Samstagabend, 23.15 Uhr. Drei Jungs, die ihre besten Jahre schon hinter sich haben, dies aber hartnäckig nicht wahrhaben wollen, halten mit ihrem uncoolen Hausfrauenauto am Außenschalter einer berühmt berüchtigten amerikanischen Burgerkette und bestellen 6 Cheeseburger. Der Fahrer kann es nicht fassen, denn er ist gut abgefüllt mit alkoholfreiem 'Plörbier' einer ebenfalls berühmt berüchtigten Brauerei aus Bremen und der Beifahrer begnügt sich ganz bescheiden mit nur einem Exemplar von etwas undefinierbarem, was dem entgeisterten Fahrer soeben von der freundlichen Verkäuferin als Cheeseburger angedreht wurde.
Somit wird vor allem im Fond fröhlich getafelt und die Fahrt geht durch die eisige Nacht zurück nach Oldenburg. Alsbald sind die drei Schwerenöter in Diskussionen darüber verstrickt, was auf dieser Welt wirklich von Bedeutung ist: Wie reiße ich mit größtmöglicher Geschicklichkeit und Erfolgsaussicht Frauen auf?
Dabei kommen alle drei gerade von einem Konzert im Wilhelmshavener Kulturzentrum 'Pumpwerk', wo der musikalisch aktivste Sprössling der leider bereits vor 10 Jahren verstorbenen Blueslegende Luther Allison das Haus gerockt hatte. Bernard Allison und seine Band hatten ihre Visitenkarte abgegeben und wir unterhalten uns über die besten Strategien, wie das weibliche Geschlecht zu erobern sei.
Irgendetwas muss da schief gelaufen sein. Okay, das Publikum war in meinen Augen gemischter und letztendlich auch jünger, als auf vielen Blues- und Rockkonzerten, die ich bis dato besucht hatte. Meine beiden Mitstreiter sahen das anders und sprachen recht schnell von einer Überrepräsentanz pensionierter oder alternder Studienräte. Natürlich gerne in Begleitung mit der besseren Hälfte. Auch sonst war es erfreulich festzustellen, dass nicht nur Männer sich dem konzertanten Ereignis hingaben. Aber keine Frau ohne männliche Begleitung. Das kann schon deprimierend sein und dafür sorgen, dass nach dem Konzert ganz andere Themen als die Musik in den Vordergrund rücken.
Liegt es also an uns, dass wir eine bittersüße und doch höchst amüsante Rückfahrt haben, als kämen wir gerade von einer der unzähligen Ü30-Parties, und das vorher erlebte Konzert gar keine Rolle spielt? Oder stimmte an dem Konzert selber etwas nicht?
Halt, wir waren immerhin fast die Letzten, die das Kulturzentrum 'Pumpwerk' schlussendlich verließen, ein Kollege hatte sich noch recht ausführlich mir dem Bassisten Jassen Wilber unterhalten und Bernard Allison kam höchstpersönlich zu unserem Stehtisch, drückte uns allen die Hand und bedankte sich für unser Kommen. Eine sehr sympathische Geste!
Kurz zuvor hatten wir sehr wohl unsere individuellen Eindrücke zum Konzert ausgetauscht. Sie reichten von "eher enttäuschend", über "solide gespielt, toller Gitarrist, aber heute hätte mich eh nix wirklich vom Hocker gehauen" bis hin zu "immerhin eines der besseren Konzerte von ihm". Da wir alle drei Bernard Allison beileibe nicht zum ersten Mal gesehen hatten, gingen wir auch durchaus differenziert in die Manöverkritik. Zunächst waren da des Häufigeren synthetische Bläser, die zwar sehr gut zum jeweiligen Song passten, aber natürlich wesentlich besser und organischer rüber gekommen wären, hätten leibhaftige 'Blechtröter' auf der recht großen Bühne gestanden.
Dann vermittelte eigentlich keiner der vier Protagonisten eine großartige Bühnenpräsenz, das Auge hatte schlicht nicht viel zu tun, es fehlte einfach eine gewisse 'Anmache'.
Musikalisch gefiel meinen beiden Mitstreitern eher der erste Teil des Sets, welches in seiner Gesamtheit übrigens gänzlich ohne Pause gespielt wurde. Stattdessen bekamen der ziemlich neu in der Band trommelnde Andrew Thomas und der schon länger involvierte Jassen Wilber ausführliche Solospotlights, die aber beide nicht gerade durch übermäßige Originalität auffielen. Also durchaus Zeit, sich mal n' neues (Plör-)Bier zu organisieren oder selbiges wegzubringen.
Diese erste Hälfte war vor allem Songorientiert und bot inhaltlich ungefähr das, was auch auf der aktuellen Live-CD/DVD Energized nachzuhören und zu sehen ist.
Die zweite Hälfte war dann mehr von instrumentalen Exzessen geprägt, allen voran Bernard Allisons bereits legendäre 'Talking Guitar', sein höllischer Soloritt auf der Slide, ganz in alter Tradition des Herrn Papa mitten durchs Publikum, seine stark Hendrix-geprägte 'Wah Wah Action' (u.a. "Voodoo Chile") und eine Tour de Force auf der Elektrischen durch die große Geschichte der Rockmusik mit vielen Zitaten aus beispielsweise "La Grange", "Smoke On The Water", "Sunshine Of Your Love", "Baby Please Don't Go". Auch der gute alte Bo Diddley war herauszuhören, sowie einiges, was ich in der Hitze des Gefechts so schnell nicht zuordnen konnte.
Hier demonstrierte Allison seine ganze Klasse auf den 6 Saiten und seine beträchtlichen musikhistorischen Kenntnisse, konnte aber trotzdem, und da waren wir drei uns absolut einig, nicht den berühmten Funken zünden. Ein Kollege sprach davon, dass Allison bei der ganzen 'Schrubbelei' nicht auf den Punkt gekommen sei, ich persönlich hielt die gesamte Bandkonstellation für ungeeignet, um ins Jamrock-Fach zu wechseln. Das können andere wesentlich besser und spannender. Und ich outete mich als Verfechter der These, dass Bernard Allison eindeutig ein Rocker sei und eben nicht ein Blueser. Das unterscheidet ihn ja grundlegend von seinem Vater. Und zusätzlich gab Bernard schon immer seine Affinität zum Funkrock zu erkennen. So war es freilich auch an diesem Abend.
Ich persönlich bin der Meinung, dass er seinen musikalischen Vorlieben konsequenter nachgehen sollte. Ich kann mich an ein mitreißendes Funkrock-Konzert erinnern, das Bernard Allison zur damaligen "Funkifino"-Scheibe (1995) mit echtem(!) Gebläse in der ländlichen Oldenburger Provinz zum Besten gab und auch an einen spektakulären Auftritt im Zuge seiner 'Across The Water' (2000)-Tour, für mich bisher seine stärkste Platte, mit der er sich am signifikantesten freigeschwommen hatte, gleichzeitig sehr gefällig, unsperrig und fließend rüberkommend und definitiv nix für Bluespuristen.
Dieser Gig war allerdings bereits mit vielen Ingredienzien ausgestattet, die wir jetzt auch in Wilhelmshaven wieder erlebten, mittlerweile jedoch durch einige Abnutzungserscheinungen weitaus weniger spektakulär ausfallend, zumindest von der Wahrnehmung her.
Und so begab es sich, dass drei alternde Jungs mit Flausen im Kopf sich auf der Rückfahrt kommunikationstheoretischen Verbandelungsmodellen hingaben und Bernard Allison mit seiner Combo fast schon vergessen war.
Bis zum nächsten Gig in unserer Nähe, denn dann sind wir bestimmt wieder dabei. Wir Deutschen sind schließlich ein veränderungsunwilliges Volk und setzen viel auf Sicherheiten und Altbewährtes.
Diese Sicherheiten sind bei Bernard Allison sehr wohl zu bekommen, und das auf einem sehr soliden Niveau.
Bilder vom Konzert
|