NIc Angileri / The Traveller
The Traveller Spielzeit: 45:18
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2012
Stil: Fusion

Review vom 20.06.2013


Jochen v. Arnim
Aufmerksamen Lesern unserer Beiträge wird der Name Nicola Angileri schon untergekommen sein, aber auch ohne sich an diesen zu erinnern, hat der eine oder andere Leser bereits seiner Fingerfertigkeit am Tieftöner lauschen können. Der im Tessin lebende Italiener ist überall von Rock bis Fusion zu finden, hat mit sämtlichen italienischen Musikern gespielt, war lange bei Jorn, hat Carl Verheyen begleitet und ist bei Alto Voltaggio involviert, diesem italienischen Projekt von Musikern aus den Reihen bekannter Bands wie U.D.O., Jorn oder Gotthard. Portnoy und Petrucci (beide u. a. Dream Theater) stehen ebenso auf seiner Liste wie Steve Lees (R.I.P., Gotthard) Soloprojekt, das er mit seinem Bass veredelt hat und zudem war er erst kürzlich u. a. mit dem Phoenix Project auf Tour. Und wer so viel tourt und so viele unterschiedliche Musiker zu seinen Freunden zählt, dem schießen die Inspirationen natürlich von allen Seiten in den Kopf. Was dann da so alles in den diversen Schubladen angesammelt wird, das muss ein Musiker in logischer Konsequenz irgendwann auch einmal freisetzen - quasi aufräumen und Platz für neue und zukünftige Ideen schaffen.
Passenderweise nennt Angileri seine Voröffentlichung "The Traveller", diesen Output aus seinem »introspective laboratory«, der bereits im vergangenen Jahr in Eigenregie entstanden ist. Eine nahezu komplett instrumentale Scheibe, die viele, viele Jahre des Zuhörens und Auseinandernehmens unterschiedlichster Musiken in einem Silberling fusionieren lässt. Fusion mag dann auch für das grobe Kategorisieren der passendste Oberbegriff zu sein, um die elf Tracks halbwegs richtig einzusortieren.
Angileri und seine Begleitmusiker nehmen uns also mit auf eine Reise durch Zeit und Raum, die selbstredend von 'seinem' Instrument, dem Bass dominiert wird. Da lässt bereits der Opener "Mark Is Going For A Ride" keine großen Zweifel aufkommen. Schlagzeug und programmierte Synthie-Sounds vereinen sich mit sowohl dem 5-saitigen Bass, als auch dem mit sieben dicken Saiten. Angileri spricht in diesem Stück von den kleinen Zufällen oder auch Unfällen im Leben, die die komplette Richtung des Schicksals beeinflussen können. Seinen Einfluss hierfür benennt er klar mit Papa Frank, aber auch Al Di Meola wird genannt.
Eine Reise zurück in seine eigene Vergangenheit beschreibt NIc, wie er sich auch nennt, im Stück "Miami Hollywood", das neben den bereits genannten Bassläufen, Schlagzeug- und Programming-Tönen erstmals auch eine elektrische Gitarre, sehr schön gespielt von Olivier Magistra, zum Einsatz kommen lässt. Das Intro wird zudem von Sounds aus alten amerikanischen Hollywood-Krimiserien gefüttert. Unser Protagonist erinnert sich darin an lange Nachmittage mit dem Schauen von "Miami Vice", "Starsky & Hutch" oder "Kojak" und der clevere Titel lässt zudem die Frage »Liebst Du mich, Hollywood?« zu (auf Italienisch).
"Perché mai" ist der einzige nicht-instrumentale Titel auf diesem Album und die Stimme wird durch Deborah Maccalli zum Einsatz gebracht. Hier liegt auch ausnahmsweise der Fokus, leicht untermalt von einem sanften Bass und dem Jazz-Besen auf der Snare.
Danach wird die Anzahl der Instrumente noch ein weiteres Mal reduziert und wir haben es lediglich mit Bass und Drums zu tun. Unterschiedliche Stile von Funk bis Rock verschmelzen so zu "RockOla".
Als höchst wichtig bezeichnet Angileri "The Summer Wind", denn es ist der erste jemals von ihm komponierte Song, nachdem er realisiert hatte, dass das reine Bass-Spiel ihm nicht reichen würde. Untermauert wird das Arrangement von einem feinen Jazz-Piano, durch Lorenzo Di Finti gefühlvoll umgesetzt.
Mein Anspieltipp ist ganz klar "The Black Old Cat Blues". Hier spielt Angileri seinen Bass im Stil der Musiker, die den Kontrabass zupfen (zudem inspiriert von den Stray Cats) und außerdem kommt Joe Colombo ins Spiel, der mit seiner fantastisch bedienten Dobro neue Elemente in die Platte bringt.
Zwei Stücke auf "The Traveller" stammen nicht aus der Feder Angileris: "G-Raph" wurde ursprünglich von Lombardi und Magistra für deren weiteres Projekt The Jelly Fish geschrieben und aufgenommen. Im Ursprung etwas (prog-)rockiger ausgelegt, bekommt es durch Angileris Bass hier erneut ein Jazz-Element hinzu. Das zweite ist "Guglielmo Feld-Schlösschen", angelehnt an die Rossini-Oper "Wilhelm Tell" in der Version von Joey DeMaio, besser bekannt als Bassist der lautesten Metal-Combo der Welt.
Fusion ist auch nach dem Hören der kompletten Scheibe der beste Begriff, um die komplexen Kompositionen, die manchmal auch nach Improvisation klingen (z. B. "Under The Tower", da kommt zudem der gute alte Carlos ganz dick durch), treffend zu beschreiben. Nicola Angileri, der mir bis dato eher von der kernigen, rockigen Schiene her bekannt war, beweist sehr eindrücklich, wie vielfältig doch seine musikalischen Ideen sind und er scheut sich nicht, genreübergreifende Verweise in jedwede Richtung zu unternehmen. Ein feines Scheibchen, das allerdings nicht für Easy Listening oder gar Easy Shopping geeignet ist. Respekt!
Line-up:
Nicola 'NIc' Angileri (bass, voice, samples, guitar)
Rocco Lombardi (drums)
Lorenzo Milani (drums, percussion)
Deborah Macalli (voice, vocals)
Oliver Magistra (guitar)
Joe Colombo (guitar)
Lorenzo De Finti (keyboards)
Tracklist
01:Marc Is Going For A Ride
02:Miami Hollywood
03:Perché mai
04:RoccOla
05:The Summer Wind
06:The Black Old Cat Blues
07:G-Raph
08:Guglielmo Feld-Schlösschen
09:Under The Tower
10:Brüghirö
11:The Traveller
Externe Links: