Einmal nach Istanbul zu trampen, in diesen skurrilen west-östlichen Schmelztiegel, war bereits in meinen Jugendtagen ein Traum wie aus Tausendundeiner Nacht... So verwundert es kaum, dass auch die Konzept-Progger Anubis diesem Zauber verfallen sind und mit "Hitchhiking To Byzantium" ein prallvolles Konzeptalbum zu diesem Thema abliefern.
Mit ihrem dritten Werk scheint das australische Sextett, um die beiden Masterminds Robert James Moulding und David Eaton formiert, allerdings etwas auf der Stelle zu treten. "Hitchhiking To Byzantium" vereint zwar wie der Vorgänger, A Tower Of Silence, traditionelle und moderne Prog-Elemente auf überaus ansprechende Weise, leidet allerdings ebenso an einer gewissen Überproduktion. Die mächtigen, allseits überpräsenten Soundwände können den Hörer geradezu erdrücken. Spielerische Leichtigkeit ergibt sich viel zu selten und zumeist nur dann, wenn Martyn Cook zu Querflöte oder Saxofon greift. Deshalb wirkt "Hitchhiking To Byzantium" bei mir wie französische Kuchenspezereien: überaus zuckersüß und lecker, aber die Geschmacksnerven auf Dauer eindeutig zu stark strapazierend.
Die Reise nach Byzanz sei alles andere als leicht gewesen, gibt die Band im Begleitschreiben zu bedenken. Die allgemeinen Erwartungen nach "A Tower Of Silence" hat man wohl als belastend empfunden. Genau das scheint man zu spüren: Vieles auf "Hitchhiking To Byzantium" wirkt konstruiert und vor allem zähflüssig, was wohl den einseitigen Schwerpunkten bei der Produktion geschuldet scheint. Die Melodien werden zwar sorgsamst geschichtet, doch die Rhythmik dabei vernachlässigt - den omnipräsenten Keyboards und Gitarren wird nicht der notwendige Biss und Druck entgegengesetzt. Das Schlagwerk klingt pappig und ins Abseits gedrängt. Obendrein hatte Bassist Nicholas Antoinette den Dienst noch vor diesen Aufnahmen quittiert. Sänger Robert James Moulding hat dessen Job kurzfristig übernommen, erledigt diesen auch überaus solide, schlägt sich dabei aber ebenfalls auf die 'melodiöse Seite'. Mittlerweile hat Anubis mit Anthony Stewart offenbar wieder einen Spezialisten in ihren Reihen und räumt der Rhythmusfraktion hoffentlich beim nächsten Album einen etwas höheren Stellenwert ein.
Ansonsten ist für meinen Geschmack zu vieles an "Hitchhiking To Byzantium" nur gehobener Durchschnitt - durchaus mit Genuss konsumierbar, jedoch ohne nachhaltigen 'Nährwert'. Wie beim Vorgänger zitiert Anubis die klassischen Prog-Vertreter wie auch deren Epigonen des Neo Prog und Art Rock. Namensnennungen schenke ich mir an dieser Stelle - wer das Who-is-Who des Neo Prog schätzt, wird auch an "Hitchhiking To Byzantium" Gefallen finden.
Damit wir uns richtig verstehen: Mir gefällt's ja auch (vor allem "Blood Is Thicker Than Common Sense" und "A Room With A View"), nur ist dieses Album ein neuerliches Statement zur Stagnation im Progressive Rock. Zur Verdeutlichung verleihe ich ausnahmsweise mal unsere Zeitmesser: 6 von 10 RockTimes-Uhren, was gleichbedeutend mit »guter Durchschnitt, routinierter Stoff « ist.
Anubis sollte sich vielleicht daran erinnern, dass Musik auch mal schlicht und einfach nur Spaß bringen darf - beim Hören, vor allem aber auch beim MACHEN...
Line-up:
Robert James Moulding (vocals, bass, rhythm guitars)
David Eaton (keyboards, vocals, guitars)
Douglas Skene (guitars, vocals)
Dean Bennison (guitars, steel guitar, clarinet, vocals)
Steven Eaton (drums, percussions, vocals)
Martyn Cook (flute, saxophone, trumpet)
Rebecca Bennison, Katrina Stewart, Sarah Schols (add. vocals)
Tracklist |
01:Fadeout (2:49)
02:A King With No Crown (4:38)
03:Dead Trees (7:13)
04:Hitchhiking To Byzantium (9:39)
05:Blood Is Thicker Than Common Sense (8:50)
06:Tighterung Of The Screws (6:38)
07:Partitionists (7:46)
08:Crimson Stained Romance (6:58)
09:A Room With A View (15:57)
10:Silent Wandering Ghosts (7:13)
|
|
Externe Links:
|