Im normalerweise frostgebeutelten Monat Januar bietet es sich eigentlich an, Musik zum Kaminfeuer abzuliefern oder sich gar der sogenannten Saure Gurken-Zeit der Musikbranche zu ergeben.
Entgegen allen Vorurteilen gibt es glücklicherweise noch Musiker, welche ihre Schaffenskraft und Kreativität völlig jahreszeitenunabhängig ausleben bzw. unters Rock'n'Roll-süchtige Volk streuen.
So liegt uns nun pressfrisch das erste Soloalbum von Karlheinz 'Kalle' Wallner vor, welcher als Gitarrist der herausragenden Freisinger Progrock-Formation RPWL wohl bisher zum Sound des Quartetts maßgeblich beigetragen hat. Wenn schon das Original um die musizierende Herrenriege aus dem Großraum München gerade Sendepause hat, muss man dennoch auf die wohlverdiente Portion germanischen Progrocks nicht gänzlich verzichten.
Mit dem Alleinausflug des RPWL-Gitarristen gibt es nun ausschließlich sehr
persönliches Material zu hören, welches aber keineswegs seine offensichtlichen musikalischen Wurzeln verbirgt.
Bei eben diesem Bandprojekt ist jedenfalls der Name Blind Ego Programm, um damit
eine Reihe bewegender, sehr intimer Lebensmomente Revue passieren zu lassen bzw. musikalisch aufzuarbeiten.
»Die "Mirror"-Songs stammen aus unterschiedlichen Phasen der letzten drei Jahre«, so Karlheinz Wallner. »Privat war das für mich eine sehr turbulente Zeit.Obwohl ich ursprünglich nicht auf autobiographische Themen zurückgreifen wollte, ist es dann doch passiert. Die Stücke resultieren aus den verschiedensten Emotionen:Wut, Hass, Trauer.
Beim Schreiben habe ich quasi ein wenig Seelenstriptease betrieben und versucht, das Ganze in intensive Musik umzusetzen.«
Mit dem gleichen Ernst wie er sich sonst bei seiner Stammformation engagiert, legt er mit "Mirror" Wert auf Seriosität und Anspruch.
Die Stimmungen, Dynamikwechsel, Intensität und ein nahezu perfekter Sound sind vorzüglich an so mancher europäischen Vorgabe angelehnt, selbst auf psychedelische Intermezzi wurde dabei nicht verzichtet. Aber dennoch schaffen es die Akteure um den Gitarristen, mit eigenen Ideen die Identität zu bewahren.
Mit Sicherheit sind die teilweise komplexen Kompositionen der gut arrangierten Rockmusik
verbunden, die ohne Zweifel auch einen gewissen Ohrwurmcharakter und Gehalt besitzen.
Auch der angenehme, auf die beiden Charaktere John Mitchell ( Kino, It Bites, Arena) und
Paul Wrightson (ex- Arena) abgestimmte Gesang, gibt den zehn Songs, ohne zu konstruiert oder gar gefällig zu klingen, die nötige Contenance.
Ich denke, Kalle Wallner ist es mit seiner musikalischen Eigenfokussierung gelungen,
diverse Stimmungen und Komplexitätslevel in recht gebündelter Abfolge hervorragend
und harmonisch zu kombinieren.
Trickreiche und heile Grooves, schöne und verstörte Melodien, fesselnde Harmonien,
Vibrationen die aufreiben, sind Aspekte, mit denen der Gitarrist das eigene Verständnis von seiner musikalischen 'Seelenreise' zu beschreiben versucht.
Eine Entdeckungsreise durch den Progrock-Dschungel dieser Welt ist es allemal, was Kalle gemeinsam mit seinen Kollegen John Jowitt ( IQ, Jadis) am Bass, Tommy Eberhardt am Schlagzeug und den beiden schon erwähnten Gesangkoryphäen nebst diversen Gästen (u.a. Clive Nolan) in zehn Eigenkompositionen durchmisst.
Das reicht von verspielter Lyrik und zartem Single-Note-Spiel auf der Gitarre in "Black Despair" über schwebende klassische Sounds ("Dont Ask Me Why"), bis attackierend Rockiges und rein Instrumentales, wie bei "Obsession" oder auch "Open Sore".
Dennoch folgt das relativ breite Spektrum den musikalischen Aussagen und deren verschiedenen Charaktere glücklicherweise nicht dem Prinzip der Beliebigkeit, sondern dient sowohl im Gesamtkonzept, wie auch innerhalb der Kompositionen dem logischen Spannungaufbau.
Belebt werden die Stücke zudem teilweise von einer trickreichen Saitenkombination aus 8er und 5er Takten, und konzertanten Keyboard-Geflechten.
Mit den beiden Longtracks auf diesem Album schicken Kalle und seine Mannen den Hörer auf eine mitunter abenteuerliche Exkursion durch die Untiefen der menschlichen Psyche,
welche sich aber jenseits verwirrender Momente lohnen kann, weil es hinter dem, was einem abverlangt wird, einen besonderen Zauber bereithält.
Ein Zauber, der in Form von faszinierenden Sound-und Rhythmusstrukturen und Verläufen besticht, wobei der komplexeste, von Tastenwällen nur so strotzende "Forbidden To Remain" mit einem psychedelischen Mittelteil und einem elegischen Floyd'schen Gitarrensolo, wohl den musikalischen Gipfel auf "Mirror" manifestiert.
Alle Tugenden und Elemente eines anspruchsvollen Rockwerkes sind hier bravourös vereint:
Mächtige Tastenintonationen, klasse Gitarrensoli (auch akustisch), eine gute Rhythmusarbeit, sauber und präzise dargeboten, lässt das Ganze wahrlich nicht wie einen unausgegorenen Schnellschuss wirken.
Ein abwechslungsreiches erwachsenes Spiel über die gesamte Distanz, belegt die Eigenständigkeit und künstlerische Reife Karlheinz Wallners und seiner Mitmusiker.
Für den Prog Metal-Fan mag es ziemlich zahm zugehen, doch der gemeine Neo Prog-Fan wird von diesem Album sehr angetan sein.
Jedenfalls dürfte dieses wohltuende Menü den langjährigen RPWL-Fans munden, denn der Saitenmann verleugnet seine Bandzugehörigkeit keineswegs.
Schwachpunkte lassen sich beileibe kaum ausmachen, selbst das ausgegrabene Violet District-Stück "Artist Manque" geht als Bonus mehr als in Ordnung.
"Mirror" ist ein hörenswerter, technisch einwandfreier Output, welcher auch bei mehrmaligem intensivem Anhören immer wieder überrascht und nie langweilt.
Produzent: Yogi Lang (für Farmlands Music)
Tracklist |
01:Obsession (4:21)
02:Moon And Sun (5:07)
03:Break You (6:16)
04:Black Despair (6:48)
05:Open Sore (3:13)
06:Hollowed (1:27)
07:Mirror (4:26)
08:Don't Ask Me Why (8:11)
09:Moorland (4:14)
10:Forbidden To Remain (10:04)
11:Artist Manque (6:42) [Bonus]
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