Annihilator / Feast
Feast Spielzeit: 49:42 (CD 1), 71:15 (CD 2)
Medium: CD
Label: UDR/EMI, 2013
Stil: Metal

Review vom 25.08.2013


Boris Theobald
Dass ein Jeff Waters sich nach annähernd 30 Jahren Annihilator auf Album Nummer 14 noch mal neu erfindet, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie dass die Flippers eine Punk-Platte aufnehmen. Also unwahrscheinlich. Das mächtig ansehnlich gemachte Cover mit postapokalyptischen Zombiefantasien und Alice im Trümmerland tut das seinige dazu und unterstreicht die Message: Wo Annihilator drauf steht, ist Annihilator drin.
Zu den Details! Das letzte Bollwerk mit dem schlichten Namen "Annihilator" war mir persönlich zu stumpf, zu grob, zu 'stur'. Vielleicht hatte Jeff Waters das nach der 2007er-Gästegala Metal aber einfach gebraucht, um zu sagen 'Hier bin ich, ich kann's auch noch allein, und ich zeig euch jetzt mal, was'n Pickel ist!' Mir fehlte da aber die Vielseitigkeit, welche die Band so oft ausgezeichnet hat - und von den Songs ist bei mir wenig hängen geblieben. Und das ändert sich mit "Feast" ein Stück weit!
"Deadlock" ist erst mal das erwartete Ausrufezeichen. Tachometer und Seismograph schlagen aus und die Ohren werden geputzt. Technik klasse, Sound exzellent, Punkt. Mit "No Way Out" folgt gleich ein weiterer kleiner Angstmacher mit vorzüglicher Gitarrenbedienung. "Smear Campaign" - auf Deutsch: Schmutzkampagne - überzeugt durch seinen stoischen Drive. Thematisch ist es ein Song gegen anonyme Stänkerer und Verleumder im Internet. Hier beweist Dave Padden vorzüglich, was für ein klasse Sänger er ist. Er klingt reichlich unfreundlich, aber trotzdem ist der böse Gesang immer noch Gesang und kein Rumgeschreie. Padden feiert anno 2013 sein Zehnjähriges bei Annihilator, und ich bin nach wie vor hochzufrieden mit diesem Kerl.
Es wird ausgefallener - und das ist genau das, was ich an dieser Band liebe und warum "Feast" ein gutes Album geworden ist. Denn "No Surrender" ist ein Stück, von dem Jeff Waters im Nachhinein selbst sagt, der funkige Groove erinnere ihn teils an die Red Hot Chili Peppers. Stimmt, hat was. Auf besagtes Intro folgt übrigens eine angenehmst böse Stakkato-Schlägerei, anschließend ein Shred-Fest. Und dann wieder von vorn. "No Surrender" zündet in verschiedenen Stufen - das ist Annihilator und kein stumpf(sinnig)es Kleinholzgehäcksel. Über "Wrapped" sagt der Meister, es habe was von Guns N' Roses oder Rose Tattoo. Und wieder gibt es von mir keinen Einspruch. Außer, dass mehr Metal drin steckt. 'Das wäre doch was für Danko', dachte sich Jeff. Dachte Danko dann auch; und so nahm Danko Jones die Gesangseinladung auf "Wrapped" an. Die Ballade "Perfect Angel Eyes" rundet den Mittelteil im metallischen Alternativmodus ab. Endlich wieder eine echte Ballade. Es ist kein "Phoenix Rising", aber doch richtig gut. Eigentlich wollte Dave Padden keine Schnulze singen. Dann hörte er sich den Song aber mal an und es war um ihn geschehen.
Back to Thrash: "Demon Code" klingt so dämonisch, wie es der Name schon sagt. Jeff Waters beherrscht es, mit ein paar wenigen Handstreichen auf seinem Griffbrett dieses böse Glühen zu erzeugen; und zugleich hat auch der fieseste Groove eine gute Melodie, ist jeder Knüppelchorus von irgendwas Atmungsaktivem umgeben. Apropos ... "Fight The World" hat ein ruhiges, nachdenkliches Intro. Es ist so eine Art Zündschnur, die 1:20 Minuten lang brennt. Dann erst kommt der Stresstest für die Nachbarn aus den Lautsprecherboxen.
Der Höhepunkt kommt zum Schluss: das achteinhalbminütige "One Falls, Two Rise" - eine epische Nummer mit etlichen Atmo- und Tempowechseln zwischen mysteriös-melancholisch und donnernd-dampfwalzig. Auch Dave Padden veranstaltet im Gesang ein komplettes Festival - erst komplett clean, hoch und intensiv, später zünftig und zornig. Nicht erst dieser klasse Abschluss macht "Feast" zu einem Album, das Annihilator beinahe wie per Definition im Lexikon abbildet - mehr als eine stereotype Thrash Metal-Truppe. In der langen Band-Diskografie könnte "Feast" es auf lange Sicht ins obere Mittelfeld schaffen.
Plattenwechsel - wir legen die 71 Minuten (!) lange Bonus-CD "Re-Kill" auf. Das sind 15 Songs, allesamt mehr oder weniger Klassiker (vor allem die ollen Dinger, natürlich), komplett neu eingespielt mit dem aktuellen Line-up. Über Sinn und Unsinn solcher durchaus gängigen Machenschaften lässt sich ja streiten. Jeff Waters hat auf jeden Fall bei der Produktion keine Mühen gescheut. Selbst die Geräuschkulissen wurden mit allen Details rekonstruiert, beispielsweise das Intro von "Set The World On Fire" oder die Schritte und Schreie und sonstigen akustischen Boten des schleichenden Wahnsinns bei "Brain Dance".
Am auffälligsten ist natürlich, dass aus einer Hand voll Sängern nun ein einziger geworden ist. Und Dave Padden kann bei diesem immens vielseitigen Songfundus so richtig zeigen, was er drauf hat - gefühlvoll beim epischen Klassiker "Never, Neverland" oder ultraböse beim düsteren Abräumer "Bloodbath". Und die abgedrehten Gaga-Parts von "Fun Palace", "Alison Hell" und "Brain Dance" kriegt er herrlich hin. Wirklich 'besser' als das Original ist die neue Version von "Time Bomb", dieser Abrissbirne im Schlepptempo - mit deren Original bin ich wegen des damaligen Sängers Joe Comeau (kurz nach der Jahrtausendwende) nämlich nie warm geworden.
Cool ist auch das neue "King Of The Kill", im Original von Jeff Waters selbst eingesungen. Dessen Gesang war zwar wirklich gut und vor allem Kult, aber Dave Paddens Stimme hat halt schon mehr Wumms. Klar fehlt bei den neuen Versionen auch hier und da der Klassikergeruch. "Set The World On Fire" ist nur 'echt' mit Aaron Randalls herrlichem Original-Lispeln. Aber Himmel, Arsch ... diese Neueinspielungen haben ein Söundchen! Richtig amtlich. Diese Bonus-CD lohnt sich auf alle Fälle. Schon lange habe ich beim Lauschen einer Platte nicht mehr derart destruktiv mitgesungen. Beinahe ein bisschen 'gefährlich' für das neue Album "Feast": Man kriegt unmittelbar vor Ohren geführt, dass Jeff Waters mal noch wesentlich geilere Ohrwürmer fabriziert hat als heutzutage ...
Line-up:
Jeff Waters (guitar)
Dave Padden (vocals)
Al Campuzano (bass)
Mike Harshaw (drums)

Guest musician:
Danko Jones (vocals - #5)
Tracklist
CD 1 - Feast:
01:Deadlock (4:23)
02:No Way Out (5:20)
03:Smear Campaign (4:16)
04:No Surrender (5:37)
05:Wrapped (3:48)
06:Perfect Angel Eyes (4:27)
07:Demon Code (6:22)
08:Fight The World (6:55)
09:One Falls, Two Rise (8:33)
CD 2 - Re-Kill:
01:Fun Palace (5:35)
02:Alison Hell (5:09)
03:King Of The Kill (3:16)
04:Never, Neverland (5:23)
05:Set The World On Fire (4:25)
06:Welcome To Your Death [W.T.Y.D.] (4:10)
07:Nozone (2:50)
08:Bloodbath (5:25)
09:21 (4:24)
10:Stonewall (4:50)
11:Ultra Motion (5:08)
12:Time Bomb (4:32)
13:Refresh The Demon (5:30)
14:Word Salad (5:46)
15:Brain Dance (4:50)
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