Die Frage ist, ob Barclay James Harvest 1987 vielleicht schon ihren Zenit überschritten hatten. Nachdem die Band 1984 das letzte Mal eine ausgiebige Tour bestritten hatte, folgte eine länger andauernde und selbst verordnete Ruhephase. Viele hatten BJH tatsächlich schon vergessen, als 1987 dann tatsächlich das Album "Face To Face" erschien. "Face To Face" ist im Gegensatz zu den Alben aus Anfang der 80er sicherlich moderner. Der Sound ist klar und druckvoll und von daher macht es Spaß, den Klängen zu lauschen.
Was boten BJH auf dieser neuen Scheibe? Sie wichen keinen Meter vom eingeschlagenen Weg ab. Auch wenn einige den Kritikern unterjubeln wollten, dass BJH wieder in ihre alte Richtung abdriften würden, so kann ich das beim besten Willen nicht erkennen. Schon der Eröffnungssong "Prisoner Of Your Love" ist zwar ein wirklich toller Song, der eingängig ist, jedoch fühle ich keine Ansätze, die vermuten lassen, dass man sich wieder ausgedehnten Harmonieläufen hingeben wollte. Ganz im Gegenteil, alles geradeaus und ohne Schnörkel, ganz auf den Kommerz zugeschnitten. Das ist mit "He Said Love" folglich auch nicht anders.
"Alone In The Night" bietet tatsächlich ein paar aufregende Töne. Es handelt sich dabei zwar zweifellos um einen melodischen Rocker, bietet aber eine Härte auf, die sonst so von den Kuschelrockern BJH nicht bekannt waren. Fetzige Gitarrenriffs verdrängen die Tasten in den Hintergrund. Und jetzt wird deutlich, dass "Face To Face" ein Album mit Ecken und Kanten geworden ist. Denn die Klänge von "Turn The Key" waren auch schon 1987 so angestaubt wie sonst nur was. Alles samt weich und nett, nur eben alt und schon zig mal auf allen möglichen Platten des Rockbusiness vertreten. Was man dabei auch kritisieren muss, ist, dass sich die Band für diese Scheibe eine Menge Zeit gelassen hatte und so wenig Kreatives zustande brachte.
"You Need Love" ist eine Ballade, wie sie im Buche steht. BJH haben halt eine Musik geboten, wo sich die Fans in den Armen halten konnten und wohl auch sollten. Das aber auch die Synthies nach wie vor eine Vormachtstellung in den einzelnen Soundgefügen hatten, beweist ein Track wie "Kiev". Ist das die inhaltliche Anspielung auf das politische Geschehen, was sich jenseits des eisernen Vorhangs in den 80er-Jahren abspielte? Wir wollen noch mal daran erinnern, dass BJH mit "Face To Face" im Gepäck am 14.07.1987 in Ost-Berlin ein großes Konzert gaben und so auch den Zugang in den ehemaligen Osten fanden.
Songs wie "African" und "Following Me" haben sicherlich ihre Daseinsberechtigung in der langen Diskographie, letzteres ist inzwischen ja auch schon kultig und wird ewig in Erinnerung bleiben. Mit "Panic" betraten BJH nochmals ein nicht all zu typisches Terrain. Ungewöhnlich rockend. Der "Guitar Blues" hat mit dem Blues an sich wenig gemeinsam, aber BJH schwelgen hier noch mal auf der Wolke und lassen die Sounds vor sich hintreiben.
Im Ergebnis hatte die Formation im Jahr 1987 mit "Face To Face" in der Tat noch mal eine Scheibe vorgelegt, die an die gefühlsmäßig betonte Hörerschaft gerichtet war. Der richtig große Wurf gelang jedoch nicht. Klar, man kann nicht jeden Silberling einem außergewöhnlichen Erfolg zuführen. Von daher würde ich sagen, dass "Face To Face" nochmals sehr solide geworden ist, aber wenn man sich die Alben der Band in der damaligen Epoche in ihrer Reihenfolge genauer betrachtet, denn stellt man immer wieder fest, dass die wahre kreative Zeit mit dem Abgang von Woolly Wolstenholme abhanden gekommen war. Im überwiegenden Teil ein solides Pop-Schmuserock-Album, welches der Vollständigkeit halber in den Plattenschrank gehört.
Line-up:
Les Holroyd (bass, guitars, vocals)
John Lees (guitars, vocals)
Mel Pritchard (drums)
Guestmusicians:
Kevin McAlea (keyboards)
Bias Boshell (keboards)
Frank Ricotti (percussion # 5)
Dick Morrisey (tenor saxophon # 5)
George Chandler (backing vocals # 6)
Richard Jon Smith (bacling vocals # 6)
Jimmy Chambers (backing vocals # 6)
Lee Vanderbilt (backing vocals # 6)
Bill Fredericks (backing vocals # 6)
Jimmy Thomas (backing vocals # 6)
Tracklist |
01:Prisoner Of Your Love (4:35)
02:He Said Love (5:03)
03:Alone In The Night (5:06)
04:Turn The Key (4:46)
05:You Need Love (4:09)
06:Kiev (5:25)
07:African (5:51)
08:Following Me (4:22)
09:All My Life (5:31)
10:Panic (4:30)
11:Guitar Blues (5:17)
12:On The Wings Of Love (5:55)
Bonus-Tracks:
13:Panic (12-inch single-remix) (4:15)
14:He Said Love (single edit) (6:05)
15:On The Wings Of Love (single edit) (5:31)
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Externe Links:
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