weltrekorde": Und zwar für die Rubrik 'Deutschlands meistgeklautes Ortsschild'!
Ein Manko möchte ich noch anmerken: Das Lektorat lässt wieder einmal, wie ich leider in letzter Zeit schon so oft beim Lesen vieler Bücher feststellen musste, sehr zu wünschen übrig und stört den Lesegenuss meiner Meinung nach erheblich.
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