Wer bisher noch nicht wusste, dass Black 'N Blue astreinen 'Pudelrock' spielen, wird sich dessen spätestens beim Anblick des Covers von "Rarities" bewusst. Das Gruppenfoto vor einer Flammenkulisse und besonders die blonden Locken von Sänger Jaime St. James sind so klischeetriefend, dass es irgendwie schon fast weh tut. Aber ich mag diesen ganzen 1980er-Jahre-Metal so was von gerne, dass mir das herzlich egal ist. So sahen die Bands damals halt aus, Punkt.
Bevor ich nun auf das mir vorliegende Album zu sprechen komme, ist es notwendig, ein wenig in der Bandgeschichte zu wühlen. Black 'N Blue sind hierzulande nämlich nie so bekannt gewesen, wie einige ihrer namhaften Kollegen. Trotzdem sind die Mannen aus Portland, Oregon eine der ersten Vertreter ihrer Zunft. Gegründet im Jahr 1981 von Jaime St. James, den beiden Gitarristen Tommy Thayer und Jeff Warner, dem Bassisten Patrick Young sowie Schlagwerker Pete Holmes, muss man den Herren heute definitiv eine Vorreiterrolle zugestehen. Der Umzug nach Los Angeles im Jahr 1982 brachte erste Erfolge mit sich. So sind Black 'N Blue beispielsweise (neben Metallica, Ratt und Malice) auf dem legendären "Metal Massacre"-Sampler vertreten, welcher ihnen letztendlich zu einem Plattenvertrages beim renommierten Hardrock-Label Geffen Records verhalf. Dort erschien im Jahre 1984 nämlich das gleichnamige Debütalbum. Im folgenden Jahr wurde der Zweitling "Without Love" veröffentlicht, und bevor man sich 1989 vorerst auflöste, kamen noch zwei weitere, von Gene Simmons produzierte Werke heraus: "Nasty Nasty" (1986) und "In Heat" (1988). Danach war wie gesagt erst mal Schluss mit lustig, weil die Verkaufszahlen eher zu wünschen übrig ließen.
In den folgenden Jahren verdingten sich die Bandmitglieder in verschiedenen Projekten, bevor man sich dann 1997 an Halloween für einen einmaligen Reunion-Auftritt zusammentat, dessen Mitschnitt man auf dem Live-Album "One Night Only: Live" (1998) zu hören bekommt. Zu einer langlebigeren Wiedervereinigung kam es letztendlich erst im Jahr 2003, allerdings ohne Tommy Thayer, der seit 2002 bei Kiss in die Saiten greift. Material für ein neues Studioalbum ist bereits geschrieben, man wartet nur noch auf die Veröffentlichung.
Um diese Wartezeit zu versüßen, wurde dann im vorigen Jahr die mir vorliegende Zusammenstellung "Rarities" veröffentlicht, welche nun vom polnischen Label Metal Mind Productions in einer streng auf 2000 Stück limitierten und remasterten DigiPak-Edition neu herausgebracht wird (mein Exemplar trägt die Nummer 62). Der Re-Release ist auf Europa beschränkt. "Rarities" ist, der Titel deutet es an, eine Ansammlung von Demoaufnahmen und Live-Versionen, die man ansonsten und ohne Weiteres nicht bekommen kann. Die Scheibe enthält fünf Stücke von Black 'N Blues frühestem Demo aus dem Jahr 1983: "Violent Kid", "Sign In Blood", "Wicked Bitch", "Cold Heart" und "Hold On To 18". Letzterer Song ist übrigens einer der größten Hits der Band. Das sechste Stück, "Lickety Split", stammt von den "Nasty Nasty"-Aufnahmen, wurde damals aber nicht für das Album verwendet. Die drei darauf folgenden Nummern wurden im Jahr 2002 aufgenommen und sind wohl auch auf dem kommenden Studioalbum enthalten - somit darf man sie als kleinen Appetithappen verstehen. Abgerundet wird das Ganze dann von zwei rumpelnden, schweißtreibenden Live-Versionen, die 1984 in Detroit mitgeschnitten wurden und deren Original-Versionen auf Black 'N Blues Debütalbum zu finden sind.
Fans von Band und Genre können sich "Rarities" also guten Gewissens ins Regal stellen, denn der Name der Scheibe ist wirklich Programm. Allein der rohe Sound der ersten Demo-Aufnahmen lohnt schon den Kauf. Mit Ausnahme der drei Stücke von 2002 zeichnen sich alle Songs durch eine herrlich ungehobelte Atmosphäre aus und können darüber hinaus durch klasse Arrangements überzeugen. Wem der Hair Metal im Allgemeinen immer zu glattgebügelt und poppig erschien, dem sollte dieses Material das Gegenteil beweisen. Der Spirit der frühen 1980er Jahre wird gerade durch die Songs des ersten Demos wunderbar in die Gegenwart katapultiert und man merkt Black 'N Blue die stilistische Nähe zum 'echten' Metal dort deutlich an: Das treibende "Violent Kid" lädt zum Headbangen ein, "Sign In Blood" ist astreiner, melodischer Metal inklusive typischer Gitarren-Leads, "Wicked Bitch" stampft daraufhin wunderbar im Midtempo-Bereich vor sich hin und überzeugt durch seinen Faust-in-die-Luft-Refrain. Und natürlich gehen auch "Cold Heart" sowie "Hold On To 18" gut nach vorne.
Schade finde ich allerdings die magere Aufmachung dieses Re-Releases. Für ein auf 2000 Stück limitiertes Teil erwarte ich doch etwas mehr als ein aufklappbares Booklet mit zwei Liedtexten ("Hold On To 18", "Autoblast"). Da hätte man sich wirklich mehr Mühe geben sollen, anstatt nur den zahlenden Kunden im Blick zu haben... .
Unterm Strich überwiegen jedoch die Vorteile von "Rarities", da dem Fan hier ausnahmslos seltenes sowie bisher unveröffentlichtes Material geboten wird. Als Anspieltipps müssen definitiv "Violent Kid", "Sign In Blood", "Wicked Bitch", "Hold On To 18", "Hell Yeah" und "Autoblast" empfohlen werden.
Anmerkung: Alle auf "Rarities" enthaltenen Songs wurden von der unten stehenden Besetzung eingespielt, ausgenommen "Serious Drag", "So Long" und "Hell Yeah". Dort sah das Line-up folgendermaßen aus: Jaime St. James: Gesang und Schlagzeug, Billy Morris: Gitarre, Joe Frietchen: Bass, Danny Morris: Keyboard. Die aktuelle Besetzung von Black 'N Blue hingegen ist bis auf Tommy Thayer dieselbe wie unten. Anstelle von Thayer spielt heute Shawn Sonnenschein Gitarre.
Line-up:
Jaime St. James (vocals)
Tommy Thayer (guitars)
Jeff "Woop" Warner (guitars)
Patrick Young (bass)
Pete Holmes (drums)
Tracklist |
01:Violent Kid (3:30)
02:Sign In Blood (3:33)
03:Wicked Bitch (4:36)
04:Cold Heart (4:18)
05:Hold On To 18 (4:30)
06:Lickety Split (3:09)
07:Serious Drag (3:49)
08:So Long (2:43)
09:Hell Yeah (3:45)
10:Autoblast [Live] (4:24)
11:I'm The King [Live] (4:51)
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Externe Links:
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