Wenn man sich einer Sache bezüglich Musik aus der Schweiz sicher sein kann, dann der, dass man sich immer auf Überraschungen einstellen sollte, welcher Art auch immer. Im Falle von Baby Genius ist die Überraschung außerordentlich positiv ausgefallen. Zum einen kann man beim Anhören der elf Songs des Debütalbums kaum glauben, dass der Protagonist gerade erst mal 20 schlanke Lenze zählt. Warum nicht? Weil das Material sowie die Überlieferung nicht nur durch die Bank überzeugend ist, sondern dazu auch noch so dermaßen abgeklärt und erfahren wirkt, als hätten Baby Genius bereits ein gutes Jahrzehnt Geschichte im Musik-Business hinter sich.
Die Schweiz hört man dem Zwanzigjährigen dazu in keiner Sekunde an. Wenn überhaupt, dann klingen die Tracks des Longplayers sehr englisch. Quasi eine wirre Kreuzung aus Brit-Pop und punkigen Klängen, versehen mit einem hitverdächtigen Songwriting, das man einfach nur mit den Wörtern 'stark' und 'Ohrwurm' beschreiben kann. Dazu kommt eine klasse Produktion, die den Spagat meistert, die Songs sowohl radiotauglich zu halten, wie auch powervoll und dreckig erscheinen zu lassen.
Die Hochachtung vor dem jungen Schweizer steigt immer mehr, wenn man sich den Fakt vor Augen führt, dass er auch noch ganz alleine für das Songwriting verantwortlich zeichnet. Der Opener "Couldn't Love You" ist ein flotter Pop-Rocker mit einem flockigen Riff, griffigen Rhythmen und unwiderstehlichen Gesangsmelodien. Dazu verfügt der Schweizer auch noch über eine coole 'Fuck you'-Attitüde, die das Gesamtbild herrlich abrundet. Auch "Dance" macht keine Gefangenen und fährt einmal mehr das volle Rock-Brett auf, garniert mit dieser so unangestrengten Eingängigkeit.
Zu den schmissigen Stücken der Scheibe gesellen sich immer wieder auch unterstützende Keyboards sowie starke Background Vocals von der tollen Jolanda Roth. Aber weiter im Reigen! Was kann man zu "Champs Elysees" noch schreiben, was zu den ersten beiden Titeln noch nicht gesagt wurde? Klar wird, dass wenn Baby Genius gleich mit den ersten drei Tracks ihres Albums so dermaßen überzeugen können, da eine geballte Ladung an Talent und Können dahinter steckt. Auch das sich selbst gewidmete "Baby Genius" weicht keinen Deut vom Erfolgsrezept ab und besticht einmal mehr mit der geradezu süchtig machenden Mischung aus Sound und Ohrwurmfaktor!
Mal was ganz Anderes ist die rockige Instrumental-Nummer "Formula", bevor "Just Wanted To Know" ohne Gnade einen weiteren Höhepunkt des Albums setzt. Hier mit erfrischendem Piano ergänzt, kommt man aus dem Staunen kaum raus und fragt sich, wie lange dieses hervorragende Songwriting eigentlich noch durchgehalten werden kann. Aber auch "F.E.V.E.R." und "Panties Song" lassen kaum nach. "Needed To Feel" setzt ein weiteres Highlight, bevor "Ain't No TV Show" und "A New Interesting Kind" dem umtriebigen Reigen schließlich ein Ende bereiten.
Hut ab also erstmal vor einem sehr starken Debüt, das zu keiner Sekunde nachlässt. Was mir nicht ganz klar wurde, ist, ob es sich hier um eine Band oder um ein Solo-Projekt handelt. Aber diese Kleinigkeit sollte nicht von dem Positiven ablenken. Im Prinzip also alles richtig gemacht, aber:
Ein Wort noch zur Spielzeit: Satte 60 Minuten strahlen uns da vom Display des Abspielgerätes an, wobei Track 12 alleine mit 20 Minuten vertreten ist. Naja, Pustekuchen, denn während der ersten 18:45 Minuten herrscht sprichwörtlich einfach nur Funkstille, bis dann für circa 90 Sekunden noch ein punkiger Track durch die Boxen rauscht. Was auch immer das soll, der Sinn solcher Aktionen wird mir wohl für die Ewigkeit verschlossen bleiben. Akkurat wäre also eine Spielzeit von etwas mehr als 40 Minuten.
Davon abgesehen gibt es allerdings keine Schwächen auf dem Debütalbum des jungen Schweizers auszumachen und von uns werden 8,5 von 10 RockTimes-Uhren ins Nachbarland geschickt. Sehr spannend dürfte werden, ob Baby Genius auch auf der Bühne diese geballte Energie und Wucht an den Start bringen kann. Falls er auch das auf die Reihe bringt, hat er sicherlich eine große Zukunft vor sich. Respekt!
Line-up:
Baby Genius (vocals, guitars)
Martae Fischer (guitars)
Tobi Gmür (bass)
Sandy Schindler (drums #2, 5, 7, 10)
Mex Respondek (drums #1, 3, 4, 6, 8, 9)
Sandro Kopp (keyboards #3, 6)
Beni Widmer (keyboards #2, 9)
Dr. Knobel (synthesizer #1, 5, 11)
Jolanda Roth (background vocals #9)
Oli Camenzind (loop #4)
Tracklist |
01:Couldn't Love You
02:Dance
03:Champs Elysees
04:Baby Genius
05:Formula
06:Just Wanted To Know
07:F.E.V.E.R.
08:Panties Song
09:Needed To Feel
10:Ain't No TV Show
11:A New Interesting Kind
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