Seltsame Zeit. Das Land erholt sich nur langsam von dem schweren Winter, der noch immer zuschlägt, wenn es ihm gefällt. Aber bei mir blühen Frühlingsblumen. Sie wachsen aus meinen Lautsprechern. Nach Sara K schickt mir nun Bill Bourne einen Strauß akustischer Blüten.
Bill Bourne ist ein seltsamer Typ mit seinem Zylinder und der dunklen Nickelbrille, wie eine Figur aus einem Mark Twain-Roman. Ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten mit einer sonoren, eindringlichen Stimme, die poetische Geschichten erzählt. Der Kanadier ist viel rumgekommen, hat mit so manchen Leuten gespielt und aufgenommen. Den Tannahill Weavers und deren Dudelsackspieler Alan McLeod aus Schottland, der jungen Geigerin Shannon Johnson aus seinem Heimatland Kanada, der Sängerin Eivor Palsdottir von den Faröer Inseln oder mit seinen aktuellen Partnern von Tri Continental.
Das Trio gastierte zusammen mit dem Perkussionisten Ramesh Shotham beim 'tff' in Rudolstadt 2005 und avancierte dort zu meinem persönlichen Highlight. Die vier Musiker zelebrierten reine musikalische Magie auf der Heidecksburg und die wurde maßgeblich von diesem dunklen Bariton getragen. Eines der Stücke, die mir und vielen anderen Zuhörern so unter die Haut ging, war der Bourne-Song "Voodoo King".
Nun hör ich ihn wieder, diesmal als Titeltrack der ersten von Bournes Solo-CDs, die jetzt in Deutschland veröffentlicht wurde. In Kanada erschien sie 2003, der deutschen Ausgabe sind drei zusätzliche Titel spendiert worden, dazu für die ersten 1000 Exemplare eine Video-DVD zum Song "Portland".
Mit von der Partie sind die TC-Buddies Madagascar Slim und Lester Quitzau. Letzterer produzierte auch zusammen mit Bourne die Scheibe. Dazu eine ganze Reihe anderer Gäste, die für recht interessante Begleitung sorgten. Neben der Stimme steht jedoch meist die akustische Gitarre im Vordergrund. Bourne schöpft aus den Stilen, die seine musikalische Karriere begleiteten und damit aus dem Vollen. Folk mit keltischen Wurzeln, afrikanischer 'Salegy', puristischer Blues, Jazz-Touch, einfache Songs, Acadian Tunes, helle Calypsoklänge, hypnotische Beats, über die Lester Quitzau seine Gitarre öfters als Slide oder mit dem E-Bow gespielt jagt und auch ein wenig Country-Feeling.
Daraus destilliert er sein eigenes Gebräu. Das ist alles andere als ein Stoff zum schnell Hinunterkippen; ein zunächst recht rauer Sprit, aus dem sich erst allmählich die feineren Noten herausschälen. Manche Zutaten schmecken recht exotisch hervor, andere stören (mich) auch. "Portland" sollte wohl ein Tom Waits-Album abrunden, der offensichtlich live in einem Club aufgenommene Reel "Whadiddy Do?", den Cahill Tunney fiedelt, ist mit seinem mäßigen Sound eher ein fader Fehlton.
Bill Bournes Musikbrand ist nicht für Jedermann und ein erfahrener Brenner hätte ihn sicher für einen breiteren Geschmack veredeln können, ohne dass er an Charakter und Intensität verloren hätte. "Voodoo King", hätte noch etwas mehr Konzentration vertragen, ist aber auch so ein Geist, der das Gemüt belebt. Vor allem nach so einem langen Winter.
Das Video auf der DVD zum Song "Portland" ist ein verfilmter Albtraum, der Albtraum der Einsamen in irgendeiner Stadt, Bukowski lässt grüßen. Für sich ein starker Song und ebenso gut umgesetzt. Die Scheibe enthält aber auch noch Hörbeispiele anderer Label-Bands, die richtige Appetithäppchen sind. Clever gemacht.
Der Mann mit der Gänsehautstimme ist zweifelsohne eine Bereicherung auf dem deutschen Folk-Markt und vor allem live ein charismatischer Künstler. In Kanada wird er regelmäßig für den 'Juno Awards' (dem Pendant zum 'Grammy') nominiert und ist dreifacher Preisträger.
Auch das "Portland"-Video erhielt eine Nominierung für die nationalen 'AMPIA Awards'.
"Voodoo King" wurde hierzulande von dem jungen 'Gem Buzz'-Label aus dem hessischen Einhausen herausgebracht, das seinen Künstler sehr engagiert promotet. Auch das Digipack mit den Zugaben ist sehr schön aufgemacht. Seltsamerweise sind aber im Verzeichnis die Songs 5 und 6 vertauscht. Die nicht abgedruckten Texte finden sich mit entsprechendem Hinweis auf Bournes Homepage. Leider sind derzeit weder eine Solotournee noch Gastspiele mit anderen Formationen in Deutschland angesagt. Vielleicht schafft es das Team jedoch in absehbarer Zeit auch, Bill Bourne herüber zu holen. Dann mir bitte ein Stuhl in der ersten Reihe reservieren!
Spielzeit CD: 68:26, Medium: CD & DVD,Gem Buzz Records, 2006
CD: 1:Hilfiger Heaven (Intro) 2: Hilfiger Heaven 3:Portland 4:Holy Holy 5:Voodoo King 6:The Ballad of Moses Jane 7:Which Way 8:Whadiddy Do? 9:Freeway Babe 10:Burning Candles 11:Little Fingers 12:Grace Bonus Tracks: 13:Billy Holiday 14:Water Valley 15:The House
DVD: Limitierte Video-DVD "Portland" & Gem Buzz Samples
Norbert Neugebauer, 16.04.2006
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