Jon Anderson / Survival & Other Stories
Survival & Other Stories Spielzeit: 48:12
Medium: CD
Label: Gonzo Media Group, 2011
Stil: Rock, Pop, Progressive Rock, New Age


Review vom 26.06.2011


Michael Knoppik
Fast zeitgleich mit dem neuen Yes-Album "Fly From Here", welches ohne den Stammsänger Jon Anderson aufgenommen wurde, erscheint auch dessen neues Werk. Nun, ist es wirklich ein Werk? Jedes Anderson-Album hat bisher weder Bekanntheits-, noch Kultstatus in jeglicher Zielgruppe erreicht. Schafft es das neue Album vielleicht? Natürlich nicht! Denn dieser Mann macht einfach nur noch das, was ihm in den Sinn kommt, was ihm gefällt, scheinbar aber ohne Anspruch an sich selber.
Streicher und etwas Singsang bilden den Auftakt der CD. Der Gesangsstil ist dabei ähnlich wie auf Yes' "The Ladder". Auch der balladenartige Track zwei ist seichtester Pop, lediglich etwas Akustikgitarre und Jon Anderson am Mikro. "Unbroken Spirit" ist dann wieder so sanft. Mein Gott, es hat wenigstens eine schönere Melodie. Aber wen will Anderson damit erreichen?
Seinen größten Erfolg hatte er doch mit Progressive Rock à la Yes West, PowerPop/AOR à la Yes East und pompösen Symphopop mit Vangelis. Aber auch qualitativ war er damit am weitesten gekommen. Hier scheint er einfach nur vor sich hin säuseln zu wollen. Welches Publikum will er damit ansprechen? Neue Rockfans hören lieber je nach Anspruch Linkin Park, die Foo Fighters oder Muse. Neue Popfans mit etwas Anspruch hören lieber Clueso oder Peter Fox. Oder Sachen wie The Naked And Famous oder Goldfrapp. Und die Altfans mögen den Yes-Kram eh viel lieber. Vielleicht ist ihm aber sowohl Qualität, Innovation als auch kommerzieller Erfolg völlig egal und er einfach in seiner spirituellen Welt schwelgen. Insofern kann man ihm nichts vorenthalten, sondern sogar Respekt entgegenbringen. Wenn er nur nicht so einfallslos wäre...
"Love Of The Life" lässt dann wenigstens so etwas wie Yes-Feeling aufkommen. Keineswegs à la "Close To The Edge" oder "Fragile", sondern eher in der Art von "Talk" oder "The Ladder". Doch ohne Steve Howes Gitarre oder wenigstens Chris Squires Kontrastgesang wirkt so was völlig kraftlos. Außerdem ist 'Love' scheinbar Andersons Lieblingswort. Natürlich ist die Liebe was Schönes. Aber so was muss man doch nicht in jedem seiner Songs erwähnen. Auch "Big Buddha Song", wo Anderson sich bei sämtlichen Propheten wie Buddha, Jesus und Mohammed bedankt, wird davon nicht verschont. Er liebt das Religiöse und Spirituelle. Aber das weiß doch inzwischen jeder. Das muss er nicht immer wieder betonen. Außerdem wird aus "Fragile" die Textzeile »We have Heaven« einfach wiederverwendet. Gehen einem da die Ideen aus?
Auf Tales From Topographic Oceans hatte man sich zwar anno 1973 musikalisch zu viel vorgenommen. Aber die Beschäftigung mit Siddhartha in lyrischer Hinsicht hatte wenigstens Anspruch, den wir hier vermissen.
Mit "Incoming" kommt ein fast acht Minuten langer Song. Hoffnung für Progressive Rock Fans? Oder wenigstens etwas symphonischer Rock? Wenigstens etwas Spannung? Wenigstens Atmosphäre? Oder allerwenigstens gute Unterhaltung? Ein fünffaches NEIN. Dagegen wieder ein Paradebeispiel absoluter Langeweile. Zum Aufbau: Immer gleiche Klavierakkorde, etwas Gitarre darüber. Wieder der verweichlichte Gesang. Über den Akkorden dann endlich mal etwas stakkatoartige Melodie. Trotzdem großes 'Gähn'. Wir sind bei anderthalb Minuten. Nichts tut sich. Nur klitzekleine Soloansätze von der Gitarre. Langsam nervt es, und man will nur weiter schalten. Das plätschert alles vor sich hin.
Chris Rea ist auch für seinen Schmusepop bekannt, aber der spielt wenigstens eine gute Slidegitarre und hat geschmackvollere Sounds und mehr Griffigkeit und weniger Belanglosigkeit zu bieten. Übrigens wacht man in der fünften Minute auf und merkt, dass sich wieder nichts getan hat. Doch, etwas gehauchte Chöre im Hintergrund, und Percussion. Jetzt sogar Streicher. Aber wird es dadurch interessanter? Nicht großartig. Das Stück klingt dann lediglich mit total langweiligem Klavier aus. Das war keine kompositorische Glanzleistung. Auch der Aufbau zieht sich dahin bis zum Gehtnichtmehr. Das hätte man alles locker in der Hälfte der Zeit verpacken können.
Auf "Effortlessly" darf Mr. Anderson zu Begleitung durch gut gespielter, aber wieder in völliger Belanglosigkeit verschwindender akustischer Gitarre, wieder sein 'Wir-Wollen-Die-Welt-Verbessern-Liedchen' trällern. Oder geht es um was anderes? Keine Ahnung! Ich höre nicht mehr zu! "Love And Understanding" ist genau das gleiche. Da kann man froh sein, dass wir beim neuen Yes-Album so etwas wie ein "Drama II" erwarten können, vermutlich weil Jon Anderson nicht mehr dabei ist. Sonst wäre wohl eine Art '"The Ladder" - absolutely and totally lighter then everything else' entstanden.
"Just One Man"... Und ich schlafe ein... "Sharpening The Sword", wenn ich den Song beschreiben soll, dann kann ich mich nur wiederholen. Jede New Age-Platte von Mike Oldfield ist interessanter.
Dann kommt's aber. Endlich! "Cloudz" beginnt mit einem Pianolauf, dazu eine hauchzarte Harfe, die endlich schöne, handfeste Melodien zaubert. Dann donnern die Drums. Andersons Gesang setzt ein. Etwas hektisch und dadurch Spannung erzeugend. Von den Mitten steigert er sich bis zu den Höhen und kehrt wieder zu tieferen Tonlagen zurück. Die Gitarre rifft, Keyboards sorgen im Hintergrund mit songdienlichen Akkorden für die Atmosphäre. Dann setzt ruhiges Klavier ein und das Stück klingt hymnenhaft-symphonisch mit Streichern und majestätischen Chören aus.
Habt ihr das jetzt wirklich geglaubt? Natürlich totaler Quatsch. "Cloudz" ist ein Pianostückchen, welches zwar schön klingt, aber... ZZZZzzzzzzzz...
Wer gut gemachten, atmosphärischen, seichten Pop Rock hören will, der hole sich dringend Welcome To The Show, wenn er oder sie es noch nicht besitzt. Aber dieses Album kann man getrost im Regal stehen lassen. Ich habe es an vielen Stellen an Yes gemessen. Aber wie gesagt, auch an seichtem Pop oder New Age gemessen ist das hier wirklich eine Zumutung. Wenn das Andersons Ernst ist, dann traue ich ihm keine gute Leistung mehr zu. Ich mochte "The Ladder" und auch das New Age'ige "Were Will You Be" auf "Talk". Nur hier kann ich absolut nichts Wertvolles finden. Vielleicht wirkt es aber besser als jede Schlaftablette.
Tracklist
01:New New World (4:13)
02:Understanding Truth (2:24)
03:Unbroken Spirit (3:57)
04:Love Of The Life (2:49)
05:Big Buddha Song (5:30)
06:Incoming (7:56)
07:Effortlessly (3:10)
08:Love And Understanding (4:12)
09:Just One Man (4:30)
10:Sharpening The Sword (3:40)
11:Cloudz (6:05)
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