Blue Babies / F.B.I.
F.B.I. Spielzeit: 44:18
Medium: CD
Label: Jazzhaus Records, 2010
Stil: Ska'n'Roll

Review vom 02.02.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Da fährt ein Auto vor und die Scharniere der sich öffnenden Tür quietschen ganz verdächtig.
Mit sonorer Stimme erzählt uns ein Mann von einer Organisation, die hinter langsam spielenden Bands her ist. Achtung, da wird es ja richtig gefährlich, wenn man ins observierende Auge vom 'F.B.I.' gerät. Gemeint ist nicht das investigative Büro auf der anderen Seite des großen Teiches, sondern die 'Fast Beat Inc.'.
Seit Ende der Neunzigerjahre verunsichern die Blue Babies mit ihrem Ska'n'Roll die Republik. »Egal ob abgeranzte Halle oder gebügeltes Stadttheater, egal ob Club, Straßenbahn, Cafè oder Frisörsalon, die BLUE BABIES spielen, wo man sie läßt und sie bringen alle zum tanzen.«
Okay, dann wollen wir uns der neuen Platte doch gerne widmen.
Schon bei den gespielten Instrumenten zählt die Freiburger Band zu den Ausnahmen. Ein Saxofon, statt einer Hornsection und dann ist bezüglich der Keyboards eine Fehlanzeige angesagt. Stattdessen gibt es Klänge aus dem Akkordeon.
Schaut man das wirklich schön gestaltete Booklet durch, eröffnet es, dass die Süddeutschen die CD nicht ganz alleine aufgenommen haben.
Reamonn-Mann Uwe Bossert hat ein Gitarrensolo beigesteuert und Philipp Rauenbusch, ein weiterer Reamonn, saß an den Reglern und hat den Sound klasse in Form gebracht.
Rob Salomon von The Busters posauniert einmal, Micki Summ spielt Piano ("How Can I Say") und Sylvia Oelkrug die Violine in "Chanson".
Die Vorgabe der 'Fast Beat Inc.' ist klar... wehe, hier wird in den ersten Gang der Rhythmik zurückgeschaltet. So, wie sich der Typ im "Intro" vorgestellt hat, kennt die musikalische Detektiv-Organisation keine Gnade. Also erwartet der Hörer Uptempo-Songs mit Schmackes.
So ist es dann auch: Die Blue Babies zelebrieren vorzüglichen Ska mit allerlei schönen und schrägen Einflüssen. Noch etwas passt super in den Band-Sound: Matthias Conzelmann zupft die dicken Saiten vom Kontrabass.
Hochoktanig legt man mit "F.B.I." eine deutliche, nachzuvollziehende Fährte, die umgehend in die Beine geht. Das Saxofon treibt die Bandmeute voran. Die Gitarre heult im Hintergrund und die gesamten Vocals gehen anstandslos durch die Qualitätskontrolle.
Jeder Nacktscanner würde Alarm schlagen, denn die Musik ist hochexplosiv.
Mal liefert die Gruppe ihren Ska'n'Roll lupenrein, mal orientiert man sich am artverwandten Reggae, wie in "A La Ska". Und wenn sie »give me an off beat from Jamaicas chest
and fill the whole thing up with urban jazz «
singen, dann ist dem auch so. Auch Uwe Bossert sorgt für jazziges Feeling, wenn er auf seiner Posaune soliert. Klasse!
Weiter geht es mit "Opposites Attract" und das Akkordeon, von Rainer Lenz gespielt, passt so etwas von toll und wie selbstverständlich zum Blue Babies-Stil. Herrlich! Nikolaus Halfmanns Saxofon wird des Öfteren angereichert und dann klingt es wie eine Brasssection.
Neben vielen Perlen finden sich auch einige andere Kleinode auf der Platte.
So slidet Andreas Kopfmann seine Gitarre und mit Unterstützung von der Quetschkommode sowie Micki Summs honky Piano servieren die Freiburger einen wunderschönen Country-Schunkler. Ja, das geht auch und richtig gut!
Der Rhythmus wiegt sich durch "Spam", das mit einigen Tempowechseln richtig locker groovt und dann gibt es den "Bollywood Ska". Wir befinden uns auf einem Basar, Sitarklänge sind zu hören und nach dieser Einleitung zieht es dem Hörer die Socken aus. Ein herrliches rundum sorglos Lied mit indischem Flair kommt auf den Plan. Selbst der Gesang hat diesen typischen Einschlag, wenn Inder Englisch sprechen. Oh Mann, die Blue Babies sind mit allen Wassern dieser Welt gewaschen worden. Durch das Sopransaxofon schaut man auch noch einem Schlangenbeschwörer in die Augen.
Die Atomic Fireballs aus Detroit waren mit dem von John Buckley komponierten "Man With The Hex" auf dem "American Pie"-Soundtrack vertreten. Die deutschen Ska-Spezialagenten machen einen echten Hinhörer daraus und versehen die Coverversion mit ihrem eigenen Stempel.
Nun sind wir bei den Fremdkompositionen angekommen.
Die Weiteren habe ich mir ein wenig aufgespart. "Never Marry A Railroad Man", "Mighty Joe" oder "Inkpot" waren Hits der niederländischen Shocking Blue. "Venus" startete Ende 1969 zur Hitparaden-Weltumrundung und wird jetzt durch die Blue Babies wiederbelebt. Und wie! Wo steckt bloß die Quelle dieser Kreativität? Die Frage muss an dieser Stelle gestellt werden. Was aus der Vorlage gemacht wird, hat Stil! Die Begeisterung des Rezensenten ist grenzenlos.
Dann gibt es noch "Tainted Love". Ne, dachte ich, aus der Soft Cell-Nummer ein Ska-Cover machen, geht doch nicht. Das Quintett kann es und belehrt uns eines anderen. Mit satten Gitarrenriffs, pumpendem Kontrabass und diesem Akkordeon gelingt es der Combo, den Hörer voll und ganz zu überzeugen. Bosserts Sechssaitersolo ist nicht von dieser Welt. Eine herrliche Predigt aus der Ska-Kanzel. Respekt!
Es kommt, wie es kommen muss.
Die Band wagt zum Schluss einen langsamen Track und wird glatt von der 'Fast Beat Inc.' ertappt. Eine weitere super Nummer mit Sylvia Oelkrug an der Violine. Das Fazit ist kurz: die Blue Babies, immer gerne...
Line-up:
Nikolaus Halfmann (saxophones)
Rainer Lenz (accordion, vocals)
Andreas Kopfmann (guitars)
Matthias Conzelmann (upright bass, vocals)
Michael Schillinger (drums)

With:
Uwe Bossert (guitar solo - #10)
Rob Solomon (trombone - #3)
Micki Summ (piano - #7)
Sylvia Oelkrug (violin - #12)
Lenon Peachman (FBI-intro - #1)
Gil Webster (indian talking - #9)
Pascale Valy (citation - #12)
Tracklist
01:Intro (1:09)
02:F.B.I. (3:40)
03:A La Ska (3:40)
04:Opposites Attract (3:46)
05:Venus (3:48)
06:Come With Me (1:24)
07:How Can I Say (4:14)
08:Spam (4:36)
09:Bollywood Ska (4:36)
10:Tainted Love (3:18)
11:Man With The Hex (3:02)
12:Chanson (6:59)
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