Es gibt Rocknächte, bei denen ist man einfach saugut drauf. Nicht weil die Künstler die Größten sind, ein ununterbrochener Adrenalinpush Fans und Band ständig an den Rand des kollektiven Herzinfarkts treibt, es zur Einführung der ultimativen neuen Biersorte Freibier ohne Ende gibt oder weil dich plötzlich eine schnuckelige Braut in die nächste dunkle Ecke zerrt. Nix davon, am Freitag in der Kult-Halle hat einfach alles gepasst. So, dass sogar die alten Knochen wieder zu tanzen angefangen haben.
Angesagt war als Haupt-Akt die Gwyn Ashton Band und als Support die lokale Dirty Heckel Band, die ich beide noch nicht kannte. Letztere hat in unserer Szene einen Ruf als die absolute Brassrock-Formation und war schon lange vorgemerkt.
Auch Gwyn Ashton ist den Fans im weiteren Umkreis kein Unbekannter, tourte er doch schon mehrfach in Thüringen (s. Ilkas Bericht vom Erfurter Museumskeller) und zuletzt auch im nahen sächsischen Plauen. Das 'Kult', erst im September eingeweiht, ist eine nahezu ideale Veranstaltungshalle. Das Fertigbaugebäude im Gewerbegebiet war wohl vorher eine Reparaturwerkstatt für LKWs oder so ähnlich. Daraus wurde jedenfalls eine sehr angenehme Location. Lt. Homepage zugelassen bis 900 Personen, wenn die Galerie, die über zwei Seiten verläuft, dazu gezählt wird. Schaut euch doch einfach mal den Plan und die Fotos auf der schönen HP an, dann könnt ihr euch selbst ein Bild machen. Mit ein paar hundert Leuten wär´ sie gut besucht, am Freitag kamen leider grad so Einhundert (hoffentlich war nur der Wintereinbrauch daran schuld).
Trotzdem kam kein Gefühl der Leere auf, weil der Laden wirklich gut strukturiert ist, mit einem T-förmigen Tresen, der in den Saal bis nahe an die Bühne reicht. Es hat ausreichend Toiletten, eine Bar und zumindest einen Automaten der etwas Essbares hergibt (zu meiner Verblüffung auch kleine Dosen mit pikanten spanischen Oliven). Der Veranstalter macht sich viel Mühe, ausgesprochen nettes Personal und Getränkepreise, über die man nicht reden muss. Das Pils der Hausbrauerei (leider die verkehrte Sorte …) gibt es in drei Versionen mit unterschiedlichem Alkoholgehalt, aber dafür mindestens vier verschiedene, leckere Weizen (=Weißbier für alle Nichtfranken). Und auch das Publikum war gut drauf.
20:00 Uhr bzw. 20:30 Uhr war offizieller Beginn, bis 21:15 tat sich aber gar nichts. Dann machte sich ein älterer Typ mit weißblonder Mähne und Schal, offensichtlich sehr kurzsichtig, auf der Bühne zu schaffen, der mich sehr an Johnny Winter erinnerte. Es stellte sich heraus, dass es Guthrie Kennard, der Basser von Gwyn Ashton war. In den USA ist Guthrie als Songwriter bekannt.
Er hängte sich eine Akustikklampfe um, brummelte zunächst eine Litanei von Blues- und Rockgrößen herunter und erwähnte anschließend was von Austin, Texas.
Hans-Peter Mehnert (die 'vierte Gitarre' von Flatman) half mir später die Ansage zu dechiffrieren. Die Band kam wohl grad frisch aus dem Süden der Staaten und war auch klamottenmäßig so gar nicht auf 'Bayerisch Sibirien' eingestellt, wie das Hofer Land auch genannt wird.
Die Aufzählung der Namen waren wohl die Partner, mit denen die Band (oder zumindest der Chef) schon gespielt hatte. Und das ist wirklich eine lange Latte, wenn man sich die Biografie von Ashton anschaut. Er ist übrigens gebürtiger Waliser und nicht Aussie, wie allgemein angekündigt. Er ist zwar auf dem 5. Kontinent aufgewachsen und hatte dort seine ersten Bands, war aber dann wohl schon sehr bald on the road in vielen Ländern. Heute ist seine Adresse wieder im U.K..
Also, Guthrie Kennard war der Vorspann. Etwas sehr verloren wirkte er schon allein auf der Bühne und hatte auch Probleme, einen ersten Kontakt zum Publikum herzustellen. Als Storyteller machte er keine schlechte Figur, aber vom Hocker konnte er damit noch keinen runterbekommen. Angenehme Stimme, ansprechendes Fingerpicking. Sein Gebrummel war aber leider so unverständlich, dass die Leute nicht mal mitbekamen, als er sich nach einigen Songs verabschiedete. Er tauchte jedoch schnell wieder mit Ashton und Drummer Paul King (Ex- Paul Kossoff Band) auf und hatte dann sichtlich mehr Spaß.
Mit "I promise not to play too loud" begrüßte der wohl in vielen Bühnenschlachten erprobte Gitarrenmann die etwas erstaunten Gäste, was er auch hielt und trotzdem einen Powergig ablieferte. Welche Songs er spielte, muss ich leider schuldig bleiben, da er die kaum ansagte und ich auch keine CD von ihm besitze. Später nach der Playlist gefragt, meinte er "is only in my head".
Egal, ich nehme an, auch die RT-Leser werden sein Repertoire nicht unbedingt so aus dem FF runterbeten können. Einziges mir bekannte Cover im regulären Set war der Klassiker "I Just Wanna Make Love To You" in einer Superversion mit einem interessanten Outro.
Überhaupt, was auffiel, war Ashtons Fähigkeit, jedem Song auch vom Gitarrenspiel her ein besonderes Profil zu geben. Dass er ein absoluter Könner ist, bestätigte sich schon nach den ersten Riffs. Bluesrock ist sein Ding und das versteht er bestens. Meist schnellere Titel, mal etwas funkier, mal rockiger und natürlich viel Boogie. Slide satt, auf einer speziellen Telecaster 'de Luxe' (seltsamerweise aber mit Stratkopf und eher Jaguar-Body, vielleicht ein Eigenbau) oder einer E-Resonator.
Thema Gallagher (nein, ich sag´s nicht …): Klar, es gibt reichlich Affinitäten. Die gleiche abgewetzte Sunburst-Strat, die Mähne, manchmal auch die Stimme (allerdings ohne das typische 'Raunzen'), die Interaktionen mit den Fans und stilistisch sowieso. Aber ihn deswegen in Rory´s Schatten zu stellen, wäre dem wesentlich variableren Gitarristen und Sänger völlig unangemessen.
Hans-Peter beschrieb das so: "Old Style mit einem Hauch von Hendrix und SRV". Nun es waren durchaus auch andere Stile herauszuhören, wohl die halbe Bluesnomenklatur spazierte durch die Songs. Der Mann hat die Väterriege gut studiert, ohne sie zu plagieren. Ashton spielte auch ein kurzes Akustik-Solo-Set mit einer Zwölfsaitigen und Mundharmonika, bei dem am Anfang die Stimmung deutlich abflachte. Als er tempomäßig zulegte, war innerhalb kürzester Zeit die Tanzfläche erneut voll und die Fans liefen wieder heiß.
Mitten im schönsten Finale riss dem Maestro dann eine Saite, was das Slide-Feuer jedoch nur kurz unterbrach. Seine exzellente Backband (bei der der Bass leider etwas dünn aus den Boxen kam) kochte den Boogie routiniert weiter und nach kurzem Umstimmen des Ersatzinstruments zog der Boss den Schlussspurt noch einmal an. Als Zugabe spendierte er eine furiose "Fire"-Version ( Hendrix-Titel sind derzeit als Extras sehr in Mode) mit einem schönen Retro-Schluss. Die Band hatte über 100 Minuten ohne Pause und ohne einen einzigen schwächeren Moment (vielleicht abgesehen von dem Akustik-Auftakt) gerockt und einen astreinen Set abgeliefert. Kein Gitarrenspiel hinter dem Rücken, keine Highspeed-Duelle, keine Feedback-Orgien, kein 'ich kenn alles, ich kann alles-Getue', kein neuer Messias samt Apostel, aber eine Band mit einem hervorragenden Leader, die abwechslungsreichen, spannungsgeladenen Bluesrock mit Herzblut bot und damit die Fans restlos begeisterte.
Und was war dann mit der groß angekündigten Dirty Heckel Band? Die 'Spezial Guests' kamen zum Schluss. Und wie! Die 9-köpfige Formation ist eine weitere 'All-Star-Besetzung' aus Oberfranken. Drei Bläser (Sax, Posaune und Trompete), Keyboards, Schlagzeug, Bass, zwei hinlänglich bekannte Klampferos (ich denke, die beiden aufrechten K…männer erkennt man auch in ihrer Alias-Aufmachung) und eine charismatische Sängerin von Format. Wenn es eine Band schafft, die Leute bereits beim Soundcheck auf die Tanzfläche zu bringen, dann sagt das wohl alles. Nein, in RockTimes berichten wir üblicherweise nicht über Cover-Bands. Aber trotz des starken Auftritts der Hauptband schaffte es die DHB tatsächlich, die Stimmung noch einmal zu toppen und das muss einfach gesagt werden. Und die Gäste, die erst um Mitternacht erschienen, wussten auch warum, Partytime mit einer absolut scharfen Band! R&B, Soul, Funk und Ska in einem Groovemix, der einfach nur ansteckend war.
Blues Brothers, Ike & Tina Turner (witzigerweise gesungen vom Ehepaar Sabine und Michael 'Männla' Sommermann), Stefan K. als Joe Cocker, und einem "Time Warp", bei dem auch eine transgalaktische Gästeschar völlig ausgeflippt wäre. Irgendwann so um 2:00 Uhr rum, zog die Band dann den Stöpsel raus und schickte die überdrehten Fans heim in die kalte Winternacht. Ich war in dem Jahr musikmäßig viel unterwegs und hab reichlich gute Auftritte in den unterschiedlichsten Bereichen erlebt. Aber der Freitag im Kult war zweifelsohne einer von denen, die am meisten Spaß gemacht haben.
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Bilder vom Konzert
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