Bon Jovi / Greatest Hits
Greatest Hits Spielzeit: 74:14
Medium: CD
Label: Island Records/Universal, 2010
Stil: Rock

Review vom 01.12.2009


Moritz Alves
Wir schreiben das Jahr 2010, das Weihnachtsfest rückt so langsam in greifbare Nähe, und von Bon Jovi erscheint die drölfzigste Best-of-Zusammenstellung (na gut, seien wir ehrlich: es ist 'erst' die fünfte offizielle). Ursprünglich als finanzieller Ausgleich für das vorletzte Studioalbum Lost Highway (2007) gedacht, dessen musikalischem (New Country-) Konzept und Potenzial die Plattenfirma nicht so recht über den Weg traute, ist "Greatest Hits" dieser Tag nun doch erschienen - denn obwohl sich "Lost Highway" rückblickend doch sehr gut verkauft hat, will man die Bon Jovi-Cash-Kuh offenbar bis zur Erschöpfung melken. Klappt zumindest hierzulande ja auch wirklich gut, denn kurz nach Erscheinen raste "Greatest Hits" an die Spitze der deutschen Charts - und da sag noch mal jemand, der deutsche Durchschnitts-Rockhörer wäre nicht durchschaubar...
Nun ja, Bon Jovi sind eben schon seit 15 bis 20 Jahren in deutschen Wohnzimmern heimisch und werden deshalb von mir gern als 'Hausfrauen-Rock' abgetan - genau diese Mittelstands-Klientel wird jetzt auch bei "Greatest Hits" wieder (unreflektiert) zugegriffen haben, obwohl man die auf dieser Silberscheibe enthaltenen Songs zu 90 Prozent schon x-mal irgendwo zu Hause im Regal oder als Datei auf dem Rechner gelagert haben muss.
Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn man als Hard Rock-Fan behauptet, dass seit der ultimativen "Cross Road"-Hitsammlung (1994) kaum noch sonderlich erwähnenswerte bzw. gute Bon Jovi-Songs erschienen sind. Stattdessen komponieren die Herren mittlerweile (speziell seit der Millenniumswende) nur noch einen ärgerlichen 08/15-Mainstream-Rock-Einheitsbrei, der genau auf kommerzielle Radioformate zugeschnitten ist und somit jedem Fan mit ehrlichem Interesse an der Musik binnen Sekunden wieder aus sämtlichen Öffnungen im Kopf herausquillt. Ob es nun "Have A Nice Day", "We Weren't Born To Follow" oder (die brandaktuelle Single) "What Do You Got?" ist - es ist alles ein und derselbe Dünnpfiff ohne großartigen Tiefgang.
Längst vorbei sind die Zeiten, da Bon Jovi mit echten, substanziellen Hits à la "You Give Love A Bad Name", "Wanted Dead Or Alive", "Bad Medicine" oder "I'll Be There For You" (Hard-) Rock-Standards setzen konnten und sich damit ihren heutigen Superstar-Status erspielten. Doch diese musikalische Relevanz ist lange passé. Dessen wird man sich angesichts der 16 Songs umfassenden "Greatest Hits"-Scheibe einmal mehr schmerzlich bewusst, die übrigens vom künstlerisch vergleichsweise anspruchsvollen "Lost Highway" keinen einzigen Titel enthält. Des weiteren wird einem der Alterungs- und Verweichlichungsprozess dieser Band besonders vor Augen geführt, wenn in der Trackliste einem geilen Hard Rocker der Marke "Bad Medicine" das zahnlose Pseudo-Rebellenstück "We Weren't Born To Follow" (gääähn) folgt. Das tut schon ziemlich in den Ohren weh...
Neben diesen (eigentlich ja nicht neuen) Erkenntnissen präsentieren uns Bon Jovi und ihre Plattenfirma als kleinen Kaufanreiz hier zwei gänzlich neue Songs, von denen aber höchstens "No Apologies" einigermaßen erwähnenswert ist, während der Weichspüler "What Do You Got?" als typische Bon Jovi-Belanglosigkeit sofort wieder aus dem Gedächtnisspeicher verschwindet. Andererseits darf man sich glücklicherweise auch über im kommerziellen Radio weniger Präsentes wie "Born To Be My Baby", "Lay Your Hands On Me" oder "Bad Medicine" freuen. Und während man diese Tracks wohl als Zugeständnis an die echten Fans verstehen darf, fällt abseits von Nummer-Sicher-Evergreens wie "Livin' On A Prayer", "It's My Life", "Bed Of Roses" oder "Always" auf, dass Titel vom "These Days"-Album (1995) wieder mal komplett vergessen worden sind.
Sicher, bei einer solchen "Greatest Hits"-Zusammenstellung, die naturgemäß nur einen kleinen Teil der Schaffensphase dieser seit über 25 Jahren erfolgreichen Band abdecken kann, können es die Verantwortlichen im Grunde keinem Hörer hundertprozentig recht machen. Aber wenn man dann berücksichtigt, dass dieser Silberling insgesamt schon der fünfte seiner Art ist, darf man sich schon mal vorsichtig fragen, wo denn die wirklich lohnenswerten Neuerungen geblieben sind, wenn schon die zwei neuen Songs dafür nicht taugen. Dass die Booklet-Gestaltung der Scheibe (trotz coolem, Rock'n'Roll-kompatiblem Artwork) äußerst dürftig ist, darauf soll hier lieber gar nicht weiter eingegangen werden.
Somit kann letztendlich festgehalten werden, dass es seit "Cross Road" nicht viel Neues, Spannendes im 'Staate' Bon Jovi gegeben hat. "Greatest Hits" beweist dies auf ganzer Linie (eben auch weil "Lost Highway" hier gänzlich ausgeklammert worden ist) und zeigt dadurch eindrucksvoll, dass Bon Jovi seit "Keep The Faith" (1992) für echte Rockfans einfach ziemlich langweilig geworden sind. Als Hard Rock kann man das Ganze bekanntlich schon ganz lange nicht mehr bezeichnen, stattdessen fabrizieren die Herren Jon Bon Jovi, Richie Sambora, David Bryan und Tico Torres nur noch Musik für die (Ü30-) Mitte. Der Verfall dieser Band wird jedem Fan anhand einer solchen Gesamtschau jedenfalls wieder mal so richtig schön vor Augen geführt...
Anmerkung: Zusätzlich zur hier besprochenen Standardausgabe ist "Greatest Hits" auch als "Ultimate Collection" im Doppel-CD-Format mit 30 Songs (darunter dann endlich auch "Lost Highway"- und "These Days"-Nummern) inklusive vier neuer Tracks erhältlich. Bei beiden Versionen werden die Überschneidungen zu "Cross Road" deutlich: Enthält allein die Einzel-CD ganze neun identische Titel, sind es beim Doppeldecker insgesamt 14 Überschneidungen.
Somit möchte ich Fans allerhöchstens zum Kauf der "Ultimate Collection" (oder aber zur "Ultimate Video Collection"-DVD) raten. Wer sich dagegen lediglich einen Überblick über das Schaffen der klassischen Bon Jovi machen möchte, ist mit der preiswerteren "Cross Road"-Scheibe nach wie vor allerbestens bedient.
Line-up:
Jon Bon Jovi (lead vocals)
Richie Sambora (guitars, backing vocals)
David Bryan (keyboards)
Tico Torres (drums, percussion)
Tracklist
01:Livin' On A Prayer (4:13)
02:You Give Love A Bad Name (3:46)
03:It's My Life (3:46)
04:Have A Nice Day (3:48)
05:Wanted Dead Or Alive (5:11)
06:Bad Medicine (5:16)
07:We Weren't Born To Follow (4:03)
08:I'll Be There For You (5:46)
09:Born To Be My Baby (4:40)
10:Bed Of Roses (5:40)
11:Who Says You Can't Go Home (3:50)
12:Lay Your Hands On Me (3:49)
13:Always (5:56)
14:In These Arms (5:19)
15:What Do You Got? (3:47)
16:No Apologies (3:44)
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