Lust auf eine Stunde Musikgeschichte? Dann ist man bei dem Howard Alden/ Andy Brown Quartet genau an der richtigen Adresse. Wenn, ja wenn man sich für den Jazz begeistern kann. Auf einem Silbertablett (der Tonträger ist allerdings schwarz) servieren uns die vier Musiker eine Zeitreise in eine Welt, die damals wie heute eine nicht von der Hand zu weisende Faszination hatte und hat. Der Albumtitel "Heavy Artillery" weckt vielleicht falsche Hoffnung auf den Inhalt der zehn swingenden Kompositionen. Der Song stammt aus der Feder von Django Reinhardt und ist hier nur einer der Belege dafür, wie feinfühlig sich die Künstler in die Historie dieser Musik hineinversetzt haben.
Die Geburtsjahrgänge einiger Komponisten gehen zurück bis in die Jahre 1893 (Harry Warren), 1895 (Andy Razaf), 1900 (Don Redman) oder 1910 (Django Reinhardt). Aus dieser Sicht gehört Thad Jones (*1923) schon fast zu den Jungspunden.
Mit "Heavy Artillery" ist also Nostalgie angesagt. Allerdings liefert man uns diese in unverkennbar neuem Gewand, sozusagen frisch verpackt und mit einem Sound, der nun wirklich nicht von anno Tobak stammt, sondern sehr warmherzig, sanft ist. Nicht nur die hier vertretene Musik hat Stil, ist geradezu entspannend und doch so gehaltvoll und strahlt dennoch Dynamik aus. Damals wie heute sehr interessant!
Die einzelnen Stücke verfügen nicht nur über Swing, sondern auch einen herrlichen Groove. Da wird wohl auch die Fußwippe aktiviert, aber bei Jazzliebhabern ist bei infizierender Musik das Nicken des Kopfes genauso wichtig. So betrachtet werden die insgesamt zehn Stücke zu einer ordentlichen körperlichen Beschäftigung. Ganz abgesehen davon sprechen die einzelnen Lieder allerdings in besonderem Maße die Gefühle an.
Wer auf swingenden Jazz mit ein wenig Gypsy-Feeling hier und da steht, wird bei dieser Scheibe seine helle Freude haben. Howard Alden und Andy Brown erweisen sich als echte Meister im modernen Interpretieren von Kompositionen, die aus einer ganz anderen Zeitschiene kommen.
Die beiden Gitarristen sind keine unbeschriebenen Blätter. Bei ihren Namen fallen in unterschiedlichen Zusammenhängen Namen wie Harry Allen, Benny Carter, Kim Cusack, George van Eps, Dizzy Gillespie, Woody Herman, Judy Roberts, Barbara Streisand oder Joe Williams. Das Quartett wurde 2010 gegründet, aber die beiden Musiker spielen bereits seit über fünfzehn Jahren zusammen.
Für Woody Allens Film "Sweet And Lowdown" (1999) spielte Howard Alden nicht nur Gitarre sondern komponierte auch. Dieser Film, in dem Sean Penn sowie Uma Thurman zu sehen sind, ist eine Hommage an die Swing-Ära, womit wir irgendwie wieder beim Genre dieser Platte angekommen sind.
Mit ihrem Gitarrenspiel umschmeicheln beide Künstler die Ohren des Konsumenten. Selbst die flinke Fingerfertigkeit auf den Fretboards ihrer halbakustischen Gitarren dient nicht der Selbstdarstellung sondern sind hundertprozentige Genüsse für den Hörer. Die Rhytmusfraktion mit dem Bassisten Joe Policastro und dem trommelnden Jazz-Professor Bob Rummage ist die ideale Ergänzung zu den virtuosen Gitarren. Wenn man im Quartett spielend am brasilianischen Zuckerhut Station macht, dann hat die Scheibe auch einen kleinen kosmopolitischen, aber temperamentvollen Touch.
"Heavy Artillery" verdeutlicht auf zum Teil ganz sanften Pfoten, wie man Songs aus einer längst vergangenen Zeit mit seiner eigenen Handschrift aufleben lässt, ohne den Liedern ihr Wesen zu nehmen. Tradition wird hier zum Zeitgeist des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Komponisten der Songs nicht unbedingt die Gitarre spielten, sondern durchaus für ganz unterschiedliche Instrumente standen.
Der New Yorker Howard Alden und Andy Brown aus Chicago verdeutlichen, wie man alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert. "Heavy Artillery" ist ein rundum sehr gelungenes Album, an dem man sich nicht satt hören kann. Dieses Album ist wie ein musikalischer Dukatenesel.
Line-up:
Howard Alden (guitar)
Andy Brown (guitar)
Joe Policastro (bass)
Bob Rummage (drums)
Tracklist |
01:Louisiana [Johnson/Raza/Schafer] (6:23)
02:Chuckles [Clark Terry] (5:51)
03:Vocé E Eu [De Moraes/Lyra] (6:27)
04:I Had The Craziest Dream [Gordon/Warren] (6:13)
05:Three And One [Thad Jones] (5:06)
06:No One Else But You [Don Readman] (6:08)
07:Brigas Nunca Mais [De Moraes/Jobim] (6:09)
08:Heavy Artillery [Django Reinhardt] (5:26)
09:I Brung You Finjans For Your Zarf [Norvo/Farlow] (5:39)
10:If Dreams Come True [Goodman/Mills/Sampson] (5:55)
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