Eine Institution des Melodic Metal wird 20 - zumindest wenn man das 89er Debüt "Kingdom Of The Night" zu Grunde legt. Glückwunsch zum runden Geburtstag, Axxis, und Glückwunsch zu einem der besten Alben der Bandgeschichte! Bei "Utopia" brauchen die Fans keine Jubiläen zum Feiern - der musikalische Inhalt alleine sollte schon die Headbanger aus den Höhlen holen. Denn was die in NRW beheimatete Truppe, die nunmehr seit Jahrzehnten zur deutschen Metal-Szene gehört wie das Sauerkraut zum Kaiserbraten, hier abliefert, das zählt zum Allerfeinsten, was die hiermit elf Studiowerke umfassende Band-Diskografie zu bieten hat.
Vom bombastisch-druckvollen Titeltrack "Utopia" über die Powerballade "My Father's Eyes" bis zum Double-Bass-Rausschmeißer "Underworld" ist das ausnahmslos stark überdurchschnittliche Ware, was dem geneigten Fan melodischer harter Töne hier präsentiert wird. Mal geht die Reise eher in Richtung Melodic (Heavy) Rock, mal eher in Richtung (True) Metal, der durch die ein oder andere Keyboard-Hookline nicht im Entferntesten verweichlicht wird. Namedropping erspare ich mir - sind es doch Axxis selbst, die so viele andere Bands beeinflusst haben. "Utopia" ist aber der Beweis, dass auch so ein 'Original' nicht aus der Mode kommt und durchaus noch für den ein oder anderen Paukenschlag gut ist.
Die Scheibe läuft bei mir auf 'Constant Repeat'; und schon nach dem zweiten Durchlauf lieferte mir die innere Spieluhr beim Blick auf die Tracklist zu jedem Song-Titel die passende Melodie. Der Pattex-Faktor dieser Kompositionen ist schon immens - bestes Beispiel ist vielleicht die eindringliche Hymne "Heavy Rain", bei der man schon mitsingt, ohne den Text zu kennen. Und keine einzige dieser Nummern ist trotz unwiderstehlicher Eingängigkeit so platt wie "She Got Nine Lifes" vom letzten Album "Doom Of Destiny", das ich nicht unbedingt zu den inspiriertesten der Bandgeschichte zähle. Wenn wir schon beim Vergleich mit dem Vorgänger sind - auch das Wörtchen 'overplayed' ist dieses Mal genau das, was es sein soll, nämlich ein komisch klingendes Fremdwort.
Und noch eine markante Änderung: Die Kooperation mit Haus- und Hof-Gastsängerin Lakonia ist beendet. Auf den vorigen Alben war sie immer stärker in den Sound der Band involviert worden bis hin zu Duetten mit Frontmann Bernhard Weiss; offizielles Band-Mitglied wurde sie trotz eines prominenten Plätzchens auf Bandfotos jedoch nie. Nach meinem Geschmack war es speziell auf "Doom Of Destiny" auch ein Schuss zu viel Lakonia, der dem Ganzen stellenweise sogar einen etwas befremdlichen Goth-Touch verpasste. Auf Unterstützung vom schönen Geschlecht verzichtet man dennoch nicht: In den brillant produzierten, mehrstimmigen Power-Chören, an deren Spitze der unverwechselbare Bernhard Weiss tönt, klingt auch hier und da etwas Weibliches mit durch; ein paar opernhafte Solo-Spots bestätigen den 'Verdacht'.
Dass man seinem Stil treu bleiben kann, und dabei trotzdem mit neuen Ideen hausieren gehen darf, das beweisen Axxis nicht nur mit den experimentellen Keyboard-Klängen, die am Anfang des behutsam polysphärisch aufgebauten "For You I Will Die" stehen, oder mit "The Monsters Crawl", bei dem das besungene Unwesen mit 'Monster'-Growls antwortet - ein cooler Effekt, der schon bei Threshold ("Slipstream") und Kamelot ("March Of Mephisto") super funktioniert hatte. Insbesondere "Fass mich an" überrascht, denn der Text ist in deutscher Sprache verfasst!
»Fass mich an und vertraue mir,
denk daran, ich bin nicht von hier!
Fass mich an, und vertraue mir,
denn ich bin das Leben in dir.«
Das ist eine Premiere für Axxis, zumindest was die regulären Album-Tracks angeht - einen ersten Versuch gab's mit der Bonus-Zugabe "Engel aus Hass" vom Vorgängeralbum. Zugegeben, ein deutschsprachiger Text aus dem Munde von Bernhard Weiss erscheint zunächst gewöhnungsbedürftig. Doch schon ganz, ganz bald manifestiert sich dieser fesselnde Metal-Kracher mit unterkühlter Keyboard-Begleitung und mystisch anmutendem, weiblichem Gesangs-'Echo' als einer der Faust-in-die-Luft-Ohrwürmer schlechthin im Musikzentrum des Großhirns. 'Vorsicht', kann ich da nur allen Metal-Maniacs mit Knopf im Ohr sagen - »Fass mich an!«-Rufe laut in der U-Bahn oder Fußgängerzone... diese Botschaft kann missverstanden werden.
Das Personalkarussel hat sich auf der Schlagzeugerposition gedreht. André Hilgers ist inzwischen 'Ex- Axxis'. Der neue Mann heißt Alex Landenburg, seines Zeichens auch Drummer bei Mekong Delta sowie bei At Vance und Ex-Tourdrummer von Annihilator. Landenburg erweist sich als absoluter Glücksgriff für die Gruppe. Nicht nur, dass das Schlagzeug in dem super Soundmix von "Utopia" so prächtig ballert, wie man es selten erlebt. Auch zum Anspruch der Band, keine eintönig leiernden Stücke abzuliefern, passt sein Spiel bestens - vor und nach den zahlreichen Breaks, bei Pre-Chorussen und sonstigen schmackhaften Variationen schlagen die Stunden seines Prog-infizierten Powerplays.
Und jetzt noch ein Tipp: Unbedingt die Limited Edition kaufen! Sie bietet zusätzlich zwei Tracks, die das heavy Hörvergnügen um insgesamt gut 16 Minuten verlängern. "Taste My Blood" ist ein von Gitarrist Marco Wriedt und Basser Rob Schomaker beigesteuerter Song mit herrlich optimistischer Atmo. Und dann natürlich noch der "20 Years Anniversary Song" - ein Highlight! Ein mehr als zwölf Minuten langes Medley mit den herausragenden Live-Stimmungsmachern der Band, unter anderem "Kingdom Of The Night" und "Stay Don't Leave Me", eingerahmt von "Little Look Back", das das Greatest-Hits-Potpourri eröffnet und beendet. Ex-Gitarrist Walter Pietsch frickelt die Soli; und als Sänger geben diverse Freunde und langjährige Wegbegleiter der Band ein Stelldichein: Andi Deris ( Helloween), Schmier ( Destruction), Claus Lessmann ( Bonfire), David Readman( Pink Cream 69), Doro und Rolf Stahlhofen von den Söhnen Mannheims, einst Tourmanager der Band, geben einander die Klinke in die Hand - abwechselnd, zusammen, als Lead-Sänger, mit Backing-Vocals, im Chor... eine Mega-Stimmung und Party ohne Ende!
Die Schlussworte des Geburtstags-Ständchens, ungekürzt, um sie fett zu unterstreichen:
»20 years of Axxis - and 20 more to come!«
Prost!
Line-up:
Bernhard Weiss (vocals)
Harry Oellers (keyboards)
Rob Schomaker (bass)
Marco Wriedt (guitar)
Alex Landenburg (drums)
Tracklist |
01:Journey To Utopia (1:41)
02:Utopia (4:01)
03:Last Man On Earth (4:53)
04:Fass Mich An (5:12)
05:Sarah Wanna Die (5:56)
06:My Father's Eyes (4:42)
07:The Monsters Crawl (4:46)
08:Eyes Of A Child (4:34)
09:Heavy Rain (4:34)
10:For You I Will Die (5:32)
11:Underworld (3:56)
Bonus Tracks:
12:Taste My Blood (4:22)
13:20 Years Anniversary Song (12:18)
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