Spielzeit: 53:05 Medium: CD Label: Rounder Records, 2011 Stil: Blues Review vom 27.01.2011 Steve Braun

Wenn einem Mann das Recht zugestanden werden kann, den Blues zu haben, dann ist dies wohl Gregg Allman. Im Herbst 2007 schwer an Hepatitis C erkrankt, laborierte er jahrelang körperlich sehr geschwächt an den Folgen. Auftritte mit seiner Allman Brothers Band mussten auf wenige Termine im Jahr geschränkt werden - eine Horrorvorstellung für einen Vollblutmusiker. Als Allman Anfang 2010 mit den Aufnahmen zu "Low Country Blues" begann, hatte er wohl schon dem Sensenmann ins Notizbuch geschaut. Eine riskante Lebertransplantation wurde unumgänglich. Was steckt also hinter diesen zwölf Songs? War sich Allman bewusst, dass er hier möglicherweise an seinem Vermächtnis arbeitet? Keine Ahnung, aber diese schwerblütige Stimmung, diese packenden und dichten Produktionen lassen mich nicht kalt...

Wenn so ein Mann ins Studio geht, lassen die angefragten Weltklassemusiker natürlich alles stehen und liegen. Produziert hat der fünffach Grammy-dekorierte - zuletzt für Allison Krauss'/Robert Plants Raising Sand und B.B. Kings "One Kind Favor" (beide 2008) - T-Bone Burnett. An der Klampfe agiert der unnachahmliche Doyle Bramhall II, zu dem wohl keine Worte notwendig sind - wie auch zur New Orleans-Legende Dr. John, dessen Arbeit am Piano wieder einmal unverwechselbar ist. Die Rhythmusabteilung besteht aus den langjährigen Burnett Spezln Dennis Crouch (bass) und Jay Bellerose (drums), die ebenfalls auf dem bereits angesprochenen "Raising Sands" mitwirkten. Wenn eine solche Combo im Studio steht, braucht man sich um das Ergebnis nicht zu sorgen...

Bislang war Gregg Allman auf seinen Solopfaden eher dem R&B und Soul zugeneigt. Dass er nun ein reines Blues-Album aufgenommen hat, führt ihn zurück zu seinen Wurzeln. Schließlich war die ABB in ihren Anfangszeiten eher dem Blues verpflichtet. Für "Low Country Blues" hat er sich elf Blues-Standards gewidmet - lediglich "Just Another Rider" ist eine Eigenkomposition unter
Warren Haynes' kompositorischer Mithilfe.
Nun mag der eine oder andere lästern, dass dem guten Gregg möglicherweise die Ideen für eigene Songs ausgegangen seien. Das letzte ABB-Album, "Hittin' The Note", erschien vor fast acht Jahren - neue Töne sind seitdem Fehlanzeige. Gemach, gemach: Der Mann war schließlich schwer krank! Seit der erfolgreichen Lebertransplantation am 23. Juni 2010 sprüht der 63-jährige allerdings wieder vor Tatendrang, als hätte er an diesem Tag ein zweites Leben geschenkt bekommen. Mit seiner Gregg Allman Blues Band geht er sogar wieder auf Tour und brennt darauf - wie er in einem Billboard-Interview kundtat - die Fortsetzung von "Low Country Blues" aufzunehmen.

Das Cover zeigt Gregg Allman fast trotzig auf einer regennassen Magnolienallee, sicherlich im heimatlichen Richmond Hill/Georgia, stehend: Seht her - ich bin noch da!
Mit "Floating Bridge" wird zunächst ein uralter Track von Sleepy John Estes (1904-1977) dargeboten. Sparsam mit Upright Bass, Piano, Gitarre und Cajon instrumentiert, steht Allmans brüchige Stimme ganz im Vordergrund. Diese klingt noch zerbrechlicher als zuletzt auf diversen Live-Veröffentlichungen. Junior Wells' Zwölftakter "Little By Little" ist da schon wesentlich bekannter. Schnörkellos-direkt hält man sich ziemlich eng am Original. "Devil Got My Woman" - im Original von Skip James (1902-1969) - steigt tief in den Memphis-Blues ein. Mit der unergründlichen Melancholie des Südens trägt Allman diese 1931er Sessionaufnahme vor. Seine Stimme klingt etwas zittrig-dünn, erinnert aber sehr schön an James' Falsettstimme. Doyle Bramhall IIs einfühlsame Gitarrenarbeit ist hierbei geradezu bestechend!

Muddy Waters' "I Can't Be Satisfied" dürfte wohl jedem Bluesfreund bekannt sein. Erstmals wird's mit Dr. Johns fröhlich klimpernden Piano etwas lebhafter. Den R&B-Stil von "Blind Man" (Bobby 'Blue' Bland) - angereicht durch dezent agierende Bläser - kennen wir bereits von Gregg Allmans früheren Solo-Scheiben. "Just Another Rider" schließt hier nahtlos und folgerichtig an. Besonders schön kommt hier Warren Haynes' distinguiertes Gitarrenspiel zur Geltung.
"Please Accept My Love" von B.B. King braucht man auch nicht näher vorzustellen - die Bläser sorgen hier allerdings für einen etwas 'souligeren' Anstrich als im Original. Ein Traditional eines unbekannten Bluesmusikers des frühen zwanzigsten Jahrhunderts hat man mit "I Believe I'll Go Back Home" ausgegraben. Das gleichförmige Thema entwickelt einen geradezu hypnotischen Reiz.

"Tears, Tears, Tears" des Blues-Pianisten Amos Milburn (1927-1980) verschmilzt einen Slow Blues mit 'cremigem' Soul. Dr. John klimpert herzzerreißend auf seinem Piano während Allmans wahrhaft seelenvolle Vocals zu Tränen rühren können. Magic Sams (1937-1969) "My Love Is Your Love" intoniert lupenreinen Chicago Blues. Besonders gefällig fällt hier der Gospelchor sowie die musikalische Zwiesprache zwischen Bramhall II und Dr. John auf.
Auch den Otis Rush'schen Slow Blues "Checking On My Baby" darf man als durchaus bekannt voraussetzen. Was einem mit dem Traditional "Rolling Stone" geboten wird, haut den Hörer da schon etwas mehr vom Hocker. Hier wird gute sieben Minuten lang über ein simples Thema 'gejammt' bis sich ein Trance-ähnlicher Zustand einzustellen scheint - eine Klassenummer zum Abschluss einer Klassescheibe!

Blues-Traditionalisten werden mit Gregg Allmans "Low Country Blues" allerbestens bedient - ABB-Fans dürften ihre Sammlung komplettieren wollen - Bluesfreunde, die härtere Gangarten bevorzugen, sollten ein Ohr riskieren.

Nachtrag:
Da mir zur Besprechung nur eine CD-R ohne Booklet vorlag, bitte ich die Einschränkungen im Line-up (Bläser, background vocals) zu entschuldigen!

Line-up:
Gregg Allman (vocals, Hammond B3)
Doyle Bramhall II (guitars)
Dr. John (piano)
Dennis Crouch (bass, upright bass)
Jay Bellerose (drums)
Gäste:
Warren Haynes (guitar - on #6)
und andere...