Leck die Söck, kann Musik speziell sein!
Boister, eine Band aus Baltimore, macht schon aus dem Albumtitel etwas Besonderes: "Some Moths Drink The Tears Of Elephants". Auffallender geht es wohl nicht und dann auch noch so lang, der Titel. Das schreit nach Abkürzung: 'SMDTTOE'.
Als Zentrum der Boister-Band darf man durchaus Anne Watts bezeichnen. Sie ist Künstlerin im wahrsten Sinne des Wortes.
Neugierig auf das Leben dieser Frau und der anderen Boister-Mitgliedern wird man ganz automatisch. So weit bringen einen die ersten beiden Lieder schon. Da muss Hintergrund rein und siehe da... die Lebensgeschichten sind genau so wie die Musik. Anders halt. Wer spricht da schon von normal, wenn die Watts im Zusammenhang mit dem Opus B, einer »arts cooperative«, dessen Mitbegründerin sie war, im Seniorenheim den schizophrenen John Englehart traf und sie aus der engeren Zusammenarbeit die künstlerischen Fähigkeiten dieses Mannes zutage förderte. Ebenfalls gibt es dazu einen Liederzyklus mit dem Titel "Melee Au Soleil". Auch all das, was sich sonst noch so um die Lebensvergangenheit von ihr und der anderen rankt, ist ein kreatives Schaffen in Theater, (Stumm-) Filmmusik, Malerei, Schriftstellerei und Kleinkunst.
Im Zusammenhang mit dieser Künstlerin tauchen Namen wie Lester Bowie, Ronald Wiggins, Monika Jacuk, Artur Schnabel auf und sie spielt neoklassisches Piano.
Der Posaunist Craig Considine spielt in einigen Big Bands und der Gitarrist Curt Heavey hat Dutzende Klavierkompositionen von Bartok, Bach, Brahms und Prokofiev für die Gitarre umgeschrieben.
Denis Malloy (Bassklarinette) ist in Orchestern tätig und formiert zusammen mit Heavey unter dem Namen The Radio Brothers. Auf deren Setlist stehen Jazzstandards und Kompositionen von Bach, Chopin und Ravel.
Folglich beste Voraussetzungen für ungewöhnliche Musik.
Mag sein, dass 'ungewöhnlich' zwar den Nagel auf den Kopf trifft, aber es sollte zugleich auch provokant hinzugefügt werden.
Melancholie pur und dann auch noch in Zeitlupentempo gespielt. So beginnt die Platte mit dem langen Titel. Obendrein hat die Watts auch noch eine Stimme, die zu solch trauriger Musik passt. Für den Hörer könnte ein Taschentuch hilfreich sein. Oh Mann, das kann einen runterziehen und die CD scheint schon zu Anfang auf ihren nicht alltäglichen Einsatz hinzuarbeiten.
Dann lässt sie sich im von Bertolt Brecht geschriebenen "Song Of The Eighth Elephant" zunächst nur von der Bassklarinette begleiten und mit einer den Tränen nahen Stimme kann einen so etwas noch weiter in Richtung Keller der Gefühle bringen. Na ja, zwischendrin nimmt der Track auch Fahrt auf und besagte Bassklarinette als auch Posaune solieren.
Wo Traurigkeit und Melancholie ihren Einstand haben, ist die Sehnsucht nicht weit entfernt und die flüstert dem geneigten Hörer ins noch aufnahmefähige Ohr: »Gibt es auch freudvolle Musik auf dieser Scheibe?«
Boister beantwortet diese Frage selber, denn man muss nur Geduld haben. Die steht eh auf dem Prüfstand und das Sextett gibt schon hörenswerte akustische Belege der guten Laune ab.
Neben Songs, die eine Nähe zum Chanson haben, kann die Gruppe sogar rocken. Aber bitte sollte man das im von der Band abgesteckten Rahmen betrachten. Es gibt frisch klingende Stücke, es gibt auch Klangkollagen. Besonders interessant, wenn diese von Bassklarinette oder Posaune erzeugt werden.
In ihrer tränenreichen Reise führt uns Boister auch auf den Balkan oder singt in französischer Sprache.
Genau hier steigt die Kurve der Hörgenüsse, denn einen derartigen Blues habe ich noch nicht zu Ohren gekommen. In "Nantes", einem traditionellen Stück, von Watts arrangiert, spielt Heavey eine herrlich sanft-bluesige Gitarre. Klar, auch hier darf die Klarinette nicht fehlen, aber der Gitarrist setzt in dieser Nummer die Akzente und die sind so richtig gut. Ebenfalls ungewöhnlich: das Akkordeon shuffte.
Wenn man dann Titel wie "Dance In The Cellars (Ardennes)" einfach nur liest, bekommt man schon eine Vorahnung... wird dann aber eines Besseren belehrt. Hier geht die Boister-Post ab.
In "Lia", einem Instrumental, wird das Sonnenlicht im dahinfließenden Wasser eines Baches wunderschön reflektiert. Bass, Banjo und Akkordeon bestimmen diese Nummer und mit seinem verschleppten Tempo ist auch "Old House" ein feines Stück Musik.
Im wahrsten Sinne des Wortes beinhaltet diese Platte Lieder des Schattens sowie Lichts und ist damit wirklich ein alternatives Hörvergnügen. Nicht alle von Jim Dickinson produzierten Songs sind eine Liebe auf den ersten Blick und sicherlich ist Boisters Musik zwischen Chanson und Experiment auch nicht jedermanns Sache.
So ist es halt bei der Kunst... nicht alle Gemälde in einer Galerie gefallen dem Betrachter.
Line-up:
Anne Watts (accordion, piano, vocals)
Curt Heyvey (guitar, banjo)
Craig Considine (trombone)
Denis Malloy (bass clarinet)
Chas Marsh (bass)
Lyle Kissack (drums, percussion)
Tracklist |
01:Limes (3:50)
02:Song Of The Eighth Elephant (3:10)
03:Stone (3:40)
04:Spy (2:52)
05:Some Moths Drink The Tears Of Elephants (4:41)
06:Bubble Pu The Melodies (2:17)
07:Nantes (4:50)
08:Thank You (3:39)
09:Ocean Boy (2:07)
10:Lia (2:38)
11:Dance In The Cellar (Ardennes) (3:52)
12:Old House (4:29)
13:Thought Bubble (4:07)
14:Zebra Laugh (0:14)
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