An Anyone's Daughter schieden sich in meiner Jugendzeit die Geister. »Am allerschlimmsten war Anyone's Daughter aus Leinfelden-Echterdingen« - das ging gar nicht, deutet Kai Thomas Geiger in seinem bemerkenswerten Buch autoreverse die Meinung der Kritiker spöttelnd an. Dass ich da einen entschieden anderen Standpunkt hatte... kein Wunder: Er war (Hard Rock-)Bassist - ich hingegen (Kraut-)Keyboarder!
Und für diese verschraubte Spezies war Anyone's Daughter eine Offenbarung - vor allem, wenn man melodisch rockende, tief progressiv getönte Musik mochte. Für Leute, die im Leben deutlich härter unterwegs waren, mochte dies etwas zu viel des klebrig-süßen Zuckergusses gewesen sein - selbst für diese Position konnte man damals, abseits des 'Glaubenskrieges', natürlich durchaus Verständnis aufbringen...
Mir lief die Band im Herbst 1980, anlässlich der Tour zu ihrem Zweitling Anyone's Daughter, über den Weg. Das etwa halbstündig ausufernde "Adonis" war (nicht nur) damals unbestrittener Höhepunkt der Show und das gleichnamige Album wenig später in meinem Besitz. Mir gefiel dessen Konzeptcharakter noch besser als der songorientierte Ansatz von "Anyone's Daughter", auch wenn ein 'Hit' der Marke "Moria" nicht auszumachen war. Ihre besten Platten gelangen den Schwaben nun einmal mit Konzeptwerken...
Nun liegt, anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Erstveröffentlichung, "Adonis" erneut auf Vinyl vor, dem man aus diesem Anlass ein Klappcover (mit neuen Liner Notes) und 180g 'schwarzes Gold' verpasst hat.
Gerade einmal zwanzig Lenze waren die Vier seinerzeit jung, hatten gerade das Abi in der Tasche und starteten schon eine Profikarriere durch. Alltäglich war das, selbst in diesen 'goldenen Zeiten', keinesfalls! Mit ihrem Debüt schwammen Anyone's Daughter eindeutig gegen den Strom des Zeitgeistes - manche nannten es sogar einen Anachronismus. Mutig war es allemal, anno 1979 ein solch schön- und feingeistiges Album zu veröffentlichen. Weicher Melodic Rock, mit deutlichen Progressive-Bezügen und Harald Bareths samtener Stimme vorgetragen, war seinerzeit nicht mehr bei der breiten Masse angesagt. Trotzdem - Novalis bewiesen es - gab es noch eine große Anhängerschaft für diese Art Musik.
Herzstück dieser LP ist natürlich das vierteilige Titelstück, das die gesamte A-Seite einnimmt. Hier zieht Anyone's Daughter alle Progressive-Register der Siebziger: Genesis (besonders schön in "Adonis: Come Away", das deutliche Bezüge zum bahnbrechenden Selling England By The Pound aufweist), leicht verschraubt à la ELP (bspw. in "Adonis" The Disguise"), oft in süßliche BJH-Räucherstäbchenschwaden einhüllend und dabei doch immer 'typisch teutonisch' klingend, was in diesem Zusammenhang eindeutig positiv gemeint ist!
Uwe Karpa zeigt sich dabei aufs Angenehmste von Steve Hackett inspiriert. Mein heimlicher Held war immer Matthias Ulmer, der allerdings auf "Adonis" für meinen (heutigen!) Geschmack zu stark auf den Einsatz des ARP Omni 2 - damals einer DER polyphonen Synthesizer - setzt und dabei Hammond und Fender Rhodes etwas vernachlässigt.
Gegen dieses tolle Opus fällt die B-Seite von "Adonis" ein klein wenig ab. "Blue House", das mir seinerzeit deutlich besser gefiel, beinhaltet aus heutiger Sicht vielleicht etwas zu viel 'heiße Luft'. Das eher kompakt gehaltene "Sally" hätte vielleicht eine Single werden können, doch dazu fehlt die griffige Hook und die verschärfte 'Kanne', die der musikalische Gast Pit Widmer hier bläst, hätte sich besser in spätere Werke Anyone's Daughters, bspw. Neue Sterne, integriert.
Das gut neunminütige "Anyone's Daughter" dreht da glücklicherweise noch einmal gewaltig am Schwungrad. Hier haut Ulmer - zur Freude aller Orgelfreunde - dann endlich mal in die Tasten seiner Hammond. Glutvolle Soli von Karpa und filigran-verspieltes Drumming von Originalschlagzeuger Kono Konopik sorgen zudem im Minutentakt für neue Höhepunkte. Die Nummer war im Liveprogramm stets einer DER Bandklassiker schlechthin...
"Adonis" wird nur in einer limitierten Anzahl auf Vinyl angeboten. Für alle Fans ein echtes Muss, zumal das veränderte Gatefold-Cover ein echter Hingucker ist. Damit wurde Anyone's Daughters Diskographie beinahe abgerundet - fehlt jetzt eigentlich nur noch die "Last Tracks", 1984 kurz nach dem Split der Band erschienen, zumal diese u. a. Demos und Outtakes aus den "Adonis"-Sessions enthält...
Line-up:
Harald Bareth (lead vocals, Fender bass)
Uwe Karpa (electric 6- and 12-string-guitar)
Kono Konopik (Hayman drums with Remo rototoms and Paiste cymbals)
Matthias Ulmer (grand piano, Fender Rhodes, ARP Omni, Minimoog, Hammond organ, background vocals)
Gast:
Pit Widmer (saxophone - #6)
Tracklist |
Seite A:
01:Adonis Part I: Come Away (7:49)
02:Adonis Part II: The Disguise (3:29)
03:Adonis Part III: Adonis (7:51)
04:Adonis Part IV: Epitaph (5:07)
Seite B:
05:Blue House (7:20)
06:Sally (4:22)
07:Anyone's Daughter (9:10)
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Externe Links:
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