Die
Atlanta Rhythm Section bildete sich um 1970 herum aus Session-Musikern, die im Studio One in Doraville, Georgia ihre Brötchen verdienten. In den freien Zeiten, in denen sie nicht für andere Interpreten tätig waren, wurde fleißig komponiert und schon bald war genug Material für ein eigenes Album vorhanden. Die
Atlanta Rhythm Section war geboren und mit ihrem gleichnamigen Debüt 1972 sollte für sie ein furioses Jahrzehnt eingeläutet werden, das große Hits wie "So Into You", "Imaginary Lover" oder "Spooky" hervorbrachte, in einer Einladung bei Präsident
Jimmy Carter gipfelte und zu Auftritten in vollen Stadien und bei weiteren diversen Massen-Events (u.a. beim Knebworth-Festival in England zusammen mit u.a.
Genesis und
Tom Petty) führte.
Unvergesslich das Intro auf ihrem Live-Album "Are You Ready", bei dem einem unweigerlich noch heute eine Gänsehaut aufkommt. Das hier von mir besprochene Album "Quinella" aus dem Jahr 1981 stellte den letzten Versuch dar, die Band in der kommerziellen Spur zu halten, was jedoch nur mit mäßigem Erfolg gelang, lediglich das groovige "Alien" (eine Art Mischung aus "So Into You" und "Spooky") konnte noch mal Platz 29 in den Billboard-Charts erklimmen. Auch wenn die Band bis heute noch aktiv ist (wie sooft mit hoher Personalfluktuation, lediglich Keyboarder Dean Daughtry ist noch von den Gründungsmitgliedern dabei) und zwischendurch mal ein Album wie "Truth In A Structured Form" oder "Eufaula" nachschob, der Lack war, wie man so schön sagt, ab.
"Quinella" (übersetzt 'Zweierwette') halte ich für eines der meist unterschätzten Werke dieser Gruppe. Mit dem raffinierten Titelstück (tolles Slidespiel, HT-Geklimper), dem grandiosen Opener "Homesick" (mit dieser famos rockigen E-Gitarrenarbeit) und besagtem "Alien" bietet es gleich drei echte Hammerstücke. Auch das gut abgehende "Higher" ließ wunderbar
Buddie Buies (Produzent, Songschreiber) parallele Zusammenarbeit mit
38 Special durchschimmern, der Track hätte auch gut auf deren "Rocking Into The Night" gepasst. Selbst wenn der Rest etwas gediegener zugeht, das als Markenzeichen der Band gluckernde E-Piano und jede Menge filigrane E-Passagen mit vielen Twin-Einlagen (superbes Spiel von
J.R. Cobb und
Barry Bailey) ist ein Genuss für sich.
Und
Ronnie Hammonds weiche Stimme entfaltet sich auf Tracks wie "You're So Strong" (klasse Tempowechsel, tolle Songchoreografie), "Outlaw Music" (schönes Countryflair, grandiose, auf den Punkt gespielte E-Soli), "Pretty Girl" (wunderbares Strat-Solo, außergewöhnliche, falsettartige Harmonies von
Hammond in
Bee Gees-Manier) oder beim abschließenden "Going To Shangri-La" (Atmosphärenwechsel, kreischendes E-Solo, lässiger E-Ausklang) besonders gut. "Quinella", ein Album, das insgesamt sowohl rockt als auch viel Entspannung auf äußerst hohem musikalischen Niveau verschafft.
P.S.
Ich habe die Band dann mal Anfang der neunziger Jahre an einem unscheinbaren Sonntag Abend im bis dato nie besuchten und bekannten Hunky Dory im westfälischen Detmold live vor einem überschaubaren Publikum erleben können, als die Truppe mit
Hammond,
Bailey,
Daughtry und zwei jungen Burschen hier wie aus dem Nichts auftauchte. Wenige Stunden zuvor hatte ich noch an der TT-Platte um Zweitligapunkte gekämpft - danach Schläger in die Tasche, kurze Dusche, Fransenjeans an, Cowboyhut auf und ab zum Gig, der dann hoffentlich stattfinden mochte, es gab ja noch kein Handy, geschweige das Internet. Mann, waren das noch Zeiten...
Ronnie bezog mein von einem Airbrush-Künstler gefertigtes
Lynyrd Skynyrd-T-Shirt zur Ansage von "Large Time" ein (ich stand direkt auf Höhe des Mikros vor ihm und er sagte: "This is for
Lynyrd Skynyrd, I read it from a guy's T-Shirt."). Nach Konzertende gab es noch ein Bierchen zusammen mit ihm und dem Bassisten an der Theke. Ein sympathischer Typ, der allerdings, wie bekannt, in der Folgezeit schwere Alkohol-, bzw. Persönlichkeitsprobleme mit Suizidgefahr durchleben sollte (er provozierte einen Polizisten dazu, auf ihn zu schießen!), die mittlerweile allerdings jedoch wieder behoben zu sein scheinen.