1996 war die damals blutjunge Band Ash ein großes Thema für mich. Der zu jener Zeit erschienene Erstling "1977" lag zu Hause unterm Weihnachtsbaum und sollte mich fortan mit seiner jugendlichen Frische und Ausgelassenheit in den Bann ziehen. Die Songs offenbarten eine unverbrauchte Mischung aus Pop-Brillanz und Punk-Energie, so dass ich wochenlang nichts anderes mehr hörte. Brit Pop sowie Indie Rock waren vor 14 Jahren ja ohnehin die ganz großen Dinger, und das Trio aus Downpatrick, Nordirland konnte sich mit Songperlen à la "Goldfinger", "Girl From Mars", "Oh Yeah" oder "Angel Interceptor" einen dickes Stück vom Kuchen abschneiden - dieses Album und seine großartigen Songs haben bis heute nichts von ihrer Magie verloren.
Komischerweise aber verlor ich Ash in den folgenden Jahren komplett aus den Augen, sodass "1977" noch immer das einzige Studioalbum ist, welches sich im heimischen Plattenschrank befindet. Daher war mir auch neu, dass die Band nach dem Erscheinen von der letzten Scheibe "Twilight Of The Innocents" (2007) gänzlich vom Studioalbum-Modell abgewichen war und fortan nur noch Singles unters Fan-Volk warf. So sind zwischen dem 12. Oktober 2009 und dem 27. September 2010 im Zwei-Wochen-Rhythmus insgesamt 26 Singles (digital und im Vinyl-Format) erschienen, die nun, nach Ablauf dieser ca. einjährigen Zeitspanne, zusammengefasst auf zwei CD-Samplern als eine Art Retrospektive erscheinen (übrigens auf dem bandeigenen Label Atomic Heart Records).
Das Konzept ist dabei so einfach wie nachvollziehbar: 26 Singles hat man vorzuweisen, genauso viele Buchstaben hat das Alphabet - was lag da also näher, als auf jedem Silberling 13 Stücke unterzubringen und diese von A bis Z zu katalogisieren?! Hintergrund des Ganzen ist laut Bandkopf Tim Wheeler das im digitalen Zeitalter deutlich veränderte Musik-Konsumverhalten: Die Hörer würden mehr und mehr zu einzelnen Tracks denn kompletten Alben tendieren, zudem hätten viele Künstler darüber vergessen, wie ein ordentliches Album zu schreiben sei.
Man mag als 'altmodischer' Rock-Fan von diesem Standpunkt halten was man will, Wheeler und seine Mitstreiter Mark Hamilton und Rick McMurray scheinen überzeugt davon zu sein. Fürs Auto oder die Hausparty gibt's nun jedenfalls alle 26 Songs im bekannten CD-Format, damit man in den uneingeschränkten Hörgenuss kommen kann. Ergänzt wird das Ganze durch ausgesuchte Bonustracks, um einen zusätzlichen Kaufanreiz zu schaffen - das wird beinharte Fans, die die Singles in der Vergangenheit regelmäßig gekauft haben und nun wegen ein paar Songs nochmal zur Compilation greifen müssen, sicherlich verärgern. Wer bisher allerdings nur ein paar oder keine der Singles erworben hat, der bekommt auf "Volume 1" und "Volume 2" nun die Ash-Vollbedienung geboten: Die Silberscheiben sind ein qualitativ hochwertiger Rundumschlag.
Nichts anderes hatte ich aber von Ash erwartet, und so überzeugt der mir vorliegende zweite Teil "A-Z Vol. 2" von Anfang bis Ende mit gut- bis hochklassigem Material im wohlbekannten Soundgewand. Pop-Perlen wie Rock-Nummern sind hier gleichermaßen vertreten: "Mind Control", "Insects", "Physical Word" oder "Embers" bestechen mit schon aus den Band-Anfangstagen bekannten Fuzz-Akkorden und unvergleichlichen Pop-Melodien, und wer bei den herzerweichenden Indie-Balladen "Carnal Love" sowie "Change Your Name" nicht vor Sehnsucht zerfließt, dem ist wohl nicht mehr zu helfen - derartige Glanzmomente kannte man ja aber auch schon von "1977" (das traumhafte "Lost In You"). Dass Ash mittlerweile aber auch poppig-progressiv bewandert sind, beweist das zehnminütige, instrumentale Sound-Ungetüm "Sky Burial", das die gesamte musikalische Klasse der Gruppe ganz wunderbar zeigt.
Fazit: Für jemanden wie mich ist "A-Z Vol. 2" eine großartige Chance, das Potenzial von Ash wiederzuentdecken. Insgesamt wird auf dieser CD deutlich, dass Tim Wheeler, Mark Hamilton und Rick McMurray noch immer eine echte Songschmiede sind, mit der in Sachen Indie Rock unbedingt gerechnet werden muss. Das Trio ist nach wie vor eine fest etablierte Größe in diesem Genre, auch wenn es durch das veränderte Veröffentlichungsformat in der letzten Zeit möglicherweise etwas von der Bildfläche verschwunden ist. Beide Singles-Compilations bieten Fans wie Freunden guter Rockmusik jetzt die Gelegenheit, Ash mal wieder auf CD-Länge (hier: eine gute Stunde lang) zu erleben und in ganzer Brillanz auf sich wirken zu lassen. Wer damals "1977" mochte, wird jetzt auch mit "A-Z Vol. 2" zufrieden sein.
Anmerkung: Da die drei Bonustitel die einzig neuen Songs dieser Scheibe sind, ist es mir unverständlich, weshalb sie auf dem Rezensionsexemplar fehlen. Diese drei Songs, darunter das David Bowie-Cover "Teenage Wildlife", sind es schließlich, die potenzielle Käufer am meisten interessieren und über die man daher gerne mehr erfahren hätte.
Line-up:
Tim Wheeler (vocals, guitar, piano, programming)
Mark Hamilton (bass, synthesizer, backing vocals)
Rick McMurray (drums, percussion)
Tracklist |
01:N. Dare To Dream (5:06)
02:O. Mind Control (2:52)
03:P. Insects (3:49)
04:Q. Binary (4:05)
05:R. Physical World (2:50)
06:S. Spheres (6:07)
07:T. Instinct (3:52)
08:U. Summer Snow (3:30)
09:V. Carnal Love (4:01)
10:W. Embers (4:20)
11:X. Change Your Name (3:20)
12:Y. Sky Burial (10:17)
13:Z. There Is Hope Again (3:47)
Exclusive Album Tracks:
14:Teenage Wildlife
15:Spellbound
16:Nightfall
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Externe Links:
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