In meiner Rezension von Shortinos Chasing My Dream beklagte ich mich noch darüber, immer die gleiche Musik zu hören zu bekommen. Hier kann ich jedoch nicht klagen. Bei Archive handelt es sich um eine Band, die scheinbar von Interpreten wie Radiohead oder Aphex Twin beeinflusst ist. Der Stil dürfte sich wohl als Electronic-Alternative-NewArtrock bezeichnen lassen. Aber selbst damit ist die gesamte stilistische Bandbreite nicht ausreichend beschrieben.
"Controlling Crowds" ist bereits das sechste Album der Band. Es beinhaltet eine Art Suite über den unbezwingbaren Drang des Menschen, alles auf der Welt um jeden Preis unter seine Kontrolle zu bringen. Die großen Themen sind Liebe, Krieg, Frieden, Chaos, blinder Hass und spirituelle Ekstase. Ein Album, das versucht, die Komplexität der Welt auf 13 Songs in einen Rahmen zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen. Aber sie machen es gut. Und mit 'sie' sind diesmal 13 beteiligte Musiker gemeint. Also eher ein Projekt, als eine typische Rock-Combo.
Die Stimmungen auf dem Longplayer bewegen sich zwischen spannend, tiefgreifend, traurig, depressiv, aggressiv, dramatisch und relaxt. Die Gedanken und Gefühlsregungen des Angesprochenen bzw. der angesprochenen Masse sollen scheinbar zwischen einsichtig, abwehrend, analysierend und anpassend schwanken.
Der Titeltrack, der zugleich als Eröffnungsstück fungiert, ist ein zehn Minuten langes Kleinod, welches vom Hörer entdeckt werden will. Viel Spannung wird in diesem aufgebaut, während der Konsument dieser CD in eine ganz eigene, leicht bedrohliche, aber doch irgendwie angenehme Welt geschickt wird. Schleichend bauen sich auf mehreren Sequencerspuren rhythmische, elektronische Klangstrukturen auf, die immer vielschichtiger werden. Irgendwann treten auch scheinbar programmierte Drums hinzu, wobei jedoch im Booklet von »echten« Drums die Rede ist. Gesang tritt hinzu, während die Sequencer-Rhythmen, die irgendwann ihr letztes Entwicklungsstadium erreicht haben, weiterhin im Hintergrund agieren.
"Words On Signs" ist eher von trauriger Natur, während "Dangervisit" schon richtig depressiv wirkt. Textbeispiel gefällig? »Make me sad make me sleep make me question, give me things that can calm this depression«. Irgendwann bricht das Stück dann mit Gitarren in sowas wie Aggression aus, um am Ende wieder mit Piano und zerbrechlichem Gesang in die Depri-Ecke zu verschwinden. Nahtlos geht es über zum nächsten Stück. Da wird über elektronischen Sequenzen plötzlich gerappt! Irgendwie passt es aber zur Atmosphäre und zur Geschichte.
Im Folgenden bleibt der Hörer in dieser seltsamen Atmosphäre gefangen. Irgendwie ist dieses Dramatische aber doch so angenehm, dass man sich in dieser von Archive geschaffenen Welt regelrecht verlieren kann. Auch im neunten Track, "Kings Of Speed", wird wieder gerappt. Doch im Hintergrund sind und bleiben die fesselnden, elektronischen Effekte omnipräsent. Die sparsam eingesetzten, Hoffnung austrahlenden Gitarren sorgen für einen wohligen Klang und viel Dynamik. Der 'normale' Gesang erinnert dabei stark an Thom Yorke von Radiohead.
In "Whore" singt - genau wie schon in "Collapse / Collide" - dann auch mal eine Frau. Ein schleppender Groove von Drums und Soundeffekten durchzieht dieses Stück. Zudem werden - nicht nur in diesem Stück - von Keyboarder Darius Keeler und Graham Preskett geleitete Chöre eingesetzt. Letzterer dürfte manchen u.a. als mitwirkender Musiker bei Alan Parson's "Try Anything Once" bekannt sein.
Richtig episch wird es bei "Chaos". Dafür sorgt das dramaturgische Orchester zusammen mit dem Piano. Das hat sogar was von Filmmusik. Die letzen zwei Stücke gleiten dann eigentlich nur noch dahin, obwohl in "Razed To The Ground" noch heftig gerappt wird. Wer in "Funeral" - was gegen Ende einer Art Reprise des Openers gleichkommt - beerdigt wird, weiß ich nicht. Vielleicht die gesamte Menschheit, die an ihrer Kontrolle und ihrem Konsum erstickt? Jedenfalls klingt der Titel weniger nach Beerdigung, sondern mehr nach Neuanfang bzw. Geburt. Aber vielleicht ist das auch so gemeint…
Ein Album, bei dem die Musik zusammen mit dem Konzept rührt, bewegt, abschreckt.
Glanzleistung! 8 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Danny Griffiths (sound effects)
Darius Keeler (keyboards, orchestral arrangements, choir arrangements)
Dave Penny (vocals, keyboards)
Pollard Berrier (vocals, guitars, keyboards, sound effects)
Pete Barraclough (guitars)
Steve Harris (guitars)
Steve Davis (guitars)
Maria Q (vocals)
Jonathan Noyce (bass, moog bass)
Rosko John (rap-vocals)
Smiley (drums)
Ella Cook (backing vocals)
Graham Preskett (orchestral arrangements, choir arrangements, additional piano)
Tracklist |
01:Controlling Crowds
02:Bullets (Album Version)
03:Words On Signs
04:Dangervisit
05:Quiet Time
06:Collapse / Collide
07:Clones
08:Bastardised Ink
09:Kings Of Speed
10:Whore
11:Chaos
12:Razed To The Ground
13:Funeral
|
|
Externe Links:
|