Eine Pause hatten die Black Crowes verdammt dringend nötig, zu Beginn des derzeitigen Jahrzehnts. Es war einfach an der Zeit, mal einen Gang zurück zu schalten, etwas gesünder zu leben und dazu tat es den beiden sich zwar liebenden, aber dennoch stets bis aufs Blut zerstrittenen Brüdern Chris und Rich Robinson sehr gut, einfach mal etwas im Alleingang zu unternehmen. So veröffentlichte Rich in der Krähen-Pause sein Soloalbum und Chris brachte mit seiner Formation New Earth Mud zwei Scheiben auf den Markt. Im Jahr 2005 fand man sich dann aber wieder in der Besetzung Chris & Rich, Marc Ford, Sven Pipien, Steve Gorman und Eddie Harsh zusammen, um einen neuen Anlauf zu starten.
Nach einer seither beachtlichen Anzahl von Konzerten, dem Verlust von Marc Ford und Eddie Harsh sowie dem Gewinn von Luther Dickinson ( North Mississippi Allstars) und Adam McDougall, dem Studioalbum Warpaint und mehreren Live-Mitschnitten, steht nun seit Anfang September das brandneue Album "Before The Frost... Until The Freeze" in den Plattenläden. Und was die Crowes hier abliefern, würde ich schlicht und ergreifend als überragend bezeichnen. Ganz einfach deshalb, weil sie, wie guter Wein (je älter - je besser) einen weiteren riesengroßen Schritt zum perfekten Album getan haben.
"Before The Frost..." besteht aus elf Tracks, die, einmal mehr allesamt aus der Feder von Chris & Rich, das Prädikat 'Rock' für sich beanspruchen können. Dieser Oberbegriff wird dem Album natürlich nicht gerecht, da hier außerdem auch massenhaft Soul, Blues, Country und sogar Disco-Elemente verschmolzen werden. Für die Aufnahmen hätte man sich übrigens keinen treffenderen Ort, als die Scheune von Levon Helm (Ex- The Band) aussuchen können. Erhabene Musik, dargebracht und aufgenommen auf erhabenem Grund und Boden. Aber ich will nicht abschweifen...
Die CD bietet mit "Good Morning, Captain" erstmal einen coolen, federleichten und dennoch sehr gehaltvollen Rocker, der bei mir aufgrund der Einspielung, Produktion und allgemeinen Lockerheit bereits beim ersten Anhören die Ohren klingeln ließ. Die Band swingt hier geradezu, während die rockigen Riffs fließen und auch der Gesang voll ins Schwarze trifft. Grooviger Swamp Rock im besten Sinne ist "Been A Long Time (Waiting On Love)", das in einen regelrechten Studio-Jam im Stile der Stones-Nummer "Can't You Hear Me Knockin'" abdriftet. Adrenalin und Atmosphäre bis zum Abwinken....
Mit "Appaloosa" und "The Last Place That Love Lives" sind zwei grandiose Balladen vertreten, die vor Feeling nur so strotzen und fast alles in den Schatten stellen, was die Band in dieser Richtung bisher auf die Reihe gebracht hat. Rich Robinson hat bei "Kept My Soul" seine ersten Lead Vocals auf einem Studio-Album der Krähen am Start und liefert einen klasse Job ab, selbst wenn er seinem großen Bruder auf diesem Gebiet natürlich nicht das Wasser reichen kann. Dennoch ein willkommener Beitrag, der sogar noch mehr Abwechslung in dieses detailverliebte, mit Überraschungen voll gepackte Werk bringt.
Apropos Abwechslung: "And The Band Played On", eines der vielen vertretenen Highlights, weist gar ein gewisses Beatles-Feeling auf, ohne jedoch jemals darin zu versinken. Viel zu stark sind die eigenen Gesangsmelodien und Hooks der Crowes nämlich auch bei diesem Track. Dann ist da mit "I Ain't Hiding" auch noch der Titel, der wegen seinem Disco-Goove für bisher am meisten Aufregung gesorgt hat. Klar fiel auch mir die Kinnlade runter, als ich diese Nummer zum ersten Mal hörte. Aber was das Stück zu einem großartigen macht, ist die Musikalität dieser Band, die den Track einmal mehr in einem ultracoolen Jam mit viel Feuer unter dem Hintern ausklingen lässt.
Unerwähnt darf ich natürlich meine beiden persönlichen Favoriten nicht lassen. Zum einen ist da "A Train Still Makes A Lonely Sound", eine Rock-Song, der einfach nur süchtig macht durch seine Stones-mäßig lockeren, und dennoch so kräftig zupackenden Riffs und Chris Robinsons abartig guten Gesang, der dem Ganzen die Krone aufsetzt. Und schließlich haben wir "Houston Don't Dream About Me", eine deutlich Country beeinflusste Halb-Ballade, die bei mir sämtliche Sicherungen zum Durchbrennen bringt.
Die Download-Tracks sind dagegen nahezu allesamt sehr Country-beeinflusst, bzw. vereinzelt gar purer Country, was "... Until The Freeze" natürlich wesentlich ruhiger gestaltet, als noch die eigentliche CD. Perlen gibt es aber auch hier jede Menge zu entdecken, wobei "The Shady Grove", "Greenhorn", "Roll On, Jeremiah", "Lady Of Avenue A" und "Fork In The River" ( Gram Parsons lässt grüßen) nur die Spitze des Eisberges darstellen. Für "Aimless Peacock" hat Rich sogar zur Sitar gegriffen und eröffnet damit einen weiteren Horizont.
Für mich war von Anfang an klar, dass ich mir dieses Werk auf (Doppel-) Vinyl besorgen musste. Zum einen, weil ich Downloads eh nicht mag, der weitaus wichtigere Grund war jedoch, dass die insgesamt 20 Tracks hier in gemischter und außerdem der Reihenfolge angeordnet sind, wie die Crowes dieses Werk selbst als Großes, Ganzes sehen. Ich kann euch nur empfehlen ebenso zu verfahren, da der Eindruck dadurch noch mal zu einem ganz anderen und vervollständigt wird.
Dieses Album ist anders als "Warpaint" und alle Scheiben davor. Nachdem ich das neue Werk jetzt zirka zwei Monate rauf und runter gehört habe, kann ich für mich zwei Dinge feststellen: Erstens ist die Scheibe mein absolutes Lieblingsalbum der Band und zweitens hat das Sextett hier ihr ganz eigenes "Exile On Main Street" geschaffen, bei dem ich mir durchaus vorstellen könnte, dass es durch seine Variabilität anfangs nicht unbedingt von jedem Ur-Fan geliebt werden wird. Dennoch wage ich einfach mal zu behaupten, dass diese Scheibe in die Rockgeschichte eingehen wird. "Before The Frost... Until The Freeze" ist ein Meisterwerk, bei dem selbst die Black Crowes zukünftig die größte Mühe haben dürften, sich selbst noch einmal zu übertreffen!
Zum ersten Mal als Rezensent bei RockTimes verteile ich hier die Höchstpunktzahl! Und das aus voller Überzeugung! Dicker Tipp an alle, die echte und ehrliche Rockmusik lieben!
Line-up:
Chris Robinson (lead vocals, guitars, harp)
Rich Robinson (guitars, sitar, background vocals, lead vocals - #7)
Luther Dickinson (guitars, slide guitar, mandolin)
Sven Pipien (bass, background vocals)
Adam MacDougall (keyboards, background vocals)
Steve Gorman (drums & percussion)
With:
Larry Campbell (banjo, fiddle, pedal steel)
Joe Mojestro (percussion)
Tracklist |
CD:
01:Good Morning, Captain
02:Been A Long Time (Waiting On Love)
03:Appaloosa
04:A Train Still Makes A Lonely Sound
05:I Ain't Hiding
06:Kept My Soul
07:What Is Home?
08:Houston Don't Dream About Me
09:Make Glad
10:And The Band Played On
11:The Last Place That Love Lives
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Download:
01:Aimless Peacock
02:The Shady Grove
03:The Garden Gate
04:Greenhorn
05:Shine Along
06:Roll Old Jeremiah
07:Lady Of Avenue A
08:So Many Times
09:Fork In The River
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Externe Links:
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