Bernard Allison Group / The Otherside
The Othersid Spielzeit: 56:51
Medium: CD
Label: jazzhaus records, 2009
Stil: Blues

Review vom 22.01.2010


Wolfgang Giese
Ein saustarker Einstieg … das erinnert mich an Freddie King und an Blues der frühen 60er Jahre.
"Send It In", das ist also einer jener Titel, wie ich ihn von Bernard mag, da quillt Bluesfeeling aus den Boxen, das hat etwas von der Coolness und der Lässigkeit, verbunden mit druckvoller und vorantreibender Spielweise, wie ich den Musiker einst kennen und schätzen lernte. Doch warum ist das Teil so verdammt kurz?
Trotzdem ein vielversprechender Einstieg. Doch wird dieses Versprechen im Verlauf der Platte auch eingelöst?
Um mich nicht in irgendwelchen Wiederholungen zu ergehen, Fakten, die in der Vergangenheit immer wieder genannt wurden - es ist die noch immer 'unendliche Geschichte' der Selbstfindung eines Musikers, die für mich nach mehrmaligen Anhören dieser Platte irgendwie noch immer nicht abgeschlossen ist.
Stand er zu Beginn stark im Schatten eines übermächtigen Vaters, gab es dann solche Versuche wie "Funkifino", im Übrigen eine seiner besten Scheiben, wenngleich auch mehr funk- denn bluesverwurzelt - möglicherweise ein Meilenstein auf dem Weg, einen eigenen Ausdruck zu finden.
Es ist, wie es ist: Bernard mischt, wie auf dem Vorgängeralbum Chills & Thrills, noch immer Blues mit Funk, Rock und Pop. Insofern eigentlich keine Weiterentwicklung, nicht einmal eine Vertiefung, wie ich feststelle.
Bernards Funk ist auf dieser Platte recht lau. Zum Beispiel schleppt sich ein Titel wie "Tired Of Tryin'" mit einem Drumsound, als wären es programmierte Rhythmen, die sich anhören, als hätte ein nasser Sack auf dem Schlagzeug gelegen, sehr berechenbar und für mich uninspiriert über die Zeit. Selbst Bernards an sich gutes Solo vermag mich nicht hochzuschrecken. Wo bleibt hier der Druck? Das Keyboard, vom Sound her an einen Mittsiebziger-Jahre Stevie Wonder erinnernd, quirlt sich auch mehr recht als schlecht durch das Stück. Und schon wieder ausgeblendet, ich fühle mich hier so gar nicht angesprochen, Klasse hat das jedenfalls nicht.
Besser kommt da schon der nächste Titel, "As Simple As That", hier kommen leichte Popelemente hinzu. Dieses Stück erinnert mich an Robert Cray, doch der hat das in der Regel überzeugender gebracht. Jedenfalls ist das nicht der Weg, den Bernard einschlagen sollte. Das ist nicht sein Terrain!
Der Titelsong, der einerseits zwar wieder etwas druckvoller kommt, enttäuscht mich aber letztlich auch, da swingt überhaupt nichts, und so richtig rockige Atmosphäre ist auch Fehlanzeige. Das ist irgendwie wieder ein versuchter Soul- und Funkansatz, aber der pappig und steril anmutende Rhythmus kann diesen Ansatz nicht zur Vollendung bringen. Das wundert mich um so mehr, als dass ein farbiger Drummer beteiligt ist, von dem ich eigentlich mehr erwartet hätte, in dieser Hinsicht.
Der "Slidemaster" kommt allenfalls wie ein Lehrstück für Anfänger, die Grundlagen des Slidespiels erlernen wollen, und wieder auf diesem pappigen Rhythmus, der so gar nicht federt. Bernards Solo ist gut, aber wo ist das Feuer, das man gerade bei seinen Live-Exkursionen an der Slidegitarre mit dem absoluten 'Gänsehautfaktor' hat erleben können? Hier wirkt er völlig eingeengt. Einen "Slidemaster" erlebe ich hier jedenfalls nicht.
So langsam stellt sich mir die Frage, wer hier schuld ist, oder zumindest verantwortlich. Liegt es am Produzenten?
David Z., so sein Name, ein Mann, der bereits Prince, Etta James oder die Fine Young Cannibals produzierte. In den Achtzigern soll er, so las ich, stark verantwortlich gewesen sein für die Entwicklung von »drum machines, loops and samples«, was zumindest den auf dieser Platte vorhandenen spröden Drumsound erklären mag.
"Allison Way", dann einer der für mich positiven Titel, wird hier doch wieder mehr dem Blues gefrönt und schon eher das gewisse Feeling verbreitet. Bernard singt auch mit viel Gefühl, interessant hier die Verfremdung der Stimme, so als wäre die Gesangsspur in den Vierziger Jahren entstanden. "Still Rainin'", ein Stück des Keyboarders (singt er hier auch?), das klingt teilweise wie ein nur simpler Pop-Rock-Song, der ein wenig Groove hat.
"Leavin' The Bayou": Auch diese Nummer lässt hoffen. Trotz des auch wieder störenden Drumsounds ein feines Feeling, auch im Gitarrenspiel. Da singt auch nicht Bernard, sondern ein Musiker der 'alten Schule', nämlich Lonnie Brooks, der auch Gitarre spielt. Neben dem verheißungsvollen Opener der dritte Track, der mich anspricht, da kommt die Musik inhaltlich 'stimmig', das ist etwas, das zu Bernard passt.
Auch perfekt gelungen sind für mich das stampfend-shuffelnde "Life Goes On", und das ähnlich inspirierende "Clear Vision", mein Lieblingstitel der Scheibe - das ist wahres Bluesfeeling, das hier transportiert wird - sowie das dramatisch auftrumpfende "Let's Try It Again", von Luther geschrieben, ein Slow Blues mit Ausdruck.
Über "Fire" von Altmeister Jimi Hendrix kann man geteilter Meinung sein. Gottlob kein Versuch einer Kopie des Originals, aber ein Geniestreich ist das auch nicht, interessant gemacht ist diese Version jedoch, wie ich finde.
Nun denn, viel durcheinander im Gemisch, das Ziel könnte sein, die verschiedenen Elemente zu einem einzigen Sound zu verschmelzen, doch sie stehen hier teilweise belanglos nebeneinander, und das ist für mich keine gelungene Synthese hin zur Prägung eines eigenen und unverwechselbaren Stils. Also - Bernard ist für mich weiterhin auf der 'Straße des Suchenden".
Klar, live gespielt werden sich meine einzelnen Kritikpunkte wahrscheinlich relativieren, der 'Live-Bernard' ist ein ganz anderer, als es der 'Studio-Bernard' hier ist.

Im übrigen noch ein kurzes Statement zum Saxofonspieler der Band, Jose Ned James. Als Jazzliebhaber fällt es mir immer schwer, eine relativ objektive Aussage zu Saxofonspielern außerhalb dieses Genres zu treffen. Vom Standpunkt der Kreativität von 'Jazzsaxern' aus betrachtet, ist es keine grossartige Vorstellung, die hier geboten wird.
Darüber hinaus nimmt James nicht eine solch wichtige Stellung innerhalb des Sounds ein, wie es etwa der Fall war bei frühen Aufnahmen von John Mayall, der auf "A Hard Road" und "Crusade" bereits Blasinstrumente integrierte, die stark verantwortlich für den Gesamteindruck waren. So nicht hier: Zu wenig scheint mir der Saxer in den Arrangements verankert. Auch legt er keine sehr brillante solistische Leistung vor. Das soll nichts über seine Qualitäten als Musiker aussagen, denn ich habe ihn noch nicht in anderer Umgebung gehört. Im Gesamtkontext stört mich der Saxofoneinsatz sogar mitunter und ich halte ihn für schlichtweg überflüssig.
Bis auf "Life Goes On" oder auf "Clear Vision": Da gibt es jeweils einen kurzen treffenden Einsatz. Das passt. Auch im Arrangement des ersten Titels ist das ganz prima gemacht! Weiter so, bitte!
Zugute halten mag man da dem 'Chef', dass er sich nicht allein vordergründig präsentiert, er lässt den anderen Solisten Freiraum, und das halte ich für sehr lobenswert. Insofern mag zu erklären sein, dass das bekannte Feuer der Gitarre meistens ausbleibt, der Gitarrist integriert sich in den Sound mit einigen kleinen Ausflügen.
Das ist jedoch für einen Bluesmusiker aus meiner Sicht eher ungewöhnlich, und ob das zur Ausprägung eines Stils mit Wiedererkennungswert auf diese Weise dienlich ist, das wird die Zukunft zeigen. Ich meine, denkt man an Bernard Allison, werden einem meistens eher die Konzerte, als die letzten Schallplatten spontan einfallen, oder?
Und im allgemeinen noch einmal: Schade, dass so viele Tracks einfach ausgeblendet werden. Das ist eine normale Angelegenheit in chartsorientierten Pop-Bereichen, aber hier muss das nicht sein.
Fazit: Aus den Fußstapfen seines Vaters ist Bernard längst herausgewachsen, ausfüllen kann er sie, legt man diese Platte zugrunde, nicht.

Wie ich andernorts las, wird das neue Album als positive Fortsetzung der Vorläuferplatte, "Chills & Thrills" beschrieben. Dieses Urteil kann ich leider nicht teilen, da gefällt mir "Chills & Thrills" in seiner Gesamtheit doch wesentlich besser!
Für alle jene, die mit dem Musiker durch diese Platte erstmalig in Kontakt kommen, sicher eine sehr interessante Ausgestaltung des Blues. Wer ihn jedoch schon länger kennt, und solche hervorragenden Platten wie "Born With The Blues" (identisch mit "Keepin' The Blues Alive") hat kennen lernen dürfen, sollte diese Scheibe mit etwas kritischen Augen betrachten.
Für mich persönlich bleiben 5 Treffer bei 13 Titeln.
Line-up:
Bernard Allison (guitars, lead vocals)
Michael Goldsmith (guitar)
Bruce B. McCabe (keyboards, accordion, lead and background vocals)
Jassen Wilber (bass)
Erick Ballard (drums)
Jose Ned James (saxophones, percussion, background vocals)
Lonnie Brooks (vocals, lead guitar - #9)
Cheryl Magnell (background vocals - #4, 5, 8, 11)
Tracklist
01:Send It In (Allison) 1:38
02:I Wouldn't Treat A Dog (The Way You Treated Me) (Walsh, Omartian, Price, Barri) 3:41
03:Tired Of Tryin'(Allison, Goldsmith) 4:48
04:As Simple As That (McCabe) 3:15
05:The Otherside (Allison) 3:52
06:Slide Master (Allison) 5:12
07:Allison Way (Allison) 4:41
08:Still Rainin' (McCabe) 5:40
09:Leavin The Bayou (Allison) 5:18
10:Life Goes On (Allison) 3:34
11:Fire (Hendrix) 3:58
12:Clear Vision (Allison) 4:23
13:Let's Try It Again (Luther Allison) 6:24
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