Natürlich ist das vierzigjährige Jubiläum des Woodstock-Festivals, das vom 15. bis 17. August 1969 in Bethel stattfand und inzwischen in den Mythos-Status erhoben wurde, auch ein Thema für den Hannibal Verlag. So nahm sich der profilierte und hoch angesehene Jörg Gülden dieses Themas an und zog seine ganz eigene Bilanz der 'Three Days Of Peace And Music'. Leider erlebte er die Veröffentlichung dieses Buches nicht mehr mit, denn er verstarb am 8. Mai 2009 im Alter von 64 Jahren an den Folgen einer Operation.
"Woodstock - Wunder oder Waterloo? Eine Abrechnung von Jörg Gülden", so der offizielle Text auf der Titelseite, sagt ganz treffend aus, worum es dem Autor geht. So beschreibt er zunächst einmal den 'ganz alltäglichen, spießigen' Lebensstil, der zu dieser Zeit in den USA vorherrschte, und in den die aufstrebende Hippie-Bewegung fast wie eine Revolution hereinbrach. Da trafen Welten aufeinander, die verschiedener nicht sein konnten. Auf der einen Seite die braven, strebsamen Bürger, für die Disziplin, Ordnung, Gehorsam und Strebsamkeit, sowie ein adrettes Aussehen im Mittelpunkt standen, während die Blumenkinder genau diese Dinge anprangerten, sich äußerlich mit langen Haaren und bunten Gewändern schmückten, Drogen einwarfen und alles hinterfragten, was bisher als selbstverständlich und normal galt.
So war heftiger Widerstand von Seiten der Bevölkerung quasi vorprogrammiert, was sich schon bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück für das Event bemerkbar machte. Überall schlug den Veranstaltern blanker Hass entgegen, denn niemand wollte etwas mit diesen 'nichtsnutzigen, langhaarigen Gammlern' zu tun haben, die es auch noch wagten, so etwas wie den Vietnam-Krieg öffentlich anzuprangern.
Schließlich konnte der Farmbesitzer Max Yasgur und einige seiner Nachbarn mit einer größeren Geldsumme 'überzeugt' werden und das Woodstock-Festival konnte starten. Da diese Vorgehensweise inzwischen zur Regel wurde, entwickelte sich die Veranstaltung sehr schnell zu einem finanziellen Fiasko und ließ gleichzeitig die Aufmerksamkeit der vier Macher von vielen anderen Dingen abschweifen. Es gab keine massiven Absperrungen des Festivalgeländes, was einen geregelten Ticket-Verkauf vor Ort unmöglich machte und das Event schließlich zu einem unfreiwilligen Free-Konzert werden ließ.
Ausreichende Verpflegung und sanitäre Einrichtungen gab es nicht, da auch hier die falschen Leute zur Durchführung eingesetzt wurden. Auch die Bühnenaufbauten und -technik wurden sträflich vernachlässigt und waren erst unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung fertig. Außerdem wurde die Anreise der riesigen Menschenmassen total unterschätzt und so verstopften in kürzester Zeit alle Zufahrtsstraßen im weiten Umkreis.
Die musikalische Qualität der einzelnen Acts war ebenfalls sehr durchwachsen. Güldens Freund Maik, der live in Bethel dabei war, berichtete von richtig starken Auftritten. Santana, Ten Years After, Joe Cocker, CCR und einige andere konnten voll überzeugen und brachten die Massen in Wallung, während man Blood, Sweat & Tears, Janis Joplin, Grateful Dead und Jefferson Airplane wohl einen gebrauchten Tag angedreht hatte. Selbst The Band bekam für ihren Auftritt nicht nur Lob, was aber eher an der Tatsache lag, dass Bob Dylan nicht dabei war, mit dem natürlich viele Fans gerechnet hatten, denn schließlich wohnte er ja nur um die Ecke.
Als am Montagmorgen gegen 8.30 Uhr schließlich Jimi Hendrix mit seiner gerade neu formierten Band Gypsy Sun And Rainbows die Bühne betrat, waren nur noch gerade mal 30.000 Leute da, und so musste er quasi als Müllmann fungieren und vor 'fast leeren' Rängen auftreten, was ihm aber ganz ordentlich gelang.
Neben diesen Fakten gibt es in dem Buch auch noch zahlreiche Augenzeugenberichte über Ereignisse im Publikum, die einen guten Eindruck über die Stimmung, besonders während der diversen Unwetter innerhalb der Zuschauermassen geben. Auch die chaotischen Vorgänge auf und hinter der Bühne werden beschrieben und machen deutlich, wie kopf- und konzeptlos das Programm durchgezogen wurde, sobald es zu irgendwelchen nicht eingeplanten Zwischenfällen kam, von denen es reichlich gab.
Besonders interessant ist auch der Rückblick auf die nachfolgenden Großveranstaltungen, bei denen nie mehr so ein Feeling aufkam wie an diesen drei Tagen in Bethel. Altamont und Scheeßel endeten in Chaos und Gewalt, auch Fehmarn wurde durch verschiedene Gründe ein Fiasko. Lediglich das Isle Of Wight-Festival verlief noch einigermaßen friedlich und ohne größere Zwischenfälle. Aber im Großen und Ganzen war die Zeit der Mammut-Events zunächst einmal vorbei.
Kritisch sieht Jörg Gülden auch die immer wiederkehrenden Woodstock Revival-Veranstaltungen, bei denen bis in die Gegenwart mit dem legendären Namen Kohle gescheffelt werden soll, obwohl meistens nur noch zweitklassige Bands dabei sind, die mit dem ursprünglichen Spektakel überhaupt nichts mehr zu tun haben. Der Autor hat sich also richtig Gedanken gemacht, den Mythos Woodstock mit allen Highlights und Unzulänglichkeiten beleuchtet und so den ganz besonderen Status dieses Festivals heraus gearbeitet.
Aufgelockert wird dieser interessante Band durch zahlreiche Plattencover, Konzertplakate und Titelseiten von Illustrierten und Büchern, die sich ebenfalls mit dem Thema Woodstock befassen.
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