Es ist vollbracht! Bonfire lassen ihrem Anfang 2008 erschienenen Studioalbum The Räuber in Form dieser Doppel-DVD jetzt ein optisches Pendant folgen. Diese Doppel-DVD sollte all diejenigen glücklich stimmen, die die Theateraufführungen im Februar und Mai diesen Jahres verpasst haben bzw. sich gern nachträglich noch mal in den eigenen vier Wänden davon begeistern lassen möchten.
Als ich jenes Studioalbum damals rezensierte, war noch nicht abzusehen, in welche Richtung sich das ehrgeizige Projekt der Ingolstädter Hardrocker und des Regisseurs Pierre Walter Politz entwickeln würde. Nach mehr als zwanzig ausverkauften Vorstellungen ist aber klar, dass es als voller Erfolg zu verbuchen ist! Daher verwundert es nicht weiter, dass es auch in der neuen Spielzeit im Theater Ingolstadt (ab Dezember 2008) wieder heißt:
»Ah! Dass der Geist Hermanns noch in der Asche glimmte! Stelle mich vor ein Heer Kerls wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein sollen!«
Hier soll es aber nun um die filmische Vollbedienung gehen: An die sechs Stunden lang bekommt man nämlich diese Symbiose aus Hard Rock und Theater geboten, aufgeteilt auf zwei DVDs. Der erste Silberling enthält dabei die gesamte Theateraufführung, während sich auf der zweiten Scheibe sowohl mehrere Videoclips als auch Bonusmaterial befinden. Vorweg möchte ich anmerken, dass eine derart vollgepackte DVD reichlich unpassend für den Sommer ist. Es wäre sicherlich vorteilhafter gewesen, mit der Veröffentlichung bis zum Herbst zu warten, wo man aufgrund des schlechter werdenden Wetters eher gewillt ist, so viel Material am Stück zu konsumieren.
Wenn man sich das Theaterstück anschaut fällt auf, dass Schillers Sturm-und-Drang-Klassiker hier recht modern inszeniert wurde. Nicht nur Bonfires hart rockender Soundtrack, sondern auch moderne Kostümbestandteile (z.B. PLO-Tücher, halbautomatische Handfeuerwaffen, Springerstiefel, Tarnkleidung) stehen im Kontrast zu Schillers Werk und führen zu einem ständigen Pendeln zwischen Gestern und Heute.
Bonfire treten jeweils zwischen einzelnen Szenen als Band auf und geben ihre Songs live zum Besten. Unterstützt werden sie dabei von den Schauspielern, die sehr häufig den Lead-Gesang übernehmen und zur Musik tanzen. Beispielsweise wird "The Good Die Young" von Spiegelberg (gespielt von Eva Rodekirchen) gesungen, während bei "Blut Und Todt" Karl von Moor (gespielt von Richard Putzinger) zum Mikrofon greift. Bonfire-Sänger Claus Lessmann ist somit größtenteils auf die Rhythmus-Gitarre beschränkt, singt aber u.a. "Bells Of Freedom" und "Black Night" selbst. Nicht weiter verwunderlich ist, dass die Band recht starr performt und ausladende Rockstar-Posen vermeidet. Dies ist den Umständen angemessen und untermauert Bonfires Status als erfahrene Live-Musiker, die sich hier bestens ins Geschehen einfügen. Einzig Schlagwerker Jürgen 'Bam Bam' Wiehler, der seine Parts im hinteren Teil der Bühne auf einem kleinen Gerüst spielt, kann sich nicht durchgängig zusammenreißen.
Anhand der Reihenfolge der Songs wird deren Einordnung in den Gesamtzusammenhang deutlich. Der Band-Sound ist druckvoll und klar und auch die Schauspieler sind immer sehr gut zu verstehen. Ein kleiner Wermutstropfen ist jedoch die Kameraführung, die für meinen Geschmack viel zu sängerzentriert ausgerichtet ist und die Musiker gern etwas vernachlässigt. Da es allerdings ein Theaterstück ist, bei dem naturgemäß die sprechenden/singenden Personen im Fokus stehen, lässt sich das verschmerzen.
Verfolgt man die Inszenierung anhand des Originaltextes fällt auf, dass sie sich relativ locker daran entlang hangelt. Soll heißen: Ganze Passagen werden weggelassen und somit nur das wichtigste auch wirklich gesprochen. Dadurch bleibt das Stück schlüssig und verständlich, wirkt aber gleichzeitig nicht überladen. Bei der Besetzung der einzelnen Rollen zeigt sich, dass die Amalia von Edelreich gleich von zwei Frauen (Nathalie Schott und Franziska Hartmann) gespielt und der Spiegelberg, wie bereits gesagt, von einer Frau gemimt wird.
Insgesamt macht es viel Freude, sich "The Räuber" anzuschauen. Durch den satten Rock-Sound und die modern angehauchte Inszenierung wirkt das Stück keinesfalls altbacken, sondern angenehm frisch und fetzig. Natürlich sind 210 Minuten nicht für nebenbei gedacht, sondern ein abendfüllendes Programm. Darauf muss man sich mit einem guten Tropfen und der nötigen Portion Ruhe einlassen. Tut man dies, bekommt man aber auch ordentlich Gegenleistung geboten.
Mit dieser fast vierstündigen Theateraufführung ist es jedoch noch nicht getan - DVD 2 möchte schließlich auch noch begutachtet werden. Da hätten wir zuerst die Videos zu neun Songs vom Album "The Räuber": Man kann sich das Liedgut also zu Gemüte führen, ohne von der Theateraufführung unterbrochen zu werden. Bonfire stehen allein auf der Bühne des Ingolstädter Theaters und rocken. Die Videoclips sind angereichert mit mehreren Ausschnitten der Inszenierung sowie kleinen Bildeffekten. Schade ist, dass man die Band zwar live sieht, es sich bei den Tonspuren aber offenbar um die Studioaufnahmen der Songs handelt. Insgesamt ist dies daher eine recht zwiespältige Angelegenheit: Ich zumindest höre mir lieber gleich das Studioalbum an oder genieße das Theaterstück, wo mir die Songs live im Zusammenhang präsentiert werden, anstatt diese auf Dauer doch recht öden Videos zu gucken.
Was das Bonusmaterial angeht, so bekommt man hier zwei Fernseh-Dokumentationen, 'Behind The Scenes'-Material und den Videoclip zu "You Make Me Feel 2008" geboten. Diese drei Sachen reißen es dann wieder raus und machen den faden Beigeschmack, den die Videoclips hinterlassen haben, wett. Die zwei Dokus stammen vom lokalen Fernsehen und sind angenehm kurz gehalten, aber informativ gestaltet. Es gibt Interviewausschnitte mit Regisseur Politz und Sänger Lessmann zu sehen, die sich zu einzelnen Aspekten der Aufführung äußern. Sehr informativ!
'Behind The Scenes' führt den Zuschauer, der Name deutet es an, hinter die Kulissen und gewährt kurzweilige Einblicke ins Drumherum. Gitarrist Hans Ziller und Lessmann interviewen kurz einzelne Schauspieler und Mitarbeiter, außerdem ist man dabei, wenn Lessmann den 'The Räuber Choir' dirigiert. Das schaut man sich gerne an, wie ein solch großer Haufen mit voller Inbrunst den Refrain von "Hip Hip Hurray" schmettert.
Zu guter Letzt gibt es dann mit "You Make Me Feel 2008" eine Neuaufnahme dieser klassischen Bonfire-Ballade zu hören. Auf dem Debütalbum "Don't Touch The Light" (1986) enthalten, zählt "You Make Me Feel" zu den größten Hits der Gruppe und wird nun im halbakustischen Gewand neu aufgelegt. Das schön anzuschauende Video pendelt gekonnt zwischen alten und aktuellen Aufnahmen und zeigt Ziller und Lessmann als deutlich gereifte Männer. Speziell die Stimme des Sängers hat sich über die Jahre angenehm entwickelt. Wer allerdings mit schmalzigen 1980er-Rockballaden nichts anfangen kann, der sollte besser einen großen Bogen um diesen Song machen. Selbst wenn sie, wie hier, durch die Neuaufnahme von einer Menge Kitsch entschlackt wurden.
Fazit: Insgesamt hat man es mit einer durchaus lohnenswerten Doppel-DVD zu tun. Die Theateraufführung von "The Räuber" verbindet deutsche Kultur gekonnt mit deutschem Hard Rock und das Bonusmaterial liefert die informative Unterstützung dafür. Einzig die neun "The Räuber"-Videoclips hätte man sich sparen können oder zumindest deutlich reduzieren sollen. Denn wer als Bonfire-Fan das gleichnamige Studioalbum sein Eigen nennt, der braucht sie eigentlich nicht, und wer als Schiller-Fan primär an der Inszenierung interessiert ist, der braucht sie erst recht nicht, da die Songs ja auch im Theater selbst vorkommen.
Line-up:
Chris 'Yps' Limburg (guitars)
Uwe Köhler (bass)
Claus Lessmann (lead vocals, rhythm guitar)
Hans Ziller (lead, rhythm & acoustic guitars)
Jürgen 'Bam Bam' Wiehler (drums & percussion)
Cast:
Maximilian, regierender Graf von Moor (Rolf Germeroth)
Karl von Moor, sein Sohn (Richard Putzinger)
Franz von Moor, Bruder von Karl (Olaf Danner)
Amalia von Edelreich (Nathalie Schott/Franziska Hartmann)
Spiegelberg, Libertiner, nachher Bandit (Eva Rodekirchen)
Schweizer, Libertiner, nachher Bandit (Peter Reisser)
Roller, Libertiner, nachher Bandit (Enrico Spohn)
Razmann, Libertiner, nachher Bandit (Ole Micha Spörkel)
Kosinsky, böhmischer Edelmann (Enrico Spohn)
Hermann, Bastard von einem Edelmann (Toni Schatz)
Ein Pater (Ralf Lichtenberg)
Daniel, Hausknecht (Peter Greif)
Tracklist |
DVD 1 - Live Theatre Performance:
01:Bells Of Freedom
02:The Good Die Young
03:The Oath
04:Blut Und Todt
05:Do You Still Love Me
06:Lass Die Toten Schlafen
07:Drumsolo
08:Hip Hip Hurray [Instrumental]
09:Hip Hip Hurray
10:Bells Of Freedom [Instrumental]
11:Love Don't Lie
12:Refugee Of Fate
13:Le Me Be Your Water [Acoustic]
14:Father's Return
15:Black Night
16:Let Me Be Your Water
17:Hip Hip Hurray [Encore]
|
DVD 2 - The Videos:
01:Bells Of Freedom
02:The Good Die Young
03:Blut Und Todt
04:Do You Still Love Me
05:Hip Hip Hurray
06:Love Don't Lie
07:Refugee Of Fate
08:Black Night
09:Let Me Be Your Water
Special Bonus Material
Behind The Scenes
The Räuber Choir
Brand New Studio Recording / Video Of "You Make Me Feel"
|
|
Externe Links:
|