Ein sehr großer und durchtrainierter Musiker steht in der Lobby vor mir und begrüßt mich mit kräftigem Händedruck. Elegant gekleidet und mit Fünftagebart, sehr freundlich und zuvorkommend. Wir nehmen in einer ruhigen, gemütlichen Ecke Platz, und Bjørn beginnt sofort mit seinem Redeschwall.
RockTimes: Hallo Bjørn, willkommen in Berlin. Bist du zum ersten Mal in Berlin, und hast du auch Zeit, dir die Stadt anzusehen?
Bjørn: In den vergangenen zehn Jahren bin ich sechs Mal in Berlin gewesen, mal privat und mal zu Auftritten. Ja, natürlich nehme ich mir Zeit, die Stadt anzusehen. Heute übernachte ich ja auch direkt in der City und bin schon spazieren gegangen, um zu entdecken, was sich wieder verändert hat. Ich versuche auch, nach den Shows einen freien Tag einzuplanen, um mir alles in Ruhe anzusehen. In Deutschland ist in kurzer Zeit so viel passiert, und wenn du aus einer ruhigen Gegend kommst wie ich, ist es jedes Mal ein Abenteuer, hier zu sein!
RockTimes: Viele Menschen in Deutschland, und auch ein großer Teil unserer Leser, werden dich nicht kennen. Bitte erzähle uns doch mehr über dich und dein Leben, auch außerhalb der Musik...
Bjørn: Ich komme von der Westküste Norwegens, aus einer kleinen Stadt zwischen Bergen und Stavanger. Es ist eine sehr schöne Gegend, wo ich mich zurückziehen kann, um zu relaxen. Als ich ein Jugendlicher war, hatte ich in einer Rock'n'Roll-Band angefangen und dort elektrische Gitarre gespielt. Später habe ich dann auf akustische Gitarre und Banjo gewechselt. Damit habe ich in einer Bluegrass-Band gespielt. Anschließend wieder zur Elektrischen zurück gefunden, und irgendwann gemerkt, dass es nicht das war, was ich wirklich wollte.
Mein musikalisches Vorbild war Bob Dylan. Ich war von der Art fasziniert, wie er, nur mit einer Gitarre, seine Songs interpretiert hat, und ich habe mir überlegt, was ich tun kann, um so zu spielen wie er. Durch ihn bin ich letztendlich auch zur Blues-Musik gekommen, da mir klar wurde, dass dieser Stil die Wurzel aller modernen Musik ist. Daraufhin habe ich eine Solo-Karriere begonnen und mich nur noch auf akustische Instrumente konzentriert, und mir überlegt, wie ich möglichst viel mit wenig Equipment ausdrücken kann. Das Ergebnis kann man in den letzten rund fünfzehn Jahren sehen und hören.
Als ich damals etwa achtzehn Jahre alt war und zum College ging, hatte ich keinen Cent in der Tasche. Ich habe bei jeder Gelegenheit gespielt und somit das Geld verdient, um mir kleine Dinge leisten zu können. Wenn man in so einer Gegend aufwächst, sind zum Glück die Ansprüche nicht so hoch, und man kommt sehr lange mit sehr wenig aus. Meine Eltern konnten mir damals gerade so die Schule finanzieren, und um mir eine Gitarre zu kaufen, musste ich sehr hart nebenbei arbeiten. Das ist auch alles nicht so leicht wie in einer Großstadt, wo man an fast jeder Ecke einen Gelegenheitsjob findet. Ich habe die niedrigsten Arbeiten gemacht für ein Trinkgeld, nebenbei gelernt und mir noch selbst das Gitarrespielen beigebracht.
Irgendwann hat mal jemand gesagt, dass ich eine angenehme Stimme hätte, und so hab ich mich auch mal getraut, etwas zu singen. Auch das Singen habe ich mir selbst beigebracht. In der öffentlichen Bibliothek gab es jede Menge Bücher über Musiker. Darin waren auch deren Texte und somit hatte ich die Vorlage, um zu singen. Ich hatte damals auch einen Nachbarn, der hatte alte Vinylplatten von Blues-Musikern. Er schenkte sie mir und ich habe dadurch den intensiven Zugang zu dieser Musik gefunden. Am Anfang habe ich dann auch nur die traditionellen Sachen gespielt, und später immer mehr Rock-Musik mit eingefügt.
Da ich überhaupt keine Noten konnte, habe ich mir Bücher besorgt, in denen Tabulaturen waren, nach denen ich die Griffe auf der Gitarre und dem Banjo lernen konnte. Durch das Banjo Spielen habe ich auch meine Fingerfertigkeit enorm verbessert. Ich habe mir das typische Fingerpicking angewöhnt, das in den Südstaaten der USA gespielt wird. Die Jungs dort haben eine enorme Geschwindigkeit drauf, und das wollte ich unbedingt auch beherrschen. Somit kann ich dem Hörer das Gefühl vermitteln, dass mehrere Gitarristen gleichzeitig spielen, dabei bin es ja nur ich alleine. Wenn junge Leute Gitarre spielen wollen, dann kann ich ihnen es nur empfehlen, mit einem Banjo zu beginnen.
RockTimes: Auf deiner Webseite hast du ein Bild davon, wie der Aufbau deiner Bühne aussieht, und auch ein Foto deiner Gitarrensammlung mit allen technischen Details. Viele Musiker machen ein Geheimnis um ihre Ausstattung, weil sie es vermeiden möchten, kopiert zu werden. Warum bist du in diesen Dingen so offen?
Bjørn: Wenn ich auf Tour bin, habe ich keine Lust, den Bühnentechnikern immer zu sagen, wo jeder Scheinwerfer sitzen soll und wie die Technik angeordnet zu sein hat. Sie bekommen vorher den Hinweis, auf meine Webseite zu schauen und können sich dort alles ausdrucken, was sie benötigen. Somit ist beim Soundcheck alles schon eingerichtet, und es geht viel schneller. Ich finde alles an meinem gewohnten Platz vor, und muss keine stundenlangen Erklärungen geben.
Die Besucher meiner Webseite haben mir immer wieder Fragen zu meinen Gitarren gestellt, und auch nach den Shows kamen immer Fragen zu meinen ungewöhnlichen Gitarren. Wenn du einige Jahre immer die gleichen Fragen beantworten musst, wird es, bei aller Liebe, trotzdem irgendwann etwas lästig. Deshalb habe ich jede meiner aktuellen Gitarren abgebildet und deren technische Merkmale hinzugefügt. Ich mache kein Geheimnis darum - im Gegenteil, ich bin stolz darauf, dass sich die Fans so sehr dafür interessieren. Somit habe ich mehr Zeit, um auf andere Fragen einzugehen. Jeder kann mich auf der Webseite anschreiben, und ich versuche so schnell und präzise wie möglich zu antworten. Mein Bruder, der die Webseite hauptsächlich pflegt, hat mich vor Jahren auf die Idee gebracht.
Mich selbst hat es ja auch immer geärgert, wenn ich wissen wollte, wie andere Gitarristen spielen, oder welche Instrumente sie verwenden, dass ich nirgendwo Informationen bekommen habe. Wenn dann jemand wissen möchte, welche meine Lieblingsgitarre ist, dann brauche ich nur zu sagen, dass es die oben links auf dem Foto ist. Die habe ich heute ebenfalls dabei, sowie noch eine zweite. Banjo werde ich heute nicht spielen. Die meisten meiner Sammlung sind australische Gitarren - nicht so teuer, aber trotzdem sehr gut vom Klang und der Verarbeitung.
RockTimes: Du hast vor kurzem eine neue CD veröffentlicht mit dem Titel Blackwood. Was ist der der Unterschied zur vorangegangenen CD "Fretwork"?
Bjørn: Oh, eine sehr gute Frage. Auf "Blackwood" habe ich vier Songs, die mich in die Zeit zurück versetzen, als ich mit der Musik angefangen habe. Ich spiele viel Slide, dementsprechend eben Blues und Folk. Die CD ist meilenweit von "Fretwork" entfernt. Als ich meine erste CD aufgenommen habe, bin ich mit zehn Songs ins Studio gegangen, und habe die Songs schnell runtergespielt, weil ich mir die Studiomiete nicht länger leisten konnte. Als dann die CD veröffentlicht war, habe ich mich gefragt, warum hast du das so und nicht anders gespielt. Ich hatte einfach nicht genug Zeit und Geld zum Nachdenken. Mit "Blackwood" wollte ich an die damalige Zeit anknüpfen und die Songs so aufnehmen, wie ich es seinerzeit hätte tun sollen. Ich habe inzwischen einige Reviews gelesen, und anscheinend kommt die CD sehr gut an. Also habe ich es dieses Mal besser gemacht.
RockTimes: Du nennst dich selbst den 'Antipop'. Warum? Magst du grundsätzlich keine Pop-Musik?
Bjørn: Pop-Musiker mögen kein Bier (lacht). Das ist ein Statement von mir, dass ich mich 'Antipop' nenne, weil ich nicht diese Musik mag, die in einer Endlosschleife im Radio läuft. Meistens von unbekannten Leuten, die irgendwo gecastet wurden, nichts selber auf die Beine stellen können, deren Songs vorgegeben sind, und die keine Persönlichkeit haben. Ich mag schon viele Pop-Songs, aber hauptsächlich von Künstlern, die mit einer stetigen Leistung über viele Jahre ihr Niveau gehalten haben.
RockTimes: Was machst du, wenn du zu Hause bist? Gehst du irgendwelchen Hobbys nach, wie Fischen oder anderen Dingen in der Natur von Norwegen?
Bjørn: Fischen mag ich überhaupt nicht, es ist mir zu langweilig. Ich fahre oft mit meinem Enduro-Motorrad durch die Wildnis und erlebe dabei aufregende Dinge. Wenn ich mal in der Nähe bleiben will, dann nehme ich das Mountainbike. Vor vielen Jahren habe ich noch Bodybuilding gemacht. Irgendwann sind meine Arme immer dicker geworden, und ich hatte Schmerzen und konnte nicht mehr richtig Gitarre spielen. Seitdem habe ich es sein gelassen. Trotzdem halte ich mich regelmäßig fit, aber auf eine weniger anstrengende Art. Ansonsten halte ich sehr guten Kontakt zu meinen Freunden. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich herauskristallisiert, wer wirklich ein zuverlässiger Freund ist; und mit diesen Leuten, und natürlich mit meiner Familie möchte ich den Rest meines Lebens verbringen.
Ich bin auch sehr sozial eingestellt, und helfe immer gerne, wenn mich jemand bittet. Die übrige Zeit verbringe ich mit Entspannen. Dabei kommen mir die Ideen für neue Songs, und ich schreibe sie sofort auf und probiere es dann zu Hause aus. Um die anderen im Haus nicht zu nerven, stehe ich dazu jeden Tag sehr früh auf. Wenn dann die anderen wach werden, beginnt der tägliche Rhythmus im Haus. Als ich jünger war, habe ich fast jeden Tag bis in den Nachmittag hinein geschlafen. Eines Tages begriff ich dann, welch kostbare Zeit meines Lebens ich damit verschwende, und habe mich total umgestellt.
RockTimes: Kannst du dich an besondere Höhepunkte in deinem Leben als Musiker erinnern?
Bjørn: Mein erstes besonderes Erlebnis war der Plattenvertrag mit Warner. Wenn du so was in der Hand hältst, dann hast du das Gefühl, es endlich geschafft zu haben. Das hat mir eine Menge Geld eingebracht, und somit ein besseres Leben. Ein Ereignis war es auch, als ich bei einem Festival in Italien gespielt habe. Dort sollte Motörhead spielen. Lemmy wurde krank und musste den Auftritt absagen. Ich habe mir dann gedacht, wenn die Band schon nicht spielen kann, dann serviere ich den Fans im Stadion "Ace Of Spades" in einer Akustikversion am Ende meines Sets. Die haben mich alle angekuckt als wäre ich von einem anderen Stern, und haben es nicht kapiert. Beeindruckend für mich war der Auftritt beim Roskilde Festival. Es gibt für mich so viele schöne Momente, dass ich eigentlich keinen besonders hervorheben kann. So richtig schlechte Momente hatte ich zum Glück nie in der Zeit. Sicher gibt es mal Abende, an denen meine Stimme nicht so gut war, oder mir mal eine Saite gerissen ist. Aber das geht anderen auch so, ist halt menschlich.
RockTimes: Während deiner Konzerte spielst du einige Songs bekannter Künstler und Bands. Wie bist du darauf gekommen?
Bjørn: Oh ja, ich spiele sehr bekannte Stücke, aber meist gegen Ende der Show. Da wird es deutlich heftiger und ich rocke so richtig ab. Da gibt es dann was von den Red Hot Chili Peppers und Motörhead. Allerdings muss ich einen Song von Rage Against The Mashine auslassen. Mir fällt einfach der Text nicht mehr ein. Ansonsten spiele ich heute ein sehr gemischtes Programm aus alten und neuen Songs, Folk und Funk, und natürlich Blues.
RockTimes: Warum spielst du nach wie vor als Solo-Künstler, und nicht mit einer Band?
Bjørn: In Norwegen spiele ich manchmal mit einer Band, und ich habe ja auch in jungen Jahren in Bands gespielt. Aber ich habe festgestellt, dass es sehr schwer ist, gute und beständige Musiker zu finden, die auch noch meinen Geschmack teilen. Deshalb habe ich mich entschlossen, grundsätzlich solo zu spielen und nur gelegentlich mit meinen Freunden zu Hause in Norwegen. Es bereitet mir Schwierigkeiten, nach dem Ende einer Tour zu den Musikern zu sagen 'Vielen Dank, das war's, und vielleicht bis irgendwann einmal'. Ich bin seit Jahren nur mit meinem Manager Eric unterwegs. Wir verstehen einander blind und ergänzen einander sehr gut.
Ich denke, dass es vielleicht in ferner Zukunft eine Änderung geben könnte, aber so weit ist es noch lange nicht. Für 2014 plane ich etwas Neues, aber darüber kann ich noch nicht reden. Ich habe zum Beispiel sehr viele Instrumental-Songs, so etwa zwölf bis fünfzehn, die ich gerne vertonen möchte. Ich nehme mir einen nach dem anderen vor und schreibe die Texte dazu. Vielleicht bringe ich dann im nächsten Jahr eine CD mit den vertonten Titeln heraus. Es ist für mich sehr schön, am frühen Morgen in meinem Arbeitszimmer zu sitzen, mir die Songs auf einem winzigen, alten Recorder anzuhören, und mir dazu die passenden Texte zu überlegen. Back To The Roots!
RockTimes: Ein schöner Abschluss eines sehr angenehmen Gespräches. Vielen Dank an dich, und alles Gute für heute Abend und für deine Zukunft. Ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder!
Bjørn: Ebenfalls vielen Dank und bis in ein paar Minuten im Quasimodo!
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