Boister / Your Wound Is Your Crown
Your Wound Is Your Crown Spielzeit: 43:28
Medium: CD
Label: Piano Parasite Productions, 2014
Stil: Alternative Music

Review vom 31.10.2014


Joachim 'Joe' Brookes
Da sind sie wieder, die Querköppe von Boister aus Baltimore. Anne Watts, die fantasievolle Architektin von zehn Kompositionen hat sieben Projektmitglieder, die ihren ideenreichen Vorstellungen von Musik Formen und Farben geben. Wenn auf der Boister-Facebookseite als Genre »unclassifiable« geschrieben steht, dann darf man davon ausgehen, dass das Oktett Lieder serviert, die fernab von Eingängigkeit sind. Dem entgegen halten könnte man, dass alles nur eine Sache der Gewöhnung ist. Allerdings sind die zehn Nummern nicht gewöhnlich.
Boister macht eben Musik, mit der man sich beschäftigen muss, die den Hörer auf gewisse Weise fordert und wenn man während der gut dreiundvierzig Minuten einmal einen Türöffner gefunden hat, dann fördern die Sounds auch die Sichtweise auf die Musik.
Das Album steckt voller Überraschungen. Man muss sich damit abfinden, die Band nicht kalkulieren zu können. Dafür sind Boisters Künste viel zu eigenwillig, was schon bei der Verpackung beginnt. Wenn man hier von Digipak spricht, dann ist es die wohl einfachste Ausgabe einer CD-Verpackung, aus Umweltpappe hergestellt, die man sich vorstellen kann. Im Innenteil befindet sich nur die Platte. Auf der Rückseite gibt es die Tracklist, Angaben zu den beteiligten Musikern und die weiteren, bekannten Informationen. Zusammengehalten wird die Chose von einem schwarzen Gummiband.
Mit dem puristischen Opener "Emmeline (Prelude)" wird quasi schon eine erste Boister-Kuschelzeit eingeläutet. John Dierker führt uns mit seiner Klarinette durch den ergreifenden Track und Gitarrist Warren Boes liefert dazu Tonfolgen, die zwischen Blues sowie Jazz pendeln.
Der Beginn von "Skate" ist ein minimalistisches Spielobjekt der musikalischen Begierde und Anne Watts' Stimme schwankt zwischen laszivem Gesang und dem fast gesprochenen Wort. Boister serviert Musik ohne chemische Zusätze. Die Atmosphäre des Magpie Cage Studios in Baltimore ist zum Greifen nahe und hier entsprechend beklemmend. Erlösung findet man in einem Zwischenspiel von in den Vordergrund gestellten Blasinstrumenten. Warren Boes gibt in Ansätzen Melodien preis.
Das erste Stück ist nicht unbedingt der Türöffner für "Your Wound Is Your Crown". Die gerade erwähnte Nummer oder "Crown" könnten dem interessierten Leser dafür schon eher dienlich sein.
Geometrische Figuren verlieren bei "Crown" ihre Formen, Grenzlinien zerfließen in ein nicht zu überhörendes Boister-Universum. Plötzlich eingestreute Phasen mit einem fast eingefrorenen Tempo werden zu einem Lied im Lied. Mit spielerischer Leichtigkeit wird die Schwerkraft außer Kraft gesetzt und Anne Watts lässt ihren Gefühlen freien Lauf.
Ihre Tasten-Einsätze sind scheinbar gleitende Übergänge vom Licht zur Dunkelheit und die Blasinstrumente klingen zeitweise wie zart fallende Blätter im Herbst. Songs bekommen bei ansteigender Dynamik ein symphonisches Klangbild. Avantgardistische Sounds treffen auf Jazz und Blues. Oft begleiten perkussive Rhythmen den Chanson Noir von Boister.
Eine scheinbar zeitlose Originalität entwickelt sich aus einem von der Band kreierten Minimalismus und Abstecher nach New Orleans beziehungsweise an die Seine sind Stimmungsaufheller oder so beruhigend wie das Rauschen des Meeres. Boisters "14" rockt die vier Wände. Das Saxofon, ebenfalls von John Dierker gespielt, erzeugt kurios-melodische Bilder in Blau und dazu serviert die Rhythmusabteilung einen stampfenden Rhythmus. Dann kommt es abermals zu einem ersten Stimmungswechsel. Man verschärft den Rock und John Dierker erliegt seinem Faible für den Jazz. Diese Atmosphäre wird abrupt abgebrochen und Anne Watts spielt ein Pianosolo mit Lullaby-Charakter. Unkalkulierbar, die Gruppe!
"Yellow Sands" ist die fast siebenminütige balladesk-kathedrale Hymne von schwebender Anmut. Bei der Reduktion auf das Wesentliche kann Anne Watts einfühlsam singen und bei der hier präsentierten Mischung aus Melancholie und Sehnsucht bekommt man definitiv eine Gänsehaut.
Boisters "Your Wound Is Your Crown" ist die extravagante Entführung aus dem Alltag. In der Reduktion auf das Wesentliche liegt der Aufstieg einer Kapelle, die leider wohl nie aus ihrem Nischendasein herauskommen wird. Aber gerade solche Bands muss es geben, um einen besonderen Kick zu erhalten und auf den Kern zu kommen.
Line-up:
Warren Boes (guitars)
Craig Considine (trombone)
John Dierker (bass clarinet, tenor saxophone)
Jim Hannah (percussion)
Lyle Kissack (drums, cymbals)
Chas Marsh (bass)
Anne Watts (vocals, piano, Rhodes, pianola, accordion)
Glenn Workman (organ)
Tracklist
01:Emmeline [Prelude] (3:11)
02:Skate (4:35)
03:Crown (4:28)
04:Sycamore (5:03)
05:Martillo (3:12)
06:Swan Dive (3:51)
07:14 (4:50)
08:Yellow Sands (6:43)
09:Perseids (3:09)
10:As The Ship Goes Down (4:27)
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