Atrocity / Werk 80 II
Werk 80 II Spielzeit: 46:24
Medium: CD
Label: Napalm Records, 2008
Stil: Gothic Metal / Death Metal

Review vom 26.02.2008


Moritz Alves
Elf Jahre ist es her, dass Atrocity ihr 80er-Coveralbum "Werk 80" veröffentlichten. Nun erscheint endlich der von vielen Fans heiß ersehnte Nachfolger, der eigentlich schon seit ein paar Jahren fertig sein sollte. Abermals haben die Schwaben um Sänger und Bandkopf Alexander Krull dabei tief in der musikalischen Mottenkiste gewühlt und lassen die Pop-Hits einer Ära in neuem, metallischem Gewand wiederauferstehen. Während der erste Teil eher einen düster-elektronischen Fokus hatte, konzentriert man sich auf "Werk 80 II" auf symphonische Untermalungen. Mit Hilfe eines Orchesters sowie eines Chores wird den elf Klassikern zu ungeahnter, bombastischer Tiefe verholfen. Damit passt sich die Band übrigens hervorragend dem Sound ihrer letzten Alben an.
Atrocity haben sich, wie bereits beim Vorgänger von 1997, für genau elf Hits entschieden, die ein Jeder aus den Medien eigentlich in- und auswendig kennen dürfte, ist man die letzten Jahre nicht mit Ohrenstöpseln durch die Welt gelaufen. Denn Kult-Songs wie "Relax" (Frankie Goes To Hollywood, 1983), "Don't You (Forget About Me)" (Simple Minds, 1985), "The Sun Always Shines On TV" (A-Ha, 1985), "Fade To Grey" (Visage, 1980) oder "Forever Young" (Alphaville, 1984) werden auch heute noch häufig im Radio und in Diskotheken gespielt. Dieses Liedgut repräsentiert wie kaum etwas anderes die Dekade der 1980er Jahre und kann heute durch die Bank als Klassiker angesehen werden.
Atrocity liefern eine Glanzleistung ab: Die Produktion ist amtlich und die Hitdichte natürlich von vorn herein gegeben. Ob das nun jedem Metaller bzw. Popper gefällt, steht auf einem anderen Blatt. Ich zumindest finde die Idee ganz witzig, auch wenn ich ein solches Album sicher nicht ständig hören kann. Darüber hinaus ist es durchaus legitim, nach dem Erfolg des ersten Teils und nach über zehn Jahren einen Nachfolger rauszubringen, der abermals in die 80er-Kerbe schlägt. Dabei haben Krull & Co., ich erwähnte es weiter oben bereits, den elektronischen Anteil des ersten Teils zugunsten von klassischen Elementen (Orchester, Chor) zurückgeschraubt, was den Songs wunderbar zu Gesicht steht. Das sieht übrigens auch der Frontmann so: »Werk 80 II' ist dynamisch, lebendig und rockt wie die Hölle!«
Kommen wir an dieser Stelle aber genauer auf einzelne Songs zu sprechen. Während man das Albums fast komplett gut hören kann, sowohl nebenbei als auch aktiv beim Tanzen und Abrocken, gefällt mir trotzdem nicht jedes Stück rundum gut. Dass Krulls Stimme teilweise mit den Originalen nicht mithalten kann, wird besonders bei den Songs "The Sun Always Shines On TV" und "Forever Young" deutlich, denn Sängern wie Morten Harket bzw. Marian Gold kann man nicht einfach so das Wasser reichen. Diese beiden Stücke funktionieren im Atrocity-Gewand ansonsten aber derartig gut, dass die gesanglichen Abstriche weniger stark ins Gewicht fallen, denn die Atmosphäre der Originalversionen wurde wunderbar eingefangen. Und gerade der Alphaville-Klassiker ist sehr nah am Original angesiedelt.
Stücke wie "People Are People" (Depeche Mode, 1984) oder "Don't You (Forget About Me)" dagegen, scheinen dem Sänger wie auf den Leib geschneidert zu sein, denn hier passt wirklich alles. "Relax" besticht durch kräftige Gitarrenwände, rhythmischen Fußmaschineneinsatz und stellenweise fiese Vocals. Definitiv einer der derbsten Songs der Scheibe, gleichzeitig aber auch unglaublich opulent arrangiert. Ein weiteres Highlight ist auf alle Fälle auch "Fade To Grey", das verdammt intensiv daher kommt, unterstützt übrigens von der französischen Künstlerin Jensara Swann. Darüber hinaus muss ich auch "Such A Shame" (Talk Talk, 1984) erwähnen, dessen feine Gesangsharmonien von Krull bestens gemeistert werden. Das geile Gitarrensolo macht darüber hinaus ordentlich was her und verleiht dem Song eine besondere Note.
Unterm Strich haben es Atrocity also geschafft, ihrem 1997er Album "Werk 80" mit diesen elf Songs einen würdigen zweiten Teil folgen zu lassen. Ich kann mit fast allen Songs etwas anfangen, ausgenommen vielleicht dem NDW-Hit "Keine Heimat" (Ideal, 1982), der mir durch seine Nu Metal-Zitate sowie den Sprechgesang einfach nicht zusagen will. Im Allgemeinen haben es die Schwaben jedenfalls geschafft, die Stimmung der Originale gekonnt einzufangen. Gleichzeitig haben sie die Lieder durch den metallisch-bombastischen Sound aber so verändert und um musikalische Facetten erweitert, dass sie durchaus eine gewisse Eigenständigkeit erhalten haben. Deshalb ist "Werk 80 II" nicht einfach als reines Coveralbum anzusehen, bei dem die Lieder 1:1 nachgespielt werden, was mich persönlich sehr freut.
Als Gast ist übrigens Krulls Ehefrau und Leaves' Eyes-Sängerin Liv Kristine zu hören, die "The Sun Always Shines On TV" ihre Stimme leiht. Außerdem dürfte das Album-Artwork für Aufmerksamkeit sorgen, denn niemand anderes als Fetisch-Ikone und Burlesque-Künstlerin Dita von Teese räkelt sich auf dem Cover, was der Scheibe eine düster-romantische Optik verleiht.
Anmerkung: Der Vollständigkeit halber seien abschließend noch die Songs plus Originalinterpreten aufgeführt, die ich im obigen Review nicht extra genannt habe. "Smalltown Boy" stammt im Original von Bronski Beat (1984), "Hey Little Girl" bescherte den Australiern Icehouse 1982 einen Charterfolg und ein Jahr später, 1983, wurde "Here Comes The Rain Again" von den altbekannten Eurythmics als Single ausgekoppelt.
Line-up:
Alexander Krull (vocals)
Thorsten Bauer (guitar)
Mathias Röderer (guitar)
Nick Barker (drums)
Alla Fedynitch (bass)
Tracklist
01:People Are People (3:43)
02:Smalltown Boy (5:10)
03:Relax (3:48)
04:Don't You (Forget About Me) (4:28)
05:The Sun Always Shines On TV (4:49)
06:Hey Little Girl (4:27)
07:Fade To Grey (3:26)
08:Such A Shame (4:11)
09:Keine Heimat (3:45)
10:Here Comes The Rain Again (4:48)
11:Forever Young (3:49)
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